Analyse der Wahlen in Berlin - Welche Parteien die treuesten Wähler und Wählerinnen haben

Do 23.09.21 | 07:24 Uhr | Von Dominik Ritter-Wurnig, Sophia Mersmann
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Datenrecherche. Im Bild: Fernsehturm im Abendlicht (Quelle: rbb24/dpa/Noppasin Wongchum)
Bild: rbb24/dpa/Noppasin Wongchum

Erstmals wählen Berlinerinnen und Berliner gleichzeitig auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene. Das wird auch die Wahlbeteiligung und den Wahlausgang beeinflussen. Zwei Parteien könnten profitieren. Von Sophia Mersmann und Dominik Ritter-Wurnig

Politisch gesehen ist die Hauptstadt ein Fähnchen im Wind. Die letzten drei Wahlen brachten drei unterschiedliche Wahlsiegerinnen in der Stadt. Stärkste Partei wurden bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 die SPD, bei der Bundestagswahl 2017 die CDU und bei der Europawahl 2019 die Grünen.

Das rbb|24-Datenteam analysiert, wie treu die Wählerinnen und Wähler zu den Parteien in den 2.254 Wahlbezirken stehen. Wahlbezirke sind die allerkleinste geographische Einheit bei der Wahl - sie sind in der Regel kleiner als Kieze und entsprechen am ehesten einem Häuserblock. Rund Tausend Wahlberechtigte wohnen im Schnitt in einem Wahlbezirk.

Vor dem Superwahltag am 26. September, an dem die Berliner Wahlberechtigten gleichzeitig über Bundestag, Abgeordnetenhaus und Bezirksverordnetenversammlung (BVV) abstimmen können, blicken wir zurück und analysieren die Ergebnisse der letzten Wahlen in allen Berliner Kiezen:

Wenn Sie die Grafiken nicht sehen können, bitte hier entlang.

SPD hat mit Kernwählern Erfolg

Die SPD hat die treuesten Wählerinnen und Wähler. Die Sozialdemokraten schnitten bei den letzten Wahlen zum Bundestag (national), Abgeordnetenhaus (regional) und den Bezirksverordnetenversammlungen (lokal) in allen Wahlbezirken ziemlich konstant ab. Am allerbesten schnitt die SPD bei den Wahlen auf Bezirksebene ab.

"Man könnte argumentieren, dass es die SPD auf allen Ebenen geschafft hat, ihre Kernwähler und Kernwählerinnen bei sich zu behalten und dann eben auch auf allen drei Ebenen zu mobilisieren", analysiert der Wahlforscher Heiko Giebler vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) die Ergebnisse der Datenanalyse. Blickt man auf die drei Wahlgänge, haben die Sozialdemokraten zwar keine Ausreißer nach unten und oben. Doch obwohl sie auch nach der Wahl 2016 wieder den Regierenden Bürgermeister stellten, waren die Ergebnisse zuletzt eigentlich nicht berauschend. "Die SPD hat einen treuen Kern", so Giebler, "den sie dann 2016 und 2017 auch an den Wahltagen überzeugen konnten, aber halt eben wenig darüber hinaus."

Angela Merkel holte Berlin für die CDU

In der Bundespolitik setzten die Berliner Wähler und Wählerinnen 2017 dagegen stark auf CDU, Die Linke und FDP. So hat in vielen Wahlbezirken die CDU bei der Bundestagswahl weit besser abgeschnitten, als bei der Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahl im Jahr zuvor.

Bei der CDU habe sicher Angela Merkel eine große Rolle für das gute Abschneiden der CDU bei der letzten Bundestagswahl gespielt, analysiert Giebler. Aber dazu kämen weitere Faktoren: "Im Endeffekt unterscheidet sich die Berliner CDU doch relativ deutlich von der Bundes-CDU", sagt der Wahlforscher. "Es macht also durchaus Sinn, dann auch in einen Fall der CDU die Stimme zu geben und im anderen Fall vielleicht nicht."

Flughafen Tegel als Faktor

Die Linke konnte bei den Abgeordnetenhauswahlen in den Wahlbezirken fast nirgends die Ergebnisse auf Bundes- oder Bezirksebene übertreffen. Und die FDP hat bei den Wahlen auf Bezirksebene durch die Bank schlechter abgeschnitten als bei den anderen Wahlgängen; bei der Bundestagswahl 2017 stimmten besonders viele Wahlbezirke verstärkt für die FDP.

Eine mögliche Erklärung: Beim Volksentscheid über den Flughafen Tegel setzte sich die FDP stark für die Offenhaltung ein - diese Abstimmung fand zeitgleich mit der Bundestagswahl 2017 statt. Die Mehrheit votierte bekanntlich für die Offenhaltung des Stadtflughafens, der inzwischen geschlossen ist, und die FDP schaffte es in etlichen Wahlbezirken mehr Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.

Grüne als Local Heroes

Berliner AfD-Wähler und -Wählerinnen wiederum vertrauten der Partei vor allem in der Landespolitik. Bei der Bundestagswahl ein Jahr später fuhr die AfD ein deutlich schlechteres Ergebnis ein.

Die Grünen fuhren bei den Wahlen 2016 und 2017 das stärkste Ergebnis bei den BVV-Wahlen ein. Auch bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus wurden sie in etlichen Wahlbezirken öfters gewählt als bei der Bundestagswahl.

Warum wählen die Menschen - teilweise bei gleichzeitiger Wahl - unterschiedliche Parteien? Auf unterschiedlichen Ebenen seien unterschiedliche Themen wichtig. So ergibt es für Giebler durchaus Sinn, dass die Grünen - und auch die SPD - besonders in der Lokalpolitik Stimmen gewinnen. Denn in der Bezirkspolitik seien eben Themen wie Fahrradinfrastruktur oder nachbarschaftliches Engagement wichtig, für die diese Parteien stehen.

Zudem helfe es, in den entsprechenden Kiezen präsent zu sein, weil man dann mit den Bürgern und Bürgerinnen einfach ins Gespräch komme und die Inhalte transportieren könne, so Giebler. "Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das den beiden Parteien vielleicht berlinweit ein bisschen besser gelingt, als anderen Parteien."

Wie treu wählt ihr Häuserblock?

In der untenstehenden Grafik können Sie nachschlagen, wie unterschiedlich die Menschen rund um ihre Wohnadresse gewählt haben:

Wie könnte der Superwahltag das Ergebnis beeinflussen?

Neben den Parlamentswahlen auf allen drei Ebenen, können die Berliner Wahlberechtigten am Sonntag auch über den Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" abstimmen. Dass vier Abstimmungen gleichzeitig stattfinden, ist noch außergewöhnlicher und wird sich vor allem auf die Wahlbeteiligung auswirken. Die untenstehende Grafik zeigt, dass bei Bundestagswahlen die Wahlbeteiligung in aller Regel deutlich höher ist, als bei sogenannten Nebenwahlen wie es die Abgeordnetenhaus- oder Bezirkswahl sind. Finden Wahlen zeitgleich statt, erhöht das die Wahlbeteiligung. Vor allem für den Volksentscheid ist das wichtig - das Erreichen des nötigen Quorums (mindestens 25 Prozent Wahlbeteiligung) gilt dadurch als sicher.

Wahlforscher Giebler geht davon aus, dass durch gemeinsame Wahlen vor allem Parteien der Mitte profitieren würden. "Diese zusätzlichen Wähler und Wählerinnen sind in der Regel Menschen, die sich weniger stark für Politik interessieren und auch weniger stabile Parteibindung haben", sagt Giebler. Dadurch könnten bei den Bezirks- und Abgeordnetenhauswahlen die SPD und die CDU auf ein Plus hoffen, so Giebler.

Beitrag von Dominik Ritter-Wurnig, Sophia Mersmann

2 Kommentare

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  1. 2.

    Damit werden Sie das Ziel nicht erreichen. Die Wahlrechtsreform ist dringend nötig, um die Größe des Parlaments auf die vorgesehene Größe zu begrenzen. Dessen Verteilung wird allein von den Zweitstimmen (für die Parteien) bestimmt. Für die Anzahl sind die Erststimmen (für die Wahlkreiskandidaten) relevant, da jeder Gewinner eines Wahlkreises automatisch ins Parlament einfließt. Um das von Ihnen gewünschte Ziel zu erreichen müssten zwei Dinge passieren: 1. Die 5%-Hürde müsste zu Gunsten der sonstigen Parteien gesenkt werden, was den Anteil der (ehemaligen) Volksparteien automatisch korrigieren würde. 2. Gleichzeitig müsste aber auch der Automatismus, dass ein Wahlkreisgewinner ins Parlament einzieht, gekippt werden, weil es ansonsten noch mehr Überhangmandate gäbe, weil kleine Parteien faktisch keine Chance haben, einen ganzen Wahlkreis zu gewinnen. Oder aber, man schafft die Erststimme gleich ganz ab und wählt nur noch Parteien.

  2. 1.

    Laut den Wahlforschern haben SPD und CDU in den letzten 20 Jahren prozentual und in absoluten Zahlen Millionen von Wählern verloren. In Berlin schätzt man den Anteil der sogenannten Sonstigen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus auf etwa 13 Prozent. Es wird Zeit das Wahlrecht besonders hinsichtlich der Überhangsmandate zu ändern. Es muss sich auch in den Parlamenten widerspiegeln wenn Parteien und Politiker in absoluten Zahlen erheblich weniger Stimmen erhalten bzw. ihnen das Vertrauen entzogen wird.

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