Eine Bezirksverordnete im Porträt - "Es ist totaler Blödsinn, hier irgendwelche Kriege anzuzetteln"

Mo 01.08.16 | 05:00 Uhr | Von Martin Adam, rbb Inforadio
Die Grünen-Politikerin Camilla Schuler ist seit 2011 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Berliner Bezirk Lichtenberg. (Quelle: rbb/Martin Adam)
Video: Kurzinterview mit Camilla Schuler | 01.08.2016 | Heike Bettermann | Bild: rbb/Martin Adam

Von Schulpolitik bis Umweltschutz: In der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung - kurz BVV - kümmert sich die Grünen-Politikerin Camilla Schuler um die unterschiedlichsten Themen. Auch für sie stehen im September Wahlen an. Doch was heißt es eigentlich, auf Berlins "unterster Ebene" Politik zu machen? Von Martin Adam

Wenn der Stress zu groß wird, geht Camilla Schuler an die Rummelsburger Bucht und denkt nach. Hier habe sie die besten Ideen, sagt sie, außerdem habe sie so lange für dieses Ufer gekämpft. Camilla Schuler ist 46, verheiratet, Mutter von zwei Kindern und leitet eine eigene Veranstaltungsagentur. Seit 2011 sitzt sie außerdem als Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) für Lichtenberg.

Das Wasser der Bucht kann sie von ihrem Wohnzimmer aus sehen. "Ich bin hier zu Hause, also ist Lichtenberg auch der Ort, an dem ich mich einbringen will", erklärt sie ihre Motivation für die Lokalpolitik. "Mich interessiert wahnsinnig, was bei mir vor der Haustür passiert. Entscheidungen, die auf Landes- oder Bundesebene getroffen werden, fallen ja zu uns runter in den Bezirk." Die BVV biete da die Chance, über die Verwendung der Bezirksgelder mitzubestimmen. Außerdem ist sie für die Wahl des Bezirksbürgermeisters zuständig.

Die Grünen-Politikerin Camilla Schuler ist seit 2011 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Berliner Bezirk Lichtenberg. (Quelle: rbb/Martin Adam)
Von der Elternvertreterin zur Bezirkspolitikern: Das ist der klassische Weg. | Bild: rbb/Martin Adam

Der klassische Weg in die Bezirkspolitik

Am Anfang ging es ihr um die eigenen Kinder. Das erste war gerade in der Schule, und Camilla Schuler wollte mitreden können: Erst war sie Schulelternvertreterin, dann im Elternausschuss und setzte sich immer wieder mit Problemen rund um die Schulsanierung auseinander. "So kommt man automatisch in diese Rolle rein. Das ist der klassische Weg", erklärt die Grünen-Politikerin.

Dieser Weg hat sie bei den letzten Wahlen 2011 als eine von 55 Verordneten in die BVV ihres Bezirks geführt. Da die Grünen-Fraktionen in Lichtenberg allerdings gerade mal fünf Personen umfassen, müssen sich alle um fast alles kümmern. Ihr Schwerpunkt Schulpolitik ist inzwischen nur noch einer von vielen: "Bei der Entwicklung, die Lichtenberg vollzieht, kommen noch ganz andere dazu: Stadtentwicklung, Umweltschutz, Fahrradwege, die ganze Infrastruktur. Das war am Anfang wahnsinnig anstrengend, aber es bringt auch Spaß."

Drei Jahre Streit um das Ufer

Das wichtigste Projekt der vergangenen Wahlperiode war die Rummelsburger Bucht. "Ursprünglich sollten hier überall Anlegeplätze für Ausflugsdampfer hinkommen." Aus Sicht von Camilla Schuler sind diese aber überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Drei Jahre hätten sie in der BVV um das Ufer gestritten. Dabei sei der Umgangston manchmal sehr hart gewesen, erinnert sie sich. "Wir sind hier auf der untersten Ebene, es ist also totaler Blödsinn, irgendwelche Kriege anzuzetteln." Dennoch werde heftig gestritten und natürlich nerve das manchmal.

Die Einigung kam in der letzten BVV-Sitzung vor der Sommerpause, der letzten auch vor den Neuwahlen. In der Aula der Max-Taut-Schule, nicht weit entfernt vom Nöldnerplatz, beschließen die Fraktionen einstimmig ein "Landschaftsschutzgebiet Rummelsburger Bucht." Camilla Schuler ist zufrieden, für sie hat sich die viele Arbeit gelohnt.

Ein Extra-Arbeitstag pro Woche

Diese Arbeit findet vor allem nach Feierabend statt, denn die BVVen sind ehrenamtlich. Einfache Verordnete erhalten in Berlin eine Aufwandsentschädigung von 540 Euro plus 20 beziehungsweise 31 Euro für jede Ausschuss- und BVV-Sitzung. Bei Fraktionsvorsitzenden verdoppelt sich die Basisentschädigung auf 1.080 Euro. Camilla Schuler teilt sich diese Summe allerdings mit einer Kollegin – die Grünen leisten sich eine Doppelspitze.

Zum Leben reicht das nicht, ihr politisches Engagement müssen die meisten Verordneten mit ihrem Job vereinbaren. In manchen Wochen, sagt Camilla Schuler, sei sie an jedem Abend noch mit der BVV beschäftigt. Im Schnitt ergebe das einen zusätzlichen Arbeitstag pro Woche. Ohne ihre Familie sei das nicht möglich, sagt sie, aber sie selbst habe das zu Hause auch schon so kennengelernt. Ihre Mutter war in Hamburg, wo Camilla Schuler aufgewachsen ist, ebenfalls in der Kommunalpolitik tätig.  

Lieber BVV als die große Politik

Die anstehenden Wahlen bedeuten für Camilla Schuler ab Anfang September täglich einen zusätzlichen Termin: "Wir machen richtig Wahlkampf: Touren durch den Bezirk, Podiumsdiskussionen und natürlich Infostände." Hierfür kehrt Camilla Schuler zu ihrem Lieblingsthema zurück: Schulpolitik, inzwischen allerdings mit Blick auf Inklusion. Da gebe es in Lichtenberg noch viel Arbeit, sagt sie. Zwar kandidiere sie in Ihrem Wahlkreis auch für das Abgeordnetenhaus, wichtiger sei ihr aber eigentlich die Bezirksebene.

Dass die BVVen hier nicht gerade bekannt sind und es für die Arbeit der Verordneten dementsprechend kaum Anerkennung gibt, daran stört sich Camilla Schuler nicht: " Ich mache das hier aus Überzeugung. Es bringt mir Spaß und es ist auch nicht so, dass es gar keiner mitbekommt. Es ist halt nicht die große Politik." Will sie die? "Nein". Lieber bleibt sie hier, in der Nähe der Bucht.

Beitrag von Martin Adam, rbb Inforadio

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