Kommentar zur Wahldebatte in Berlin - Keine Alternative für Berlin

Mi 07.09.16 | 06:46 Uhr
Besucher verfolgen am 06.09.2016 im Foyer des Fernsehsenders rbb in Berlin auf Bildschirmen eine Talkrunde zur Berliner Abgeordnetenhauswahl (Quelle: dpa/Sophia Kembowski)
Bild: dpa

SPD, CDU, Linke, Grüne - und auch die AfD haben realistische Chancen, bei der Wahl am 18. September in das Berliner Abgeordnetenhaus einzuziehen. Am Dienstag debattierten die Spitzenkandidaten dieser Parteien in einer Talkrunde - mit erhellendem Ergebnis. Ein Kommentar von Jan Menzel

Gleich vorweg: Ja, man kann mit AfD-Vertretern diskutieren und man sollte es auch tun. Nicht mit der großen Geste, die Partei entzaubern zu wollen, ihren Funktionären die Maske herunterzuziehen, sondern ganz unaufgeregt zu fragen. Zu fragen - und wenn es keine Antwort gibt: wieder zu fragen. Dann erfährt man, dass die Protestpartei AFD nichts von Mietwohnungen hält und städtische Wohnungen am liebsten verkaufen will. Ich finde, nicht nur Arbeitslose, Alleinerziehende und Rentner haben ein Recht darauf, das vor der Wahl zu erfahren.

Beispiel 2: Berlins Bürgerämter führen täglich vor, was Mangelverwaltung ist. Die Antwort der AfD lautet: Wir müssen die Misere zunächst analysieren. Vielen Dank, diese Mängelliste können alle Berliner mit Behördenkontakt längst auswendig.

"Mich hätten sie vermutlich auch aussortiert"

Letztes Beispiel: Integration. Ich will Flüchtlinge gar nicht integrieren, sagt AfD-Spitzenkandidat Georg Pazderski. Aber die Menschen sind doch da und werden vorerst auch bleiben, entgegnet der Moderator. Was soll denn mit den - ja, es sind Menschen - passieren? Kein Konzept bei der AfD.

Und dann muss ich schlucken: Die Grüne-Spitzenkandidatin Ramona Pop schaltet sich ein. Pop ist im Rumänien geboren, in Deutschland aufgewachsen und sie wirft dem AfD-Mann einen Satz an den Kopf, der alles sagt: Mich hätten sie vermutlich auch aussortiert.

SPD und CDU beharken sich kaum

Es geht um viel bei dieser Wahl. In Berlin leben mehr als doppelt so viele Menschen wie in Mecklenburg-Vorpommern. Als Hauptstadt ist Berlin Aushängeschild Deutschlands. Und was hier politisch passiert, könnte Auswirkungen auf die Bundestagswahl in einem Jahr haben. Seit Wochen lassen die Umfragen ein Dreierbündnis immer wahrscheinlicher werden. Die Fernsehrunde hat gezeigt, dass Rot-Rot-Grün wohl ginge. Auch wenn insbesondere Grüne und SPD dafür sorgen dürften, dass es keine Kuschel-Koalition werden wird.

Die Sendung hat aber noch etwas gezeigt: Bei allem Streit zwischen SPD und CDU im Roten Rathaus ist das Tischtuch zwischen Michael Müller, dem Regierenden Bürgermeister von der SPD, und Frank Henkel, dem christdemokratischen Innensenator, noch längst nicht zerschnitten. Ganz bewusst sollte es dieses Mal kein Duell werden, weil die Parteien so eng beieinander liegen. Den klaren Favoriten gab es auch nach diesem Fernseh-Fünfkampf nicht.

Duell offenbart Unterschiede

Die Überraschung des Abends ist Linken-Spitzenmann Klaus Lederer gelungen, der schlagfertig, souverän und kenntnisreich den Eindruck erweckte, dass er sich auch den Regierenden Bürgermeister zutrauen würde. Ramona Pop piesackte Michael Müller einmal mehr mit dem Pannenflughafen BER. Und Müller revanchierte sich, indem er Pop gleich zweimal mit ihrer Alles-ist-schlecht-Haltung auflaufen ließ. Frank Henkel hatte seinen stärksten Moment zum Schluss mit dem Bekenntnis: Das christliche Menschenbild und die AfD passen nicht zusammen.

Und die Zuschauer und Zuhörer? Fast ein Drittel der Berliner hat jüngst angegeben, dass sie noch nicht wissen, wo sie ihr Kreuz machen wollen. Sie alle haben in anderthalb Stunden sehen und hören können, dass es anders als oft behauptet, sehr wohl Unterschiede zwischen den Parteien gibt.

Ticker: Das sagt das Netz zur #rbbwahl

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