Bürgermeisterwahl in Schönefeld - Wer darf den Flughafen eröffnen?

Sa 17.08.19 | 14:00 Uhr | Von Johanna Siegemund
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Das Gelände des Flughafen Willy Brandt Berlin Brandenburg "BER" in Schönefeld bei Sonnenaufgang. (Quelle: dpa/Schlesinger)
Audio: Antenne Brandenburg | 15.08.2019 | Johanna Siegemund | Bild: picture alliance

Eine der reichsten Gemeinden Brandenburgs wählt am 1. September einen neuen Bürgermeister – und zugleich ein neues Gesicht für die Eröffnung des BER-Flughafens: Der langjährige Bürgermeister Udo Haase wird die nicht mehr im Amt miterleben. Von Johanna Siegemund

Man müsse sich von der Macht trennen können, sagt Udo Haase, während er in seinem Büro im Rathaus der Gemeinde Schönefeld sitzt. Etwas mehr als 100 Tage bleiben ihm noch, dann wird er laut eigenen Aussagen mit ein paar Bildern, einem Flieger, einer Figur und "der ein oder anderen Unterlage" aus seinem Büro ausziehen und das Amt des Bürgermeisters niederlegen.

Udo Haase (Quelle: Johanna Siegemund)
Udo Haase | Bild: Johanna Siegemund

Seit 1990 regiert er in und um Schönefeld. 16 Jahre lang war er der erste Bürgermeister der heutigen Gemeinde, eine der reichsten Brandenburgs mit rasantem Wachstum. Um die 16.000 Menschen leben mittlerweile hier – drei Mal so viele wie noch zu Zeiten der Wende. Doch Haases Zeit wird vor allem mit einem Projekt verbunden, dessen Fertigstellung er nicht mehr im Amt erleben wird: dem Flughafen BER.

Dabei hätte das längst passiert sein sollen - vor 2.632 Tagen um genau zu sein. Vor kurzem bestätigte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup immerhin, dass der Eröffnung im Oktober 2020 nichts im Wege stehen würde. Der parteilose Bürgermeister Udo Haase sagt: "Ich glaube wieder daran, aber ich würde nicht mehr wetten." Viele Wetten habe er abgeschlossen, dass in seiner zweiten Amtszeit der Flughafen eröffnen würde. Aber das geschah nicht. Deshalb noch einmal acht Jahre zu regieren, kam für Haase nicht in Frage. Aber wer folgt nun?

Olaf Damm (Quelle: Johanna Siegemund)
Olaf Damm | Bild: Johanna Siegemund

Olaf Damm: Der erfahrene Kommunalpolitiker

Olaf Damm von der CDU hat die größten Wahlplakate im Ort und strahlt die größte Zuversicht aus: "Ich bin mit Sicherheit, glaube ich, der beste Kandidat, den Schönefeld je kriegen kann." Damm begründet das mit seiner Erfahrung als Kommunalpolitiker: langjähriger Vorsitzender der Gemeindevertretung, Mitglied im Kreistag Dahme-Spreewald und erster Bürgermeister in seinem Geburtsort Waltersdorf, der jetzt Ortsteil von Schönefeld ist. Seit fast 30 Jahren engagiert er sich für den Ort. Vor acht Jahren zog er seine Kandidatur für den Bürgermeisterposten zurück.

Nun will er die Verwaltung umstrukturieren, damit die Stadt den Zuwachs von "mehreren hundert Leuten pro Monat" stemmen kann. Zudem sei bei diesem Zuwachs das "Wir-Gefühl" verloren gegangen. Momentan gebe es kaum Treffpunkte zwischen den Zugezogenen und älteren Schönefeldern. Das soll sich ändern, die soziale Infrastruktur müsse besser ausgebaut werden, findet Damm und tritt diesmal an.

Ausgebaut werden muss auch der Verkehr am, im und um den Flughafen herum. Schon jetzt seien die Straßen selbst ohne funktionierenden Flughafen überlastet. Ähnlich wie der amtierende Bürgermeister Haase plädiert Olaf Damm für eine Verlängerung der U7 nach Schönefeld, "wenn möglich darüber hinaus bis ans Terminal".

Sein Glaube an den Flughafen wachse von Monat zu Monat, so Damm. Dennoch weiß er auch, dass die Bürger in Schönefeld geteilter Meinung zum Flughafen sind: Der BER sei "Fluch und Segen" in einem. Die Gemeinde müsse nun lernen, mit dem Flughafen zusammenzuleben – und dass der BER auch positive Effekte auf Schönefeld haben könnte.

Christian Weber (Quelle: Johanna Siegemund)
Christian Weber | Bild: Johanna Siegemund

Christian Weber: Der junge Gemeindewehrführer

Christian Weber ist parteilos und mit seinen 38 Jahren der jüngste der drei Kandidaten. Und das sei auch gut so, denn bei Entscheidungen der Gemeindevertretung fühlte er sich bislang oft nicht betroffen. Der Schönefelder will, dass alle etwas vom Wohlstand der Gemeinde haben – besonders in Kinder- und Jugendeinrichtungen würde man das teilweise vermissen. Es fehle für Kinder, Familien und Senioren an der notwendigen Infrastruktur und er will der Kandidat sein, der für deren Rechte eintritt.

Den Flughafen in Schönefeld sieht Weber besonders im Hinblick auf die Infrastruktur als große Herausforderung. Zudem müsse man sich in Zukunft mit Themen wie Lärm oder Tourismus viel mehr beschäftigen. Dennoch sei es auch eine Riesenchance, denn die Infrastruktur des Flughafens könne man auch abkupfern und den Bürgern in Schönefeld zur Verfügung stellen.

Beispielhaft nennt Weber das Thema Carsharing. Davon sollten doch auch die Bürger in der Gemeinde profitieren können – nicht nur Flughafengäste. Denn Fortbewegung ist in der Flächengemeinde ein Problem für alle ohne eigenes Auto: Die Busse fahren - wenn überhaupt - im Stundentakt, zu Fuß in einen anderen Ortsteil zu laufen, ist kaum machbar.

Als Gemeindewehrführer der freiwilligen Feuerwehr will er zudem das Ehrenamt stärken, aber nicht nur für die Feuerwehr, sondern auch für Kiezprojekte für Senioren. Schönefeld sei eine "Schlafstadt", weil es kaum Möglichkeiten der Freizeitgestaltung gebe: "Sie haben überall die Möglichkeit, sich individuell im Haus oder der Wohnung zu beschäftigen, aber darüber hinaus mangelt es", sagt Weber.

Christian Hentschel (Quelle: Johanna Siegemund)
Christian Hentschel | Bild: Johanna Siegemund

Christian Hentschel: Der zugezogene Ortsvorsteher

Christian Hentschel ist aus Berlin zugezogen und mittlerweile Ortsvorsteher im größten Ortsteil Schönefelds, Großziethen. Für ihn sei es unerklärlich und schwer auszuhalten, dass sich alles nur um den BER und die Eröffnung drehen würde. "Dabei vergisst man, dass hier schon Leute leben und zwar sehr lang", sagt Hentschel. Diese Leute hätten auch Bedürfnisse: Bus fahren, Einkaufen gehen oder - als Jugendliche - mal abends in die Disco. Hentschel will sich darum kümmern.

Dass er aus Berlin zugezogen ist, sei dabei ein Vorteil: Schließlich gehe das zwei Dritteln der Einwohner genauso. Bereits 2011 trat Hentschel bei der Bürgermeisterwahl an, damals eher aus Not und Mangel an Alternativkandidaten zum Bürgermeister. Heute will er es mehr denn je. Um den Ort zu verstehen, agierte er acht Jahre als Gemeindevertreter und forderte Bürger im Wahlkampf aktiv dazu auf, ihm Ideen zu schicken, beispielsweise zur Essensversorgung von Senioren.

Seine politische Karriere begann mit der Buslinie 735: Diese sollte eingestellt werden – sehr zum Frust von Hentschel und anderen Bürgern. Weil die Gemeindevertretung ihn damals abwies, beschloss er, sich selbst in einer Bürgerinitiative zu engagieren. Mittlerweile ist die "Bürgerinitiative Schönefeld" zweitstärkste Kraft in der Gemeinde.

Besonders, weil der ÖPNV bei den größten Pendlerbewegungen im Landkreis Dahme-Spreewald immer noch unzureichend ist und die Kita- und Hort-Kosten in der Gemeinde seit einigen Jahren explodiert sind. Und auch, weil er seinen Kindern versprochen hat, sich mehr für die Jugend einzusetzen. Die würden sich aus Mangel an Freizeitmöglichkeiten auf den Parkplätzen der Supermärkte rumtreiben. "Man hat vergessen, dass die Kinder älter werden."

Ein riesiger Rucksack an Beschlüssen

Doch zunächst arbeitet Udo Haase noch an seinen letzten Projekten: "Der Nachfolger, der jetzt hier antreten wird, hat ein großes Arbeitsfeld", sagt er. Es sei eine Herausforderung, bei dem enormen Tempo der Stadt mithalten zu können. Es gebe auch noch einen riesigen Rucksack an Beschlüssen der Gemeindevertretung. Das seien eben die Zwänge, die sich aus dem Wachstum der Gemeinde Schönefeld ergeben.

Teil des Wachstums soll ab dem nächsten Jahr auch endlich der fertige Flughafen inklusive Flugverkehr sein. Der schwebt bereits jetzt über allem in Schönefeld. Doch das soll sich in den nächsten acht Jahren ändern - wenn es nach den drei Kandidaten geht. Eine neue Zeitrechnung beginnt in Schönefeld in jedem Fall.

Beitrag von Johanna Siegemund

7 Kommentare

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  1. 7.

    Antwort: Ein Mensch ohne Skrupel.

  2. 6.

    Die wollen allen Ernstes nicht noch die Eröffnung feiern - wie peinlich - nach Pleiten, Pech und Pannen. Was oder wer soll denn da gefeiert. Doch nicht etwa die ehemaligen und jetzigen Verantwortlichen, vor allem die Politiker. Typisch, sie feiern gerne ihre Unfähigkeit und Inkompetenz.

  3. 5.

    Bei der Überschrift musste ich auch lachen - und mir fielen sehr viele witzige Wortspiel-Alternativen ein. Der arme Bürgermeister, der diese Bauruine eröffnen muss... oder muss er das gar nicht? Vielleicht nicht vor seiner Verrentung :-)

  4. 4.

    Schade das Herr Haase das Amt nicht länger bekleidet. Sein Nachfolger wird an ihm gemessen werden. Ich fand es immer gut das er Parteilos war und geblieben ist. Für die Zukunft wünsche ich ihm ALLES GUTE!

  5. 3.

    @Berliner (Nr. 1): Diese (Ihre) Frage wäre weitaus zutreffender. Einem peinlicheren (und mittlerweile international bekannt gewordenem) Desaster würde ich nicht vorstehen wollen.

  6. 2.

    Sollte die Frsge nicht lauten, in wie vielen Jahren wird er eröffnet und dann jetzt schon ma Promis fragen, ob sie zum Beispiel 2034 oder später Zeit haben?

  7. 1.

    Ist die Frage nicht eher, wer ihn eröffnen "muss"?

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