Meinung | Gescheiterte R2G-Projekte in Berlin - Die drei von der Zankstelle

Mobilitätsgesetz, Bildungsreform, Bauordnungsnovelle und wahrscheinlich auch das Zweckentfremdungsverbot: Reihenweise beerdigt Rot-Rot-Grün gerade zentrale Projekte – und führt damit vor, wie man grandios an sich selbst scheitern kann. Von Thorsten Gabriel
Bei der Fortsetzung des Mobilitätsgesetzes hakte es beim Reizwort Citymaut. Bei der Schulreform zoffte man sich ums Geld und die Abschaffung des Mittleren Schulabschlusses (MSA) an Gymnasien. Bei der Novelle der Bauordnung ging es um mehr Umwelt- und Klimaschutz. Auch beim Bemühen, das Zweckentfremdungsverbot zu verschärfen, haben sich die Koalitionspartner ineinander verkeilt.
Mit all diesen Projekten war die rot-rot-grüne Koalition in Berlin Monate, teils sogar Jahre lang beschäftigt. Und nun? Wird eins nach dem anderen unerledigt zu den Akten gepackt.
Rot-Rot-Grün stand sich von Anfang an selbst im Weg
Das mag auch daran liegen, dass SPD-Chefin und -Spitzenkandidatin Franziska Giffey ihre Partei mir nichts, dir nichts nach rechts schiebt und so für Konfliktstoff in der Koalition sorgt. Aber eigentlich ist das nur das Sahnehäubchen. Denn diese rot-rot-grüne Koalition stand sich vom ersten Tag an selbst im Weg.
Immer wieder brauchte es bei wichtigen Projekten Krisen- und Sondersitzungen, um Kühe vom Eis zu kriegen, die da eigentlich nie hingehörten. Gezerre gab’s um den Mietendeckel, um die S-Bahn-Ausschreibung, ums Energiewendegesetz. Die Aufzählung ist sehr unvollständig.
SPD, Linke und Grüne haben einen Großteil ihrer Zeit damit verbracht, der Opposition ihre Arbeit abzunehmen. Das Lustige daran: Ausgerechnet dieses Regierungsbündnis hatte sich in seinem Koalitionsvertrag ein ganzes Kapitel zum Thema "Gutes Regieren" gegönnt.
Ach, hätten Sie’s doch nur gelesen! Dass sie nun also – zum großen Finale – die Kühe einfach gar nicht mehr vom Eis holen, sondern sie einfach einbrechen und ertrinken lassen, ist da eigentlich nur eine konsequente Steigerung.
Eine Koalition mit "maximaler Transparenz"
Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich gehört Streit zu gutem Regieren. Es ist das Erkennungsmerkmal einer Demokratie, dass unterschiedliche Parteien um gute Lösungen ringen, auch wenn sie gemeinsam regieren. Gut ist allerdings, wenn dafür ein vertrauensvolles Klima herrscht, damit nicht um jede noch so kleine Kleinigkeit in aller Öffentlichkeit gestritten wird.
Bei Rot-Rot-Grün aber gilt seit jeher: Wo auch immer irgendwer in der Koalition Schluckauf hat – keine Stunde später ist es irgendwo zu lesen.
Man könnte wohlwollend von maximaler Transparenz sprechen, die SPD, Linke und Grüne da an den Tag legen. Aber im Ergebnis zeigt sich: Maximale Transparenz ist der Tod guter Lösungen. Weil es schon nach kurzer Zeit nicht mehr um den besten Weg geht, sondern nur noch darum, wer Sieger und wer Verlierer ist.
Gesichtswahrung und -verlust sind dann wichtiger als pragmatische Ergebnisse. Eigentlich hätte sich die gesamte Truppe schon vor fünf Jahren erstmal zum "Teambuilding" auf Klassenfahrt begeben müssen, um zu lernen, dass es nicht bei jedem Projekt darauf ankommt, laut "Erster!" zu schreien.
"Ihr habt uns gewählt, um Probleme zu lösen? Egal!"
Den meisten Menschen in dieser Stadt ist nämlich herzlich egal, wer die Idee für eine gute Lösung hatte und wer sie umgesetzt hat. Sie wollen, dass ihre Stadt funktioniert. Wenn die amtierende Regierung das hinkriegt – umso besser. Dann besteht für sie die Chance wiedergewählt zu werden. Und diese Chance steigt für alle an einer Regierung beteiligten Parteien, wenn sie gemeinsam das Bild eines kraftvollen Bündnisses vermitteln, das weiß, was es tut.
Wenn SPD, Linke und Grüne jetzt also die Hände in die Höhe recken und verkünden, sie kriegen’s nicht mehr gebacken, mag das für die Opposition ein Fest sein. Zumal der die meisten abgesagten Projekte ohnehin quer lagen.
Den eigenen Anhängern aber zeigen die Koalitionäre damit quasi den Mittelfinger: Ihr habt uns gewählt, um Probleme zu lösen? Egal, unsere Egoismen sind uns jetzt wichtiger! Wie mit dieser Haltung eigene Wählerinnen und Wähler überzeugt werden sollen, bleibt ein rot-rot-grünes Geheimnis.
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