Berlin - Rund 16.000 Jugendliche dürfen wegen der vorgezogenen Wahl nicht abstimmen

Sa 08.02.25 | 14:57 Uhr
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Archivbild: Eine Erstwählerin wirft am 14.09.2014 einen Wahlzettel in eine Wahlurne. (Quelle: dpa-Zentralbild/Britta Pedersen)
Bild: dpa-Zentralbild/Britta Pedersen

Weil die Bundestagswahl vorgezogen wurde, bleibt vielen Jugendlichen der Gang in die Wahlkabine versagt. Ihnen bleibt nur eine symbolische Alternative. Am Mindestwahlalter wird sich vorerst wohl nichts ändern.

Rund 16.200 Berliner Jugendliche werden bei der Neuwahl des Bundestags am 23. Februar nicht abstimmen dürfen, da sie erst kurz danach volljährig werden. Würde der Bundestag zum regulären Wahltermin am 28. September neu gewählt, hätten die Erstwähler ihr Wahlrecht wahrnehmen können. Diese Zahlen nannte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg auf rbb-Anfrage.

Es handelt sich dabei um eine Schätzung, da Wegzug, Zuzug und Todesfälle bis Ende September nicht exakt ermittelt werden können. Für Brandenburg konnte das Amt keine aktuellen Daten angeben.

Bundesweit sind laut katholischer Nachrichtenagentur (KNA) etwa 400.000 junge Erwachsene betroffen, die wegen der Wahltagsverschiebung doch nicht abstimmen dürfen. Ihnen bleiben damit als Alternative zur Bundestagswahl zwei Projekte, mit denen sie ihren Wählerwillen dennoch zum Ausdruck bringen können.

Demokratiebildungsprojekte als Alternative zur Bundestagswahl

Ein solches Projekt zur Wahl ist die "U18-Wahl". Bei ihr können alle Jugendlichen unter 18 abstimmen. Die Wahllokale [u18.org] werden von Ehrenamtlichen etwa in Jugendzentren eingerichtet. Dort können sich Jugendliche über die Wahlprogramme der Parteien informieren und vom 7. bis 14. Februar abstimmen. Anschließend wird das Ergebnis online veröffentlicht.

Die Juniorwahl [juniorwahl.de] ist ein ähnliches Projekt. Sie richtet sich an Jugendliche ab der 7. Klasse und findet in teilnehmenden Schulen statt. Das Ergebnis wird dann am 23. Februar um 18 Uhr online veröffentlicht.

Beide Projekte sind Bildungsprojekte, die zeigen sollen, wie eine Wahl abläuft und wie man sich darauf vorbereiten kann. Ihre Ergebnisse sind nicht repräsentativ und haben keine Wirkung auf die Zusammensetzung des Bundestags.

Nicht-Teilnahme bei Wahl sorgt für Frust unter Jugendlichen

Dass bei Bundestagswahlen erst teilnehmen kann, wer 18 Jahre alt ist, sorgt vermutlich auch dieses Jahr für Frust bei Jugendlichen. Wahlforscher Torsten Faas von der FU Berlin und Kollegen haben für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Beteiligung von Jugendlichen an den Europawahlen 2024 erforscht [fes.de]. Dazu wurden auch Jugendliche befragt, die knapp zu jung für die Teilnahme sind. So ärgern sich nach der Wahl knapp zwei Drittel der Jugendlichen mit Abitur und etwa die Hälfte ohne, dass sie nicht wählen durften.

Studien sehen kaum Nachteile bei Wahlalter von 16 Jahren

Forscher untersuchten für eine Studie der Universität Erfurt [wiley.com] 2021 kurz vor der Bundestagswahl die Qualität von Wahlentscheidungen von 16- und 17-Jährigen. Dazu sollten sie die politischen Werte nennen, die ihnen wichtig waren. Anschließend sollten sie eine Wahlentscheidung treffen. Dabei hätten ihre Werte mit denen ihrer Wahlentscheidung übereingestimmt. Die Studienautor:innen kommen zu dem Schluss: "Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahlentscheidungen von 16- und 17-Jährigen so gut sind wie die von bislang Wahlberechtigten." Die Studie lege nahe, dass der Ausschluss dieser Altersgruppe von Bundestagswahlen aufgrund einer angeblich mangelnden Entscheidungsfähigkeit nicht gerechtfertigt sei.

Eine Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung [otto-brenner-stiftung.de] kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Mit dem Verweis auf eine vorige Untersuchung schreiben die Autoren: "So zeigt sich erneut, dass es praktisch keine Unterschiede hinsichtlich des politischen Wissens und des politischen Interesses zwischen 15-, 16-, 17-, 18-, 19- und 20-Jährigen gibt." Stattdessen könne das Mindestalter von 16 Jahren Möglichkeiten schaffen, junge Menschen in demokratische Prozesse einzubinden. Allerdings zeige sich auch: "Gerade junge Menschen aus niedrigeren Schichten weisen eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung auf", so die Autoren.

Änderungen des Wahlrechts eher unwahrscheinlich

Die Chancen, dass das Mindestwahlalter nach der Bundestagswahl angepasst wird, sind eher gering. Denn im Grundgesetz steht dazu: "Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat". Um das zu ändern, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Dafür hatten sich zwar SPD, Grüne und FDP in ihrem Ampel-Koalitionsvertrag ausgesprochen. Doch ohne die Zustimmung weiterer Fraktionen und Gruppen blieb eine Änderung aus. Zuletzt sprachen sich Spitzen von CDU und FDP aber für den Status quo aus [tagesschau.de]. Allerdings hat die Ampel im November 2022 das Mindestalter für Europawahlen auf 16 gesenkt [bundestag.de]. Dafür reichte eine einfache Mehrheit im Bundestag aus.

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96 Kommentare

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  1. 96.

    Falsch! Andere Umfrage ergeben ein diametral anderes Ergebnis: ganz vorn CDU, dann die Grünen, dann SPD, irgendwo ganz hinten (zu recht, wie ick finde) Afd.

  2. 95.

    50 Jahre Volljährigkeit mit 18 Jahren"

    Am 1. Januar 1975 ist das "Gesetz zur Neuregelung des Volljährigenalters" in Kraft getreten.
    Ab Januar 1975 war man mit 18 Jahren Volljährig und nicht mehr mit 21 Jahren.

    Herzlichen Glückwunsch an alle, die 1975 --vor 50 Jahren--zum ersten Mal wählen durften!
    Viel Spass bei der Jubiläums-Bundestagswahl!

  3. 94.

    Sorry, aber nach neuesten Umfragen wählen wohl die Erstwähler bzw. ,verlorenen Stimmen' auf Platz 1 die CDU gefolgt von der Afd.
    Als Grund wurden die ,Ansprachen' auf Social Medien genannt.

    Also wenn sich unsere Jugend "nur" auf TikTok ect. informiert und die ,Altparteien' dort nicht bzw. zu wenig präsent sind, sollte evtl. das Wahlalter auf 21 Jahre angehoben werden?!

  4. 93.

    Modena (#76): Vergessen Sie bei Ihren mathematischen Überlegungen bitte nicht, dass Menschen - wodurch oder woran auch immer - auch jung sterben können. Sie sollten also nicht davon ausgehen, dass es sich bei denjenigen, die den (ursprünglichen) Wahltermin nicht mehr erleben werden, nur um Hochbetagte handelt, denen das Wahlergebnis für ihre "Restlebensdauer" ggf. egal sein könnte. Das wäre jedenfalls etwas zu kurz gesprungen. Also: Stichtag bleibt Stichtag - und zwar (je nach Sichtweise) mit allen positiven und negativen Konsequenzen.

  5. 92.

    Da gebe ich Ihnen recht! Das sind verlorene Stimmen gegen Rechtsextremismus! Die Jugend läßt sich ebend nicht vergackeiern!

  6. 90.

    In allen demokratischen Ländern gilt die Regel, dass Wahlrecht ab bestimmten Alter bis zum ableben,.da der Wähler ein mündiger Bürger ist.
    Jezt eine These aufufzustellen, bzw. unterzustellen dass es den Rentnern "Wurscht" ist, bzw. zu sein hat, da sie eh nicht mehr lange leben, ist eine verfassungsfeindliche These, mehr nicht!

  7. 89.

    Was ist das denn für eine simple Erklärung?
    Dann ist es schade wenn dies damals niemanden interessiert haben sollte, was ich im übrigen nicht glaube.
    Schliesslich ist eine größere Menge von Menschen "betroffen". Da wird sich schon der eine oder andere Gedanken gemacht haben.
    Die Menschheit entwickelt sich nun mal weiter.
    Es gibt ganz viele Dinge die man früher nicht gemacht hat und heute üblich sind oder andersherum.
    Nur weil man früher etwas gemacht hat und sich kaum jemand darüber beschwert hat, ist es noch lange nicht richtig.

  8. 88.

    Aber wer geht davon aus, dass 65-jährige eine rein ich-bezogene Basis für ihre Entscheidung haben?
    Die denken auch an ihre Nachkommen (Kinder, Enkel), denn die heute 65-jährigen haben die in großer Mehrheit noch.
    Skeptisch bin ich in Sachen Verantwortung eher beik 40-jährigen ohne Nachwuchs und mit viel Egoismus.

  9. 87.

    Warum Geschmäcke? Niemand nimmt hier irgendwem eine Stimme. Die Regeln sind im Grundgesetz klar definiert. Und wenn die Wahlen im Herbst durchgeführt werden würden, würden dann auch Menschen die Stimme genommen werden, weil sie eine Woche später 18 werden und hätte die Wahl eine Woche später machen können? Und wenn man die Wahl eine Woche später durchgeführt, werden dann diejenigen, die in der Woche gestorben sind, ihrer Stimme beraubt? Was für eine absurde Diskussion.

  10. 86.

    Das Grundgesetz Artikel 109, dieser auferlegt dem Bund die grundsätzliche Pflicht ohne Kredite seinen Haushalt auszugleichen.
    Es ging um den regulären Haushalt, und die Absicht, diesen durch Kredit auszugleichen, mehr nicht.
    Diese Schuldenbremse, die müsste durch eine Grundgesetzänderung abgeschafft werden, so ist nun mal die verbindliche Regel.
    Fazit: Über solche Dinge bestimmen hierzulande nicht die "Landesfürsten".und deren Freunde.

  11. 85.

    Das war bei den verlorenen Vertrauensfragen der Vergangenheit doch genauso und da hat es wohl niemand interessiert? Was soll die vorgezogene Wahl wegen einer verlorenen Vertrauensfrage des Kanzlers jetzt gegenüber den gleichen Fällen in der Vergangenheit auszeichnen?

  12. 84.

    Man muss natürlich nicht "alles über Kredite finanzieren"
    Kenne niemanden der das offen so verlangt.
    Verlangen letztlich in Folge tatsächlich jene, die keineswegs Vermögen, Geld mit Geld leistungslos verdienen, Erbschaft - also akkumuliertes Kapital leistungslos von Generationen vor einem erhalten -
    nicht angemessen besteuern wollen.
    Weshalb sie und nicht irgendwer anders die Kredite aufnehmen müssen. Oder eben die notwendigen Investitionen und Unterhaltskosten in Infrastruktur des Gemeinwesens schlicht nicht bereitstellen. Was grob gesagt, die Politik, die volkswirtschaftliche Maxime des letzten halben Jahrhunderts ist.

    Sag nur: Kredit wird immer sein.
    Oder man muss Planwirtschaft nochmal auf ganz anderem Niveau versuchen. Die haben ja tatsächlich auf vergleichsweise niedrigstem Niveau mit Kredit gearbeitet. Nahmen den bei Lebensstandard und knirschender Infrastruktur aus der Gesellschaft.
    Retteten aber damit z.B Berlin: Zehntausende bezahlbare Wohnungen. Noch heute.

  13. 83.

    Ich versteh es nicht, daß man den Jugendlichen Ihre Stimme nimmt. Man häät durchaus eine Aunahme machen können, aufgrund der vorgezogenen Wahl. So hats ein Gschmäckle...!

  14. 82.

    Stimmungsmache??
    Darüber berichten ist noch erlaubt oder schon verboten?
    Ist doch interessant wieviele Menschen durch die Verschiebung des Wahltermins "betroffen" sind.
    Vielleicht nicht für Sie aber für andere vielleicht schon.
    Es gibt jeden Tag so viele Nachrichten die für irgendjemanden Sinn machen und für manch anderen total zweckfrei erscheinen. Es gibt aber definitiv keinen Zwang alle Nachrichten zu konsumieren.
    Das ist die Vielfalt der Interessen, Gedanken und Meinungen. Wollen Sie dies einschränken?

  15. 81.

    Warum eigentlich immer alles über Kredite finanzieren? Es gäbe ja auch die Möglichkeit z.B. über eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer notwendige Investitionen zu finanzieren.

  16. 80.

    Sie verstehen meinen Punkt nicht. Führe keinen Diskurs über technokratisch, bürokratische Grenzen des Wahlalters.
    Meine Frage ist nicht, ob ich morgen entscheiden muss einem "doch viiiiel zu Jungen" das Wahlrecht einzuräumen.


    Mir gehts um VERANTWORTUNG - das was die doch angeblich so erfahrenen Älteren beanspruchen zu erfüllen.

    In diesen Zeiten entscheiden wir Grundlegendes, dass die nächsten 50, 100 Jahre entscheident, teils unumkehrbar bestimmen wird. Bis hin Klima, was überhaupt noch Lebensgrundlage unter welchen Rahmenbedingungen sein können wird.
    Das ist so eskaliert, weil seit vielen Jahrzehnten bestritten, prokrastiniert wird, was die Klügeren und Redlicheren schon lange erkennen. Z.b. war es radikaldemokratische internationalistische Linke, die bereits vor einem halben Jahrhundert die grösste Fluchtbewegung der aufgeschriebenen Menschheitsgeschichte vorhersahen. Während die, die das stets bestritten, zur Entrechtung, Abweisung und Drangsalierung schreiten.

  17. 79.

    "(...)sondern das Schulden machen war seine Devise (...)"

    Glauben Sie diese Schlichtheit tatsächlich?

    Wie ist es dann möglich, dass aufgrund der "Schuldenbremse" - also dem im Kern und ja ganz einfach Geschäftsmodell, den Kreditregeln der privaten Finanzwirtschaft -
    zwar Schulden weiter anstiegen, dieselbe private Finanzwirtschaft sogar mit öffentlichen Mitteln "gerettet" wurde,
    aber am Ende für die Kredite gar keine bleibenden, zumal sehr langfristig gültigen, nützlichen Werte geschaffen wurden?
    Denn "Schuldenbremse" bedeutete ja, die Infrastrukturen des Gemeinwesens herunter zu rocken. Die Modernisierung der Industrie in Subvention von Abgasbetrugssoftware zu versenken. Während wenige immer reicher wurden.
    Wussten Sie gar nicht, das Schulden machen immer ist? Das ist die Aufgabe der Finanzindustrie. Entscheidende Frage ist halt WOFÜR Schulden gemacht werden. Ist das Investition in Modernisierung und Struktur, oder landen die in Taschen weniger ohne Gemeinnutzen.

  18. 78.

    Wo wünschen Sie denn die Grenze zu ziehen, ab welchem Alter man auf keinen Fall mehr wählen darf?
    Im 65. Jahr gehen wohl die meisten von uns davon aus, die Folgen ihrer Entscheidungen noch gut und gerne 20 Jahre zu erleben. Und denken auch an ihre Kinder und Enkel, für die es ja auch irgendwie weitergehen soll.

  19. 77.

    Den Schlamassel, den hat der führungs -und handlungsschwache Bundeskanzler Scholz diesem Land zugemutet, er hatte dem Koalitionsvertrag keine Bedeutung beigemessen, da er nicht gewillt war nach Lösungen zu suchen, sondern das Schulden machen war seine Devise, obwohl die FDP im Koalitionsvertrag diesen Weg ausgechloss!en hatte.
    Wer einen Vertrag eingeht, der sollte auf seine Einhaltung bedacht sein, der Glaubwürdigkeit und Redlichkeit wegen.

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