Streit in der R2G-Koalition - Geplatzt der Traum der klimafreundlichen Bauordnung

Zwei Jahre tüftelte die Rot-rot-grüne Koalition an einer Novellierung der Bauordnung, mit der Neubau grüner, inklusiver und schneller werden sollte. Dann ließ die SPD die Reform platzen. Alles nur Wahlkampf oder ein beschlossener Richtungswechsel? Von Efthymis Angeloudis
SPD, Linke und Grüne hatten sich beim Thema Wohnen viel vorgenommen. Kurz vor der Wahl sollte die geplante Novellierung der Berliner Bauordnung es der Stadt erlauben in der Zukunft klimaneutraler und leichter zu bauen, um den Wohnungsmangel durch Neubau zu lösen.
Zwei Jahre tüftelte die Koalition zusammen mit den Bezirken und der Architekturkammer Berlin an dem Plan. Doch auf der Schlussgeraden platzte die Novelle. Die SPD-Fraktion hat dem Projekt für diese Legislaturperiode eine Absage erteilt.
Dabei war Berlins neue Bauordnung auch für Architekten und Architektinnen in der Stadt ein wichtiges Anliegen. "Wir benötigen dringend eine Novellierung der Bauordnung Berlin", sagt die Präsidentin der Architekturkammer Berlins, Theresa Keilhacker am Freitag rbb|24. "Es herrscht weitgehender gesellschaftlicher Konsens, dass wir den Klimawandel sehr viel beherzter angehen müssen als bisher."
Das fordert sogar schon das Bundesverfassungsgericht. Das deutsche Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 ist nämlich in Teilen nicht mit den Grundrechten vereinbar. Es fehlten ausreichende Vorgaben für die Minderung der Emissionen ab dem Jahr 2031, teilte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil im April dieses Jahres mit. Der Gesetzgeber müsste laut Beschluss nun nachbessern.
Dabei hätten die beabsichtigten Regelungen, laut Keilhacker deutlich geholfen. Auch wenn sie nicht weitreichend genug seien, wären sie doch ein dringend notwendiger Schritt gewesen.
Linke: SPD hat sich dem Druck der Lobbyisten gebeugt
Doch am Montag teilte die baupolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger Grünen und Linken mit, dass die Gespräche um eine neue Bauordnung beendet seien. Dem rbb gegenüber erklärte Spranger, dass der Rat der Bürgermeister an den Plänen scharfe Kritik ausgeübt hätte. Demnach seien die zuständigen Bezirksbauämter derzeit nicht in der Lage zu kontrollieren, ob die Vorgaben eingehalten würden.
Der Baupolitische Sprecher der Linken, Michail Nelken, widerspricht dem. "Das war nicht der ausschlagegebende Grund", sagt er rbb|24. Dass die Bezirke deutlich gemacht hätten, dass sie im Falle von Mehrarbeit für die Baugenehmigungsbehörden auch mehr Personal brauchen, sei normal. Die bezirklichen Bauämter seien ohnehin schon für ihr Aufgabenvolumen personell nicht hinreichend ausgestattet. "Diese bedauerliche Situation wäre durch die Novelle nicht merklich verschärft worden."
Nelken sieht den Grund woander: Lobbyisten der Bauwirtschaft und der Immobilienbranche hätten gemeinsam erheblichen Druck auf die Regierungsparteien aufgebaut, da die geplanten Änderungen der Bauordnung mehr Pflichten und Lasten für sie bedeuten würden und das Bauen von Wohnungen teurer machen und behinderten, meint Nelken. "Dem Druck hat sich die SPD gebeugt."
Kritik der Wirtschaftsverbände an Novelle
Tatsächlich haben Bau- und Wirtschaftsverbände die Pläne einer neuen Bauordnung stark kritisiert. Der Verband Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU) warnte in einer Pressemitteilung, dass durch die Novellierung Bauen in Berlin noch teurer, langwieriger und schwieriger wäre, da zum Beispiel durch die vorgesehene Begrünungspflicht für Dächer die Kosten einer Dachsanierung oder eines Dachneubaus, laut BBU um 10 bis 20 Prozent steigen könnten. "Sollte die Novellierung so beschlossen werden, wäre das ein weiterer harter Schlag gegen bezahlbaren Neubau in Berlin", urteilte der Verband.
"Nach unserer Einschätzung würde die erhöhte Quote den Neubau nicht behindern", erklärt Keilhacker. Von ihren Mitgliedern höre sie, dass die jetzt in der Planung befindlichen Projekte in den meisten Fällen die Quoten für zum Beispiel barrierefreien Wohnungen schon berücksichtigen. "Die sehr langen Genehmigungsverfahren stellen da eher eine Behinderung dar."
Rot-rot-grüne Koalition auch nach der Wahl möglich
Die Absage der Novellierung, erklärte Spranger im "Tagesspiegel", habe sie mit den Landesvorsitzenden und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey und Raed Saleh abgestimmt. Der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Andreas Otto sprach von einer "sich anbahnenden Ära Giffey", in der ökologischen Politik schwierig oder sogar unmöglich sein werde. Ist das also ein unter der Führung von Franziska Giffey beschlossener Richtungswechsel der SPD. "Die Kehrtwende und Blockade der Novelle im letzten Augenblick sind eindeutig ein parteipolitisches Wahlkampfmanöver, das nicht eine einzelne Abgeordnete entscheiden kann", meint Nelken.
Die SPD-Fraktion habe in den fast zweijährigen Diskussionsprozess stets konstruktiv mitgestaltet und auch eigene Vorschläge eingebracht. "Die SPD wird vermutlich nach der Wahl vom heutigen demonstrativen Betonlobbyismus wieder auf den Pfad des politischen Realismus zurückfinden", so der Baupolitische Sprecher der Linken weiter. Eine Rot-rot-grüne Koalition in Berlin ist, laut Nelken, auch nach der Wahl weiterhin möglich.