BerlinTREND - Rot-Rot-Grün – aber nicht um jeden Preis

Do 18.08.16 | 06:05 Uhr
Wahlplakate der Gruenen und der SPD zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen. (Quelle: imago | IPON)
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In knapp fünf Wochen ist Abgeordnetenhauswahl. Ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis nach der Wahl scheint immer wahrscheinlicher. Inhaltlich sind sich die drei Parteien bei den wichtigen Themen fast einig - auch wenn sie sich öffentlich noch etwas zieren. Von Nina Amin

Für ein rot-rot-grünes Berliner Regierungsbündnis (kurz: R2G-Bündnis) gibt es eine Mehrheit. Das ist das Ergebnis der aktuellen Umfrage von infratest dimap im Auftrag der rbb-Abendschau und der Morgenpost. Für eine rot-schwarze Koalition würde es nicht reichen: Die SPD bekäme 21 Prozent, die CDU 20 Prozent der Wählerstimmen, wenn am Sonntag Wahl wäre.

Außerdem will der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nicht mehr mit der CDU regieren, sondern denkt laut über R2G nach - auch wenn er sich offiziell eigentlich eine Zweierkoalition wünscht. Der Berliner Spitzenkandidat der Linken, Klaus Lederer, hält letzteres angesichts der bescheidenen Umfragewerte der Volkspartei SPD für illusorisch. "Dreierkoalitionen werden künftig wahrscheinlicher", sagt er. Seine Partei will nach der Wahl in einer rot-rot-grünen Koalition mitregieren.

Auch die Grünen steuern in Richtung R2G - auch wenn sie sich noch skeptisch zeigen, was die Absichten der Sozialdemokraten angeht. "Drei Tage, drei verschiedene Koalitionsaussagen - das kann nur die SPD", erklärten die Spitzenkandidaten Ramona Pop, Antje Kapek, Bettina Jarasch und Daniel Wesener am Mittwoch. Aber abgesehen von den Personalfragen: Wie sieht es inhaltlich bei den drei Parteien aus? Könnte eine Dreierkoalition überhaupt funktionieren?

Bezahlbaren Wohnraum wollen alle

Auf der Überschriften-Ebene gebe es viele Überstimmungen mit der SPD, sagt der Linken-Landeschef Lederer. Mehr bezahlbaren Wohnraum fordern die Linken schon lange. Offen bliebe allerdings, wie die SPD Wohnungen für mittlere und untere Einkommensschichten bauen wolle. Der von den Berliner Sozialdemokraten angepeilte Quadratmeterpreis für Sozialwohnungen reicht dem Spitzenkandidat der Linken nicht. "1.600 Wohnungen für 6,50 Euro den Quadratmeter pro Jahr nützen nichts, wenn auf HartzIV angewiesene Berliner nur 5,71 Euro pro Quadratmeter zugestanden bekommen. Die können sich die Wohnung dann immer noch nicht leisten", sagt er.  

Auch die Grünen wollen günstige Wohnungen für Berliner mit wenig Geld schaffen - genau wie SPD und Linke. "Allerdings sind die Mieten in den letzten fünf Jahren unter Rot-Schwarz so stark gestiegen wie nie zuvor und davor unter Rot-Rot so viele Wohnungen privatisiert worden wie nie zuvor", sagt Daniel Wesener, der Spitzenkandidat der Berliner Grünen.

Auch mehr Personal im öffentlichen Dienst wollen alle

Die Berliner Verwaltung braucht dringend mehr Mitarbeiter. Besonders bei den Bürgerämtern in den Bezirken hakt es gewaltig. Da sind sich SPD, Linke und Grüne offiziell einig. Die SPD, die ein Jahrzehnt lang mit Personalabbau um Wählerstimmen geworben hat, setzt im jetzigen Wahlkampf auf eine Einstellungsoffensive.

"Auch wir wollen mehr Personal, aber das kann nicht alles sein", sagt Wesener von den Grünen. Man müsse auch anschauen, welche Aufgaben das Land, welche die Bezirke übernehmen sollten. An den Zuständigkeiten will die SPD bislang nichts ändern. Die Linken hingegen sprechen sich dafür aus, die Bezirke besonders zu stärken. Der Senat dürfe diesen nur Aufgaben zuweisen, wenn er auch die Kosten dafür übernehme, fordern sie.

"Rot-Rot-Grün nur bei Neustart möglich"

Etwas mehr als nur Details sind bei anderen Themen zu überwinden. Stichwort A100: Grüne und Linke wollen den Weiterbau der umstrittenen Autobahn stoppen. 2011 war das Mammutprojekt maßgeblich schuld am Scheitern einer möglichen rot-grünen Koalition. Inzwischen sind auch etliche SPD-Genossen nicht mehr vom Weiterbau überzeugt.

Der Spitzenkandidat der Grünen, Daniel Wesener, sieht im Weiterbau der A100 wenig Konfliktstoff bei möglichen Koalitionsverhandlungen. "Das wird eh auf Bundes- und nicht auf Landesebene entschieden", sagt er.

Die eigentliche Herausforderung bei möglichen Koalitionsverhandlungen mit den Berliner Sozialdemokraten sei eine ganz andere, sagt Wesener. "Der SPD muss klar sein, dass es so wie in den letzten Jahren nicht weitergehen kann. Wir brauchen einen Neuanfang". Das sehen die Linken im Wahlkampf ähnlich. Nach fünf Jahren Stillstand unter Rot-Schwarz komme es darauf an, gemeinsam die Probleme der Stadt zu lösen. Inhaltliche Schnittmengen gebe es sowohl mit der SPD als auch mit den Grünen, sagt der Linken-Chef Lederer.