AfD-Wahlerfolg in Tschernitz - "Das ist eigentlich Protest, um die abzuwatschen"

Di 25.02.25 | 18:04 Uhr
Blick auf eine Straße in Tschernitz mit AfD Plakat und Deutschlandfahne (Foto: rbb/Anders-Lepsch)
Audio: Antenne Brandenburg | 25.02.2025 | Daniel Friedrich | Bild: rbb/Anders-Lepsch

Die AfD hat bei der Bundestagswahl kräftig dazugewonnen. In Tschernitz, im Süden Brandenburgs, war das Ergebnis besonders hoch: 65 Prozent. Aline Anders-Lepsch war vor Ort, um herauszufinden, was die Menschen dazu bewegt hat.

Tschernitz im Landkreis Spree-Neiße, ein Ort mit rund 1.000 Einwohnern. Gut 970 von ihnen durften wählen, gut 690 haben es getan. Hier hat die AfD bei der Bundestagswahl 60,87 Prozent der Zweitstimmen und 65,35 Prozent der Erststimmen geholt. Überraschend kommt das nicht. Schon zur Kommunal- und Landtagswahl im letzten Jahr war die Alternative für Deutschland hier die meistgewählte Partei.

"Ich glaube, die Leute wollen eine ganz starke Veränderung haben, weil das, was bis jetzt war, nicht wirklich zielführend gewesen ist", sagt eine Tschernitzerin. "Das ist eigentlich Protest, um die abzuwatschen", sagt dagegen ein Mann aus dem Ort.

Ein anderer geht davon aus, dass die Zustimmung so groß ist, weil "immer was von den anderen Parteien versprochen, aber einfach nicht eingehalten wird." "Deutschland bräuchte einen Neuanfang - komplett", so eine weitere Einwohnerin.

Sorgen und Nöte

Die Menschen im Ort sind unzufrieden, fühlen sich nicht verstanden, nicht mehr sicher. Das hört die Amtsdirektorin von Döbern-Land, Manuela Mahnke (SPD), oft, wie sie sagt. Die Norddeutsche ist seit knapp einem Jahr im Amt und war vom Wahlergebnis nicht verwundert, aber "dass das so extrem ist, kann ich in der Größenordnung kaum nachvollziehen".

Manuela Mahnke SPD Amtsdirektorin Döbern-Land im Interview mit dem rbb (Foto: rbb/Screenshot)
Manuela Mahnke, SPD | Bild: rbb

Denn einige Probleme seien schlichtweg gar nicht so vorhanden, zum Beispiel das Thema Migration. "Wir haben hier keine Flüchtlingsunterkünfte." Die AfD habe allerdings einfache Antworten, sagt Mahnke. Das habe wahrscheinlich bei vielen eine Rolle gespielt. "Politik in der heutigen Zeit und Demokratie ist ein unheimlich schwieriges Pflaster, man muss sich damit sehr auseinandersetzen. Die Sachen sind nicht so einfach, wie es die AfD immer propagiert."

Und sie könne sich durchaus erklären, dass viele Leute mit Blick auf den Strukturwandel in der Lausitz Sorgen und Nöte haben.

Drohende Aus für die Glasmanufaktur

Wie geht es weiter in der Region? Beim Friseur mitten im Ort geht es da vor allem um ein Thema. "Es beschäftigt die Menschen ganz viel, dass die Glasmanufaktur Tschernitz eventuell vor der Schließung steht", sagt Inhaberin Steffi Dörry. Weil eine definitive Entscheidung aber noch aussteht, gebe es eine sehr große Unsicherheit.

Bick auf die GMB Glasmanufaktur Tschernitz von außen (Foto: rbb/Anders-Lepsch)
| Bild: rbb/Anders-Lepsch

Bei der Glasmanufaktur Brandenburg (GMB) geht es um 300 Arbeitsplätze. Es ist der vermutlich letzte große wirtschaftliche Motor vor Ort. Doch der stottert. Statt 1.600 Grad heiß ist die Schmelzwanne aktuell winterlich kalt. Es ist Kurzarbeit Null angesagt, die Arbeit wurde eingestellt, die Mitarbeiter bekommen Kurzarbeitergeld.

Dabei ist die GMB europaweit der einzige Hersteller von Solarglas. Doch mit den Preisen der Konkurrenz könne sie nicht mehr mithalten, heißt es. Im Frühjahr 2024 fiel zudem ein Großkunde weg. Und die erhoffte Unterstützung durch die Ampel-Regierung kam nicht. Im letzten Jahr hatte sich die Bundesregierung auf ein Solarpaket ohne einen Resilienzbonus geeinigt, also ohne finanzielle Anreize für Kunden, die heimische Solarprodukte kaufen.

Hoffnung auf neue Regierung

Die Hoffnung des Unternehmens ist jetzt, "dass die neue Regierung die gesamte Solarindustrie stärkt und fördert und aktiv gegen die Dumpingpreisstrategie der ostasiatischen Lieferanten vorgeht um die eigene Industrie davor zu schützen", teilte der Managing Direktor (CIO) der Glasmanufaktur, Nico Succolowsk, dem rbb mit. "Die GMB selbst benötigt schnell Hilfe, um ihre Produktion wieder aufnehmen zu können."

Und welche Erwartungen haben die Leute im Ort an die neue Regierung? "Dass sie auch mal halten, was sie versprechen", wünscht sich ein Mann, glaubt aber nicht so recht daran. "Das wird eh wieder nicht kommen."

Optimistischer klingt dagegen eine Tschernitzerin. "Dass eine Veränderung kommen wird, liegt auf der Hand - und ich denke, das ist der richtige Weg. So fühlt es sich für mich zumindest an."

Ein anderer Bürger ist der Ansicht, dass sich im Grunde nicht viel verändern müsste, damit es Tschernitz besser geht. "Es müsste nur dort [bei der GMB, d. Red.] wieder weitergehen und das andere kommt ja dann automatisch." Denn an der Manufaktur würden viele Zulieferer hängen. Dass die AfD helfen könne, glaube er aber nicht. "Da kann gar keiner helfen." Es müsse der Krieg in der Ukraine beendet und wieder Gas besorgt werden.

Friseurin Steffi Dörry ist skeptisch, dass sich in der Politik mit der neuen Regierung etwas ändert. "Man weiß es nicht. Es ist so ungewiss. Ich glaube, das liegt jetzt wirklich daran, was die nächsten Wochen passiert."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 25.02.2025, 19:30

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