Überraschendes 82:83 in Franken - Triumph der alten Herren

So 17.02.19 | 17:05 Uhr | Von Sebastian Schneider, rbb|24
Nikolaos Zisis (Brose Bamberg, 6) mit einem Korbleger. Bamberg, Brose Arena - 17.02..2019 - Basketball, PokalFinale, BBL - Brose Bamberg vs. ALBA Berlin. (Quelle: imago/Evans)
Video: Abendschau | 17.02.2019 | Christian Dexne | Bild: imago/Evans

Jung, schnell, vielseitig: Alba Berlin war der Favorit vor diesem Pokalfinale gegen Brose Bamberg. Genau das wollten die altgedienten Bamberger nicht auf sich sitzen lassen. Sie besiegten Alba mit 83:82 - erst 2,4 Sekunden vor Schluss kam die Entscheidung. Von Sebastian Schneider

Das ganze Getöse, die wahnwitzige Energie dieses Nachmittags werden am Ende komprimiert auf ein paar Augenblicke. Von wem würden die späteren Heldengeschichten künden? Dem bulligen Tyrese Rice, Bambergs weitgereistem Zocker, dessen linke Hand nie zu zittern scheint? Nikos Zisis, dem Veteranen, der schon vor zehn Jahren mehr Titel beisammen hatte, als die gesamte Berliner Mannschaft heute? Oder vom schlaksigen Rokas Giedraitis, der Albas jungem Team mit seinem Sturm und Drang tatsächlich noch dieses längst verlorene Pokalfinale rettet?

Giedraitis schaffte es nicht, trotz seiner 23 Zähler. Als es vorbei war schlurfte er bedröppelt in Badeschlappen durch die Halle. Brose Bamberg besiegte Berlin am Sonntag mit 83:82. Nikos Zisis, dem viele nachsagen, er sei zu alt, zu langsam, zu teuer geworden - dieser Zisis legte all sein Können in dieses Spiel. Er machte 19 Punkte. Von den letzten drei werden die Augenzeugen noch lange erzählen.

Fans der "Roten Wand", dem Heimblock von Brose Bamberg, feuern im Pokalfinale am 7.02.19 ihre Mannschaft gegen Alba Berlin an (Quelle: rbb|24 / Schneider).
Getrommel, das man bis in die Zehenspitzen spürt: Die Fans im Stehblock der "Roten Wand". | Bild: rbb|24 / Schneider

Der Geruch von Wunderkerzen

Bamberg gegen Berlin ist das vielleicht größte Traditionsduell des deutschen Basketballs, auch das 90. Aufeinandertreffen war fix ausverkauft. Die Fans necken, aber respektieren sich. Als der Hallensprecher den Berlinern dafür dankt, dass sie die Bayern im Pokal rausgehauen haben, jubeln alle 6.150 Zuschauer. 700 von ihnen tragen an diesem Tag gelbe Klamotten, sie stehen im Block knapp unter den Belüftungsrohren und singen nach Kräften. Aber so sehr sie sich auch mühen: Unten am Spielfeld überhört man sie.

"Rote Wand" nennen die Bamberger ihr Reich gegenüber den Gästeplätzen, sie machen diesen silbergrauen Kasten zur lautesten Halle der Liga. Als es dunkel wird, kann man die Trommelschläge bis in die Zehenspitzen spüren. Es riecht nach Hunderten abgebrannten Wunderkerzen.

Die Saison des früheren Serienmeisters lief größtenteils enttäuschend. Der Trainer wurde gefeuert, die Spieler beschimpfte man als satt und lustlos. Die Heimfans wissen, dass dieses Finale die wohl einzige Chance ist, diese Spielzeit noch zu einer erfreulichen umzudeuten. Deshalb veranstalten sie eine derartige Klatschpappenapokalypse, dass sich auf den Presseplätzen jeder der kann, irgendwas in die Ohren stopft.

Clifford bleibt draußen

Alba scheint der Krach mächtig zu beeindrucken: Die Gäste starten nervös, der gerade erst genesene Peyton Siva will es mit Zisis aufnehmen. Aber er und seine Kollegen kriegen ihren geliebten Turbo nicht gezündet: Schrittfehler, vergebene Korbleger, Fuß im Aus. Alleine im ersten Viertel verlieren sie neunmal den Ball. Der erst vor wenigen Tagen verpflichtete Derrick Walton kann Siva nicht entlasten, an seiner Stelle setzt Dennis Clifford als siebter Ausländer aus. So eine Kante fehlt unterm Korb.

Bamberg spielt härter, grimmiger, schöner allerdings auch nicht. Der deutsche Nationalspieler Elias Harris, auch so ein Abgeschriebener, knüppelt den Ball rein, wird dabei gefoult und spannt seine Muskeln an. Sein Blick sagt: Und ihr Vögel wollt hier gewinnen? Nach dem ersten Viertel führt Brose mit 20:16.

Im zweiten Abschnitt kommen die Berliner mal kurz ran. Aber Tyrese Rice regelt sie wieder runter. Spieler Nummer 4 ist kein großer Mann und zu distanziert, als dass er die Herzen der Leute gewinnt. Aber der Glatzkopf mit dem schwarzen Schweißband hat in der Offensive Qualitäten wie kein anderer im Team. Rice wird hauteng verteidigt, plötzlich macht er einen blitzartigen Schritt zurück hinter die Dreierlinie und lässt den Ball butterweich durchs Netz tropfen - nichts dagegen auszurichten.

Peyton Siva war zwei Monate verletzt und ist noch nicht in seiner besten Form. Dazu war Luka Sikma gestern und heute krank und konnte nicht mit seiner gewohnten Energie spielen."

Albas Coach Aito Garcia Reneses

Sikma schleppt sich übers Feld

Das Spiel hat sich jetzt verlangsamt, zurechtgestutzt auf taktieren, abwarten und dann zuschlagen. Luke Sikma ist von einer Erkältung geschwächt, Albas wichtigster Mann schleppt sich übers Feld. Weil auch von außen kaum was klappt, taucht Johannes Thiemann (17 Punkte) durch die Untiefen der Bamberger Zone: Er macht die einfachen Dinge, die den anderen heute so schwer fallen. Kurz vor der Halbzeit führt Alba das erste Mal.

Geht da was? Nee. Rice legt sich wieder seinen Verteidiger zurecht wie auf dem Freiplatz und erhöht auf 44:37. Die Berliner beschweren sich über die Schiris. Die spendieren dem Trainer Aito Garcia Reneses ein technisches Foul. Er regt sich wirklich fürchterlich auf. Für ein paar Minuten machen die Trommler Pause. Die Pressemenschen ergreifen die Flucht nach draußen.

Alba-Berlin-Spieler Rokas Giedraitis, Archivbild (Quelle: imago/EIBNER/Roland Sippel)
Rokas Giedraitis wäre fast noch zum Helden dieses Nachmittags geworden - aber die Schwäche vieler Kollegen konnte er nicht kompensieren. | Bild: imago sportfotodienst

50 Sekunden vor Schluss führt Alba

Als es wieder losgeht, legt Giedraitis mehrere Zähne zu: Er schlängelt sich um seine Gegner herum, dann drückt er gedankenlos ab, zwei Dreier, ein langer Zweier. Berlins bester Scorer hält den Favoriten am Leben. Aber schon wieder dreht der listige Zisis zum Jubeln ab – da hat er Alba gerade von ganz weit draußen bestraft. Brose führt jetzt mit neun Punkten, die Gäste müssen aufpassen, dass ihnen dieses Finale nicht jetzt schon entgleitet. "Fuck you", schreit ein Fan der Roten vor dem Schlussakt in ihre Richtung. Aber irgendwie spürt man, dass Berlin noch was in Reserve hat.

Aus neun werden sechs, aus sechs werden vier und irgendwann nur noch zwei Zähler Rückstand. Dann brettert der aufgedrehte Giedraitis zum Korb und als die Verteidiger auf ihn gehen müssen, steckt er den Ball einfach durch: 50 Sekunden vor Schluss hat Alba tatsächlich die Führung. Müssen die Textgerüste in den Reporterlaptops doch noch umgeschrieben werden? Kaum einer tippt jetzt. Und da oben stehen sie alle und halten es vor Spannung nicht mehr aus.

Zisis trifft seinen fünften Dreier

Bamberg greift an, aber Bamberg versemmelt den ersten. Nur durch Glück kommt der Ball zurück. Zisis steht links außen, kein Berliner weit und breit. Der Mann aus Thessaloniki, den sie wegen seiner vielen Trophäen nur den "Herrn der Ringe" nennen, er schnauft kurz durch und visiert sein Ziel an. Dann lässt er den Ball fliegen. Im nächsten Augenblick helfen auch die Ohrenstöpsel nichts mehr.

Sikma schmeißt Albas letzten Verzweiflungswurf ins Nichts, die Sirene wird vom Gebrüll der Bamberger verschluckt. "Natürlich sind wir jetzt unglücklich, auch für unsere vielen Fans, die den Weg nach Bamberg gefunden haben", sagt Garcia Reneses. Die Berliner lässt dieses 82:83 sichtlich niedergeschlagen zurück, seit drei Jahren hat Alba keinen Titel mehr geholt.

Leer und gebrochen wirken ihre Blicke in den Minuten nach der Niederlage, als sich die Halle verdunkelt und sie nur noch Statisten in diesem Spektakel sind. Daran ändert auch der freundliche Applaus der Brose-Fans nichts mehr. Zisis küsst seine drei Kinder. Dann wuchtet er den Pott im glitzernden Konfettiregen Richtung Hallendecke.

Beitrag von Sebastian Schneider, rbb|24

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