Radsport: Simon Geschke über sein Sturzpech - "Das fühlt sich schon ein bisschen verflucht an"

Mi 03.04.19 | 16:25 Uhr
Simon Geschke bei einem Pressetermin seines ehemaligen Teams Sunweb. Bild: imago/Beautiful Sports
Bild: imago/Beautiful Sports

Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr fällt der Berliner Radprofi Simon Geschke mit einer schweren Verletzung aus. Im Interview spricht der 33-Jährige über den komplizierten Heilungsverlauf, seine Ziele bei der Tour de France und die jüngsten Dopingfälle im Radsport.

rbb|24: Simon Geschke, wir erreichen Sie telefonisch im Krankenhaus. Sie wurden am Dienstag operiert nach Ihrem Sturz bei der Katalonien-Rundfahrt. Wie geht es Ihnen jetzt?

Simon Geschke: Die OP ist gut verlaufen. Leider hat sich aber herausgestellt, dass auch noch vier Rippen gebrochen sind, das ist die schlechte Nachricht. Deshalb müssen wir jetzt mal gucken, wie lange das dauert, wahrscheinlich länger als das Schlüsselbein. Beim Schlüsselbein kommt einfach eine Platte drauf und das erholt sich dann so in ein bis zwei Wochen, Rippen heilen ein bisschen langsamer. Die sind zwar auch fixierbar, aber nur wenn sie komplett abgerissen sind und meine sind angeknackst, die müssen dann so zusammenwachsen. Aber jetzt wird es von Tag zu Tag besser: Die Schürfwunden sind bald trocken und die Schmerzen an den Rippen lassen dann hoffentlich auch irgendwann nach. Heute darf ich nach Hause, da kann ich dann erstmal zur Ruhe kommen.

Es ist nach dem Ellenbogenbruch im Februar bereits Ihre zweite schwere Verletzung 2019. Bei Instagram haben Sie geschrieben, dass sich diese Saison ein bisschen verflucht anfühlt. Ist das immer noch Ihre Stimmung oder sind Sie schon wieder optimistischer?

Teil, teils. Klar, man kann jetzt nicht sagen, dass das ein toller Start war. So viel Pech hatte ich eigentlich noch nie und ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, dass einem das in dem Ausmaß passieren kann. Zwei Mal in sehr kurzer Zeit am eigentlichen Sturz unbeteiligt und zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, das fühlt sich schon ein bisschen verflucht an.

Diese Verletzung bedeutet aber auch, dass Sie Ihr erstes Saisonhighlight, die Ardennen-Klassiker [Flèche Wallone und Lüttich-Bastogne-Lüttich, Anm.d.Red.] Ende April verpassen. Wie sehr ärgert Sie das? Schließlich dürfen Sie in ihrem neuen Team ccc mehr für den eigenen Erfolg bei solchen Klassikern fahren, als zuletzt bei Sunweb…

Genau, die sind leider vom Tisch - klar ärgert mich das! Die Klassiker waren mein erster Höhepunkt und ich hätte für das Team bei diesen Rennen eine wichtige Rolle spielen können. Aber das ist jetzt leider so, ich will auch nicht zu lange darüber nachdenken sondern auf die Zeit danach gucken, damit Richtung Tour de France alles glatt läuft. Das ist jetzt für mich wichtiger als den Klassikern nachzutrauern.

Worauf liegt denn in dieser Saison Ihr Fokus bei der Tour de France? Dürfen Sie auch dort mehr attackieren und auf Etappensiege fahren? Oder ist die Teamtaktik auf einen Fahrer für die Gesamtwertung ausgerichtet wie zuletzt bei Sunweb?

Nein, die Gesamtwertung spielt keine Rolle bei uns, dafür haben wir einfach nicht die Fahrer. Deshalb sind Etappenergebnisse unser Ziel und da haben wir einige Fahrer, die aus Gruppen bei schweren Etappen prädestiniert dafür sind: Greg van Avermaet, Serge Pauwels, Laurens Ten Dam und eben mich selbst.

Wissen Sie denn schon wie ihr Zeitplan bis dahin aussehen wird? Denn ihr eigentliches Rennprogramm für diese Saison ist ja ein bisschen über den Haufen geworfen.

Jetzt ist es erstmal so, dass wir gucken müssen wie lange das dauert. Der Schlüsselbeinbruch wäre ein absehbarer Prozess gewesen, da hätte ich nach fünf Wochen wieder starten können und vielleicht bei der Kalifornien-Rundfahrt wieder einsteigen können. Wenn der Rippenbruch aber sehr viel länger dauert, klappt das nicht. Das Problem mit den Rippen ist, dass ich nicht so tief atmen und damit nicht intensiv fahren kann, also müssen wir erstmal sehen, wie das Training läuft. Ich habe gestern mit meinem Team gesprochen und verabredet, dass wir in zwei Wochen gucken, wie es aussieht, und über ein Rennprogramm für den Mai und Juni reden.

Sie waren vor dem Saisonstart voller Vorfreude und ein bisschen aufgeregt, nachdem Sie zum ersten Mal in Ihrer Profikarriere das Team gewechselt haben. Haben Sie sich trotz der Verletzungspausen schon eingefunden?

Ja, die Woche in Katalonien hat sehr viel Spaß gemacht. In den Trainingslagern habe ich auch schon jeden kennen gelernt und mit meinem Trainer hatte ich im Winter schon viel Kontakt. Also bisher gefällt es mir sehr gut – ich hätte nur gerne schon mehr Rennen gemacht, das Glück fehlt mir leider noch aber ich habe mich eingelebt.

Die neue Radsportsaison hat aber auch mit einem neuen alten Problem begonnen: Doping. Seit den Enthüllungen um das Erfurter Dopingsystem ist das Thema auch im Radsport wieder sehr präsent. Unter anderem ist Ihr ehemaliger Teamkollege Georg Preidler, mit dem Sie von 2013 bis 2018 zusammen gefahren sind, in diesen Fall verstrickt. Waren sie geschockt?

Bei Georg sehr, ja. Da war ich sehr enttäuscht. Er war lange ein guter Freund von mir, wir waren oft auf dem Zimmer zusammen, als er mein Teamkollege war: zwei Mal bei der Tour, einmal beim Giro. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und da war ich wirklich enttäuscht, dass er gedacht hat, das wäre eine gute Idee. Man hat ja bei einigen Fahrern ein besseres und bei einigen ein schlechteres Gefühl, bei ihm hatte ich eigentlich immer ein gutes Gefühl. Ich habe ihm das nicht zugetraut. Ich wünsche mir vor allem, dass diesmal alles aufgedeckt wird. Beim Fuentes-Skandal wurde auch einiges unter den Teppich gekehrt, da mussten eigentlich nur die Radsportler büßen, obwohl bewiesen war, dass auch alle möglichen Sportler zu Gast waren, Fußballer und so weiter. Deswegen hoffe ich, dass bei der Erfurt-Geschichte jetzt alles aufgedeckt wird und alle Namen rauskommen. Ich will wissen, welche Sportler da noch waren.

Inwieweit verändert so ein Dopingskandal denn die Stimmung im Fahrerfeld und auch die eigene?

Meine Stimmung ist definitiv getrübt. Ich dachte und denke immer noch, dass man auch sauber ein guter Radprofi sein kann. Grundsätzlich misstrauisch bin ich dadurch jetzt aber nicht. Ich denke immer noch, dass es größtenteils sauber zugeht. Trotzdem kann ich erstmal nur von mir sprechen - was jeder einzelne zu Hause macht, weiß ich natürlich nicht. Ich kenne meinen Körper, ich kenne meine Grenzen und ich weiß: Wenn ich in Topform bin kann ich auch sauber gute Leistung bringen. Mein Talent reicht nicht ganz fürs Tour de France-Podium, aber bei anderen ist das halt anders. Ich fände es gefährlich, wenn viele jetzt denken: Georg Preidler und Stefan Denifl waren keine großen Namen und wenn die schon was machen, dann sind alle, die besser sind, erst recht gedopt. Klar ist das die einfache Schlussfolgerung, aber es gibt eben auch noch Unterschiede im Talent. Ich denke, dass im Radsport sehr viele Leute sauber unterwegs sind.

Heute dürfen Sie aus dem Krankenhaus nach Hause. Was machen Sie da? Ab auf die Couch und ein bisschen Fernsehen gucken, vielleicht sogar Radsport?

Genau. Es gibt da ein paar schöne Rennen im Fernsehen, die kann ich mir jetzt ja angucken. Heute kommt "Dwars door Vlaanderen" [zu Deutsch: Quer durch Flandern, Anm.d.Red.], am Sonntag beginnt die Flandern Rundfahrt. Also ich beschäftige mich dann schon. Radsport gucken geht mit gebrochenem Schlüsselbein, Playstation spielen geht auch. Ich fange dann aber auch mit der Physio an und setze mich ab morgen wieder auf die Rolle [Fahrrad-Ergometer, Anm.d.Red.]. Da kann man schon mal die Beine ein bisschen bewegen, ohne den Oberkörper zu belasten.

Zum Schluss wollen wir Ihnen noch ein bisschen Mut machen für die verbleibende Saison: 2015 haben Sie sich auch im Frühjahr das Schlüsselbein gebrochen und später Ihre bisher einzige Tour de France Etappe gewonnen ... die Schlussfolgerung ist klar, oder?

(lacht) Ja, denke ich auch. War auch dieselbe Seite, also ist es so wie damals.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch mit Simon Geschke führte Simon Wenzel für rbb|24.

Sendung: rbb UM6, 03.04.2019

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