"Deutsche Wohnen und Co. enteignen" - Berliner Senat beschließt Stellungnahme zum Enteignungs-Volksentscheid

Der Senat sagt Ja zur Bewirtschaftung von mehr Wohnraum durch öffentliche Gesellschaften. Eine ausdrückliche Unterstützung der Enteignungsforderung des Volksentscheids will sich Rot-Rot-Grün aber nicht zu eigen machen.
Der Senat hat nach rbb-Informationen vom Dienstag seine Stellungnahme zum Volksbegehren "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" beschlossen.
Darin erklärt der rot-rot-grüne Senat zwar deutlich sein Ja zum grundsätzlichen Ziel der Initiative, in Berlin mehr Wohnungen durch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften beziehungsweise Genossenschaften zu bewirtschaften. Aber ausdrücklich unterstützen will der Senat die Enteignungsforderung nicht.
Stattdessen weist Rot-Rot-Grün vor allem auf seine bisherigen wohnungspolitischen Maßnahmen hin - und auf die Risiken, die das geforderte Vergesellschaftungsgesetz mit sich bringen würde.
An erster Stelle verweist der Senat auf anstehende Entschädigungsleistungen für die rund 226.000 betroffenen Wohnungen. Insgesamt stünden 29 bis 39 Milliarden Euro an. Darin noch nicht eingerechnet seien Erwerbsnebenkosten.
Ein Enteignungsgesetz hätte nach Einschätzung des Senats weitreichende Folgen. Politisch und juristisch würde es heftig umstritten sein und wäre juristisches Neuland.
Dagegen bekräftigte der Senat sein Ziel, den Bestand kommunaler Wohnungen durch Neubau und Ankauf zu erhöhen – auf dann insgesamt 400.000 Wohnungen.
Volle Unterstützung war nicht zu erwarten - SPD, Linke und Grüne zerstritten
Beobachter verwundert diese Positionierung des Senats nicht, denn die drei Koalitionspartner haben in dieser Frage keine einheitliche Linie. Die Linke unterstützt das Ziel des Volksentscheids, auch die Grünen können sich unter Umständen eine Enteignung von Wohnungsunternehmen vorstellen. Die SPD ist indes strikt dagegen. Wegen der Meinungsverschiedenheiten gab es bislang auch keine Stellungnahme der Regierungsmehrheit im Abgeordnetenhaus.
Die Opposition lehnt die Ziele des Volksbegehrens hingegen geschlossen ab. "Wer enteignet, kündigt den Grundkonsens der sozialen Marktwirtschaft auf", warnte CDU-Landeschef Kai Wegner am Montag. Die Enteignung von Wohnungsunternehmen wäre zudem eine Hypothek für die Entwicklung Berlins. "Die Entschädigungszahlungen wären astronomisch hoch, ohne dass auch nur eine einzige zusätzliche Wohnung entstünde."
Volksentscheid parallel zu Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl
Der Volksentscheid findet parallel zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl am 26. September statt. Auf Betreiben eines breit aufgestellten Mieterbündnisses können die Berlinerinnen und Berliner dann darüber abstimmen, ob Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen gegen eine Entschädigung enteignet werden sollen. Die Initiatoren des Volksentscheids schätzen die Kosten auf 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro.
Die Initiatoren glauben, mit Hilfe einer Vergesellschaftung der fraglichen Wohnungen den Mietenanstieg in Berlin stoppen zu können. Sie hatten für ihr Anliegen knapp 350.000 Unterschriften gesammelt.
Umwandlungen grundsätzlich nur noch mit Genehmigung?
Wie Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) am Dienstag mitteilte, will der Senat noch vor dem Volksentscheid die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen per Rechtsverordnung erschweren.
Seit Mitte Juni dürfen die Bundesländer selbst festlegen, in welchen Gebieten Mietwohnungen nur mit Genehmigung in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen. Der Senat will das fürs ganze Berliner Stadtgebiet umsetzen.
Scheel sagte, er habe den Rat der Bürgermeister gebeten, seine Stellungnahme möglichst schon vor der nächsten Senatssitzung in zwei Wochen abzugeben. Weil zu erwarten sei, dass etliche Eigentümer von dem alten Umwandlungsrecht noch schnell Gebrauch machen wollten, gelte es, die Lücke zwischen Ankündigung und Umsetzung möglichst kurz zu halten. Bisher müssen Umwandlungen nur in Milieuschutzgebieten genehmigt werden.
Ausnahmen sieht die neue Verordnung für Umwandlungen vor, bei denen mindestens zwei Drittel der Mieter ihre Wohnungen verbindlich kaufen wollen. Auch kleine Häuser bis zu fünf Wohneinheiten werden ausgenommen.
Spitzenkandidatin der Grünen bei Vergesellschaftung zurückhaltend
Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, Bettina Jarasch, plädierte dafür, Vergesellschaftung nur als letztes Mittel einzusetzen. "Uns gehts darum, dass wir unterscheiden zwischen den Vermieterinnen und Vermietern, die sich dem Gemeinwohl verpflichten, und denen, die mit schädlichen Geschäftsmodellen unterwegs sind", sagte Jarasch dem rbb-Sender radioeins. Ankauf von Wohnungen sei genauso wichtig wie Neubau, und dabei gehe es auch um die Bereitstellung öffentlicher Grundstücke und die Mitbestimmung der Bezirke. Jahrelange Gerichtsstreitigkeiten nach Enteignungen seien hingegen kontrproduktiv, sagte Jarasch. "Beim Thema Vergesellschaftung betreten wir tatsächlich juristisches Neuland und da sind sehr, sehr viele Fragen noch offen."
Sendung: Inforadio, 20.07.2021, 10 Uhr
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