rbb|24-User fragen - Dürfen Parteien mir persönlich Briefe mit Wahlwerbung schicken?

Plakate, Werbespots, Straßenstände - Parteien heischen im Wahlkampf mit verschiedenen Mitteln nach Aufmerksamkeit. Usern von rbb|24 missfielen allerdings an sie persönlich adressierte Briefe mit Wahlwerbung. Ist das rechtens? Von Georg-Stefan Russew
Vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin und der Bundestagswahl haben viele politische Parteien in den heißen Wahlkampfmodus geschaltet. Sie werben auf der Straße, bei öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen sowie in digitalen Kanälen um die Wählergunst.
Doch auch in Briefkästen landet personalisierte Wahlerbung, wie zahlreiche User rbb|24 berichten. Sie beschweren sich über die Briefe, fragen, woher die Parteien ihre Anschrift herbekommen haben. Einige meinen, dass das eventuell einen Datenschutzverstoß darstellen könnte.
Personalisierte Wahlwerbung zulässig - aber Mindeststandards zu beachten
Generell ist personalisierte Wahlwerbung zulässig. Es seien laut der noch amtierenden Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk aber Mindeststandards einzuhalten. "Denn personalisierte Wahlwerbung im eigenen Briefkasten ist nicht immer erwünscht und insbesondere datenschutzrechtlich kritisch, wenn sie auf der zielgruppenorientierten Auswertung personenbezogener Daten basiert", heißt es in einem Ratgeber ihres Hauses "Wahlwerbung durch politische Parteien" [datenschutz-berlin.de].
Parteien haben laut Paragraf §50 Bundesmeldegesetz die Möglichkeit, von Meldebehörden Namen, Doktorgrad und die gegenwärtigen Wohnanschriften der Stimm- oder Wahlberechtigten zu erfragen. Dies ist aber nur innerhalb von sechs Monaten vor dem Wahltermin gestattet. Zusätzlich ist zu beachten, dass nicht alle Daten der Wahlberechtigten abgefragt werden dürfen, sondern nur bestimmte Ziel- oder Altersgruppen wie beispielsweise Erstwähler. Die Abfrage von Religionszugehörigkeit oder Geschlecht ist unzulässig.
Parteien haben keinen Rechtsanspruch
Wichtig ist: Die erhaltenen Adressdaten müssen bis spätestens einen Monat nach der Wahl vernichtet werden. Wer keine personalisierte Wahlwerbung erhalten will beziehungsweise keine Weitergabe seiner Daten durch die Meldebehörden wünscht, kann dies per Veto bei der zuständigen Stelle reklamieren. In Berlin ist dies das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten. Widersprüche sind hier an die Zentrale Einwohnerangelegenheit zu adressieren.
Übrigens steht im Melderecht nicht, dass Meldedaten von Personen herausgegeben werden müssen. Die Behörden können die Herausgabe auch verweigern - allerdings muss dies dann auf einheitlicher Linie passieren, so dass alle Parteien gleichbehandelt werden.
Parteien können auch die Dienste von sogenannten Adresshändlern nutzen. Allerdings sind Handel und Vermieten von Adressen nur zulässig, wenn Betroffene hierzu ihre Einwilligung erteilt haben. Dies müssen Parteien dann auch tatsächlich nachweisen können, heißt es in dem Ratgeber der Datenschutzbeauftragten.
Ausnahme: Unpersonalisierte Wahlwerbung im Briefkasten
Unpersonaliserte Wahlwerbung, auf der also keine konkrete Anschrift vermerkt ist, in Briefkästen zu werfen, ist übrigens nicht erlaubt, wenn der Briefkasten mit einem Werbeverbot gekennzeichnet ist. Dies hat das Kammergericht Berlin (KG, Urteil vom 21.09.2001 - 9 U 1066/00) bereits vor 20 Jahren entschieden. Demnach gelten Werbeverbote an Briefkästen auch für politische Parteien in gleicher Weise wie für Unternehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Berliner Entscheidung zudem bestätigt.
Für personalisierte Wahlwerbung gilt das aber nicht. "Für Werbesendungen, die unter Verwendung der vollständigen Anschrift per Post an Wähler:innen versandt werden, gilt dies nicht. Denn in diesen Fällen können die Postzusteller:innen nicht zweifelsfrei erkennen und entscheiden, ob es sich bei einem Brief ausschließlich um Werbung handelt", heißt es dazu im Ratgeber der Berliner Datenschutzbeauftragten.
Haustürwahlkampf
Viele Parteien setzen auch auf Haustürwahlkampf, wo Kandidaten oder Wahlkampfhelfer beispielsweise Wähler im direkten Gespräch für sich einnehmen möchten. Laut Datenschutzbeauftragter ist das systematische Ablaufen eines Straßenzuges und das Klingeln an der Haustür noch keine Verarbeitung personenbezogener Daten und damit aus ihrer Sicht nicht zu beanstanden. Wenn später jedoch eine systematische Erfassung der Gesprächsverläufe per App erfolgt, dürfe dies nur anonymisiert erfolgen.
Sendung: Inforadio, 09.09.2021, 17:20 Uhr