Kommentar | AfD-Ergebnis in Brandenburg - Die große allgemeine Verunsicherung

Der Steigflug der AfD hält an. Nicht wegen besserer Konzepte, sondern weil sie für viele eine überzeugende Erzählung bietet. Kuschen die Regierenden nun künftig vor wichtigen Entscheidungen? Hoffentlich nicht, kommentiert Hanno Christ.
Sorry, es geht in diesem Kommentar wieder einmal um die AfD. Wie so oft. Doch an der Partei kommt in Brandenburg niemand vorbei. Die AfD hat ein fulminantes Wahlergebnis hingelegt und ihre Erfolgsgeschichte bundesweit, vor allem im Osten, fortgeschrieben. Auch wenn es manchen oder manche schmerzen mag: Wenn die anderen Parteien wissen wollen, wo bei einem großen Teil der Bevölkerung der Schuh drückt, lohnt der Blick auf die Rechtsaußen-Partei.
Umfragen zeigen: Etwa die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands meint, die AfD habe verstanden, dass sich Menschen nicht mehr sicher fühlen – besser als andere Parteien. In Brandenburg hat sie den Linken das Image der Kümmererpartei und der Stimme des Ostens abgeluchst.
Rechtsaußen der Rechtsaußen-Partei
Dass die AfD sich nicht genug von rechtsextremen Positionen distanziert, wird billigend in Kauf genommen – vielleicht sogar gutgeheißen. Die Normalisierung einer nicht normalen Partei schreitet voran. "Deutschland, aber normal" – der einstige AfD-Slogan fruchtet.
Im Nordwesten Brandenburgs wurde im Wahlkreis Uckermark-Barnim I mit Hannes Gnauck nun sogar ein Rechtsaußen der Rechtsaußen-Partei direkt in den Bundestag gewählt. Ja genau: der Gnauck, der Vorsitzender der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative war. Ja, genau: die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde. Ja, genau: der Gnauck, der vom Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr (MAD) aufgrund verfassungsfeindlicher Positionen als nicht geeignet für den Dienst als Soldat eingestuft worden war. Der Gnauck, dessen Immunität im Bundestag im vergangenen Jahr aufgehoben wurde. Der Gnauck, der Scholz auf der "Anklagebank statt auf die Regierungsbank" sehen möchte. Macht zusammen satte 38,3 Prozent Erststimmenanteil, fast doppelt so viel wie Stefan Zierke von der SPD.
Gnauck ist in einem Wahlkreis angetreten, in dem sich exemplarisch Gründe finden, warum eine Partei wie die AfD so erfolgreich ist, aber auch Gründe, die stutzig machen. Die Uckermark ist noch immer eine der am dünnsten besiedelten Regionen der Republik. Strukturschwach, viele Windräder. Die Raffinerie PCK ist hier ein Industrieleuchtturm, dessen Licht aber zu flackern drohte seit dem Embargo russischen Öls infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.
Das PCK musste sich umstellen, Öl aus anderen Regionen verarbeiten und gleichzeitig Perspektiven entwickeln, etwa wie dort künftig Wasserstoff hergestellt werden könnte. Noch ist ungeklärt, wem das PCK künftig gehören soll. Trotz der Hürden: Die Auslastung der Raffinerie liegt derzeit bei respektablen knappen 80 Prozent. Der Bund engagiert sich mit viel Geld, hat in die Hand versprochen, das PCK nicht fallen zu lassen – und das Versprechen gehalten. In Potsdam berät regelmäßig eine Taskforce der maßgeblich Beteiligten über Hemmnisse und Fortschritte. Läuft doch, könnte man meinen.
Regierende müssen Überzeugungsarbeit leisten
Die starken Ergebnisse in der Region für die AfD, die dort mehr als 35 Prozent Zweitstimmen bekam, zeigen, dass die Skepsis immer noch groß ist, oder wahrscheinlich noch eher: die Ablehnung. Weg vom Öl, erst recht von russischem, viele Menschen möchten diesen Weg offenbar nicht mitgehen. Die AfD hat das erkannt. Wo sich auch immer Veränderung ankündigt und Unsicherheit keimt, setzt sich die AfD darauf und verstärkt das Gefühl, dass alles in die Grütze gehen wird. Sie tut es mit viel Erfolg. Angst ist stets eine starke Zutat für jede Erzählung. Das aber darf Regierende nicht davon abhalten, steinige Wege weiterzugehen, unbequeme Entscheidungen zu treffen, die elementar für die Zukunft dieses Landes sein werden.
Sicherlich: Regierende müssen weiterhin klug abwägen, ob Entscheidungen falsch waren, und sie gegebenenfalls zurücknehmen. Mit dem Kopf durch die Wand hilft nicht. Regierende müssen vor allem viel Überzeugungsarbeit leisten, mehr denn je. Das gelingt nicht nur, indem große Geldsummen überwiesen werden, sondern erfordert Präsenz, Zugewandtheit und Beispiele, die vom Gelingen zeugen. Die Bürgermeisterin von Schwedt, Annekathrin Hoppe (SPD), hat nun wenige Stunden nach der Wahl gefordert, doch wieder russisches Öl nach Schwedt zu leiten. Das wäre nichts weniger als eine 180-Grad-Wende der Politik der letzten Jahre und ein Signal, wie falsch doch alles war. Es wäre der vermeintlich leichteste Weg, nun einfach alles so zu lassen, wie es ist, oder das Rad zurückzudrehen. Doch die Leute mit Veränderungen nicht zu behelligen, wäre gleichermaßen fatal. Politik ist dafür da, zu gestalten. Nun aufgrund von Wahlergebnissen einzuknicken, ist zumindest zweifelhaft.
Die Zukunft ist zu kostbar, um einfach hinzuschmeißen
Die nächsten Jahre werden nicht ruhiger, sondern ruppiger. Dafür ist zu viel Veränderung in der Welt, Veränderung, die Deutschland nicht immer in der Hand hat. Der Osten ist gebeutelt von Strukturbrüchen der Nachwendezeit, das Vertrauen in Politiker oder Institutionen geringer ausgeprägt als im Westen. Gerade hier ist die Sorge vor Abstieg und Verlust besonders ausgeprägt.
Dies sollte im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass Regierende hier weniger mutig agieren und wichtige Veränderungen erst gar nicht anpacken. Sie sollten nicht so tun, als könnte hier alles so bleiben wie es ist oder gerade erst war. Wahlergebnisse sollten ein Anlass sein, um in sich zu gehen und um über politische Umsetzung nachzudenken. Nicht aber um Überzeugungen über Bord zu werfen, erst recht nicht, wenn es gute sachliche Gründe dafür gibt. Dafür ist die Zukunft zu kostbar.
Sendung: rbb|24 Brandenburg aktuell, 24.02.2025, 19:30 Uhr