Berlin - Rund 16.000 Jugendliche dürfen wegen der vorgezogenen Wahl nicht abstimmen

Weil die Bundestagswahl vorgezogen wurde, bleibt vielen Jugendlichen der Gang in die Wahlkabine versagt. Ihnen bleibt nur eine symbolische Alternative. Am Mindestwahlalter wird sich vorerst wohl nichts ändern.
Rund 16.200 Berliner Jugendliche werden bei der Neuwahl des Bundestags am 23. Februar nicht abstimmen dürfen, da sie erst kurz danach volljährig werden. Würde der Bundestag zum regulären Wahltermin am 28. September neu gewählt, hätten die Erstwähler ihr Wahlrecht wahrnehmen können. Diese Zahlen nannte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg auf rbb-Anfrage.
Es handelt sich dabei um eine Schätzung, da Wegzug, Zuzug und Todesfälle bis Ende September nicht exakt ermittelt werden können. Für Brandenburg konnte das Amt keine aktuellen Daten angeben.
Bundesweit sind laut katholischer Nachrichtenagentur (KNA) etwa 400.000 junge Erwachsene betroffen, die wegen der Wahltagsverschiebung doch nicht abstimmen dürfen. Ihnen bleiben damit als Alternative zur Bundestagswahl zwei Projekte, mit denen sie ihren Wählerwillen dennoch zum Ausdruck bringen können.
Demokratiebildungsprojekte als Alternative zur Bundestagswahl
Ein solches Projekt zur Wahl ist die "U18-Wahl". Bei ihr können alle Jugendlichen unter 18 abstimmen. Die Wahllokale [u18.org] werden von Ehrenamtlichen etwa in Jugendzentren eingerichtet. Dort können sich Jugendliche über die Wahlprogramme der Parteien informieren und vom 7. bis 14. Februar abstimmen. Anschließend wird das Ergebnis online veröffentlicht.
Die Juniorwahl [juniorwahl.de] ist ein ähnliches Projekt. Sie richtet sich an Jugendliche ab der 7. Klasse und findet in teilnehmenden Schulen statt. Das Ergebnis wird dann am 23. Februar um 18 Uhr online veröffentlicht.
Beide Projekte sind Bildungsprojekte, die zeigen sollen, wie eine Wahl abläuft und wie man sich darauf vorbereiten kann. Ihre Ergebnisse sind nicht repräsentativ und haben keine Wirkung auf die Zusammensetzung des Bundestags.
Nicht-Teilnahme bei Wahl sorgt für Frust unter Jugendlichen
Dass bei Bundestagswahlen erst teilnehmen kann, wer 18 Jahre alt ist, sorgt vermutlich auch dieses Jahr für Frust bei Jugendlichen. Wahlforscher Torsten Faas von der FU Berlin und Kollegen haben für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Beteiligung von Jugendlichen an den Europawahlen 2024 erforscht [fes.de]. Dazu wurden auch Jugendliche befragt, die knapp zu jung für die Teilnahme sind. So ärgern sich nach der Wahl knapp zwei Drittel der Jugendlichen mit Abitur und etwa die Hälfte ohne, dass sie nicht wählen durften.
Studien sehen kaum Nachteile bei Wahlalter von 16 Jahren
Forscher untersuchten für eine Studie der Universität Erfurt [wiley.com] 2021 kurz vor der Bundestagswahl die Qualität von Wahlentscheidungen von 16- und 17-Jährigen. Dazu sollten sie die politischen Werte nennen, die ihnen wichtig waren. Anschließend sollten sie eine Wahlentscheidung treffen. Dabei hätten ihre Werte mit denen ihrer Wahlentscheidung übereingestimmt. Die Studienautor:innen kommen zu dem Schluss: "Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahlentscheidungen von 16- und 17-Jährigen so gut sind wie die von bislang Wahlberechtigten." Die Studie lege nahe, dass der Ausschluss dieser Altersgruppe von Bundestagswahlen aufgrund einer angeblich mangelnden Entscheidungsfähigkeit nicht gerechtfertigt sei.
Eine Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung [otto-brenner-stiftung.de] kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Mit dem Verweis auf eine vorige Untersuchung schreiben die Autoren: "So zeigt sich erneut, dass es praktisch keine Unterschiede hinsichtlich des politischen Wissens und des politischen Interesses zwischen 15-, 16-, 17-, 18-, 19- und 20-Jährigen gibt." Stattdessen könne das Mindestalter von 16 Jahren Möglichkeiten schaffen, junge Menschen in demokratische Prozesse einzubinden. Allerdings zeige sich auch: "Gerade junge Menschen aus niedrigeren Schichten weisen eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung auf", so die Autoren.
Änderungen des Wahlrechts eher unwahrscheinlich
Die Chancen, dass das Mindestwahlalter nach der Bundestagswahl angepasst wird, sind eher gering. Denn im Grundgesetz steht dazu: "Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat". Um das zu ändern, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Dafür hatten sich zwar SPD, Grüne und FDP in ihrem Ampel-Koalitionsvertrag ausgesprochen. Doch ohne die Zustimmung weiterer Fraktionen und Gruppen blieb eine Änderung aus. Zuletzt sprachen sich Spitzen von CDU und FDP aber für den Status quo aus [tagesschau.de]. Allerdings hat die Ampel im November 2022 das Mindestalter für Europawahlen auf 16 gesenkt [bundestag.de]. Dafür reichte eine einfache Mehrheit im Bundestag aus.
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