Bis hin zur Morddrohung - Berliner Schiedsrichter beklagen Gewalt im Amateurfußball
Attacken auf Schiedsrichter sind Teil des Berliner Amateurfußballs. Mehr als 150 Vorfälle gab es in der vergangen Saison. Der Landesverband stößt mittlerweile an seine Grenzen, denn für die Nachwuchsgewinnung ist diese Situation pures Gift. Von Jakob Rüger
Es waren unschöne Szenen, die sich bei einem Spiel in der Kreisliga B in der vergangenen Saison abgespielt haben. Der Schiedsrichter wurde mit dem Schlusspfiff von der Heimmannschaft massiv bedrängt, auch Zuschauer liefen auf das Spielfeld und beschimpften den Unparteiischen. Er musste in die Kabine flüchten und sich dort einschließen.
Situationen wie diese passieren immer wieder auf den Amateurplätzen des Berliner Fußballs. "Es gab rund 150 Vorfälle, bei denen Schiedsrichter angegangen wurden", berichtete Jörg Wehling, Chef der Berliner Unparteiischen im Präsidium des Berliner Fußball-Verbandes (BFV). "Das Spektrum reichte von Beleidigungen über körperliche Gewalt bis hin zu einer Morddrohung."
Wer tut sich das noch an?
Immer wieder würden ehrenamtliche Schiedsrichter zur Zielscheibe. "Die Angst pfeift mit", gibt Wehling offen zu. "Wenn die Entscheidung des Schiedsrichters nicht mehr akzeptiert wird, dann wird er zum schwächsten Glied. Weil ihn niemand unterstützt."15 Prozent der Referees erleben mindestens einmal pro Jahr einen Vorfall. Gerade in den unteren Spielklassen sind sie bei den Konflikten außerdem auf sich gestellt.
Die Folge ist ein massives Nachwuchsproblem. Für 35.000 Pflichtspiele pro Saison, stehen nur noch 1.100 Schiedsrichter zur Verfügung. Eine Anlaufstelle für Opfer gibt es noch nicht. Das soll sich aber ändern, kündigt der Berliner Fußball-Verband an.
Trainer und Eltern machen zusehends Probleme
Insgesamt gab es in der vergangenen Saison 50 Spielabbrüche auf Berliner Plätzen, 30 im Erwachsenen- und 20 im Jugendbereich. Seit Jahren sind diese Zahlen stabil. Jeder Spielabbruch ist vom Verband aufgearbeitet worden. Dafür gibt es 27 Sportrichter und sieben Verbandsrichter. Zu den Strafen gehören Sperren und Spielausschlüssen.
Immer klarer in den Fokus geraten vor allem Trainer und Eltern, die sich erheblich einmischen, auf das Spielfeld stürmen und Leute beleidigten. "Das sind Dinge, die uns Sorgen machen und wo wir auf die Eltern einwirken müssen", sagt BFV-Vizepräsident Gerd Liesegang. Die Trainer wiederum hätten zunehmend Probleme, Entscheidungen der Schiedsrichter zu akzeptieren. In einigen Fällen hätten Trainer versucht, günstigere Entscheidungen von Schiedsrichtern zu erpressen, in dem sie ihre Mannschaften während des Spiels vom Platz nahmen.
"Wir stoßen an unsere Grenzen"
Immerhin: die massiven Gewaltvorgänge seien rückläufig, bilanziert BFV-Präsident Bernd Schultz. Erstmals wurden auf den Amateurplätzen in der abgelaufenen Saison weniger als 2.000 Vorfälle registriert. "Doch es bleibt dabei, jeder der 1.993 Vorfälle ist einer zuviel", sagt Schultz.
Zudem würden auch politische Konflikte auf dem Fußballplatz ausgetragen. "Wir müssen deutlich machen, dass politische Symbole nicht auf den Fußballplatz gehören", sagt Vizepräsident Liesegang. "Wir müssen mit dem Thema sensibel umgehen, aber haben mit der Berliner Polizei da auch einen verlässlichen Partner."
Der Verband unterstützt die Vereine schon im Vorfeld bei brisanten Partien. Bei insgesamt 1.600 Spielen pro Wochenende "kommen wir an unsere Grenzen", so Liesegang. Oft werde vergessen, dass auch im Berliner Fußball-Verband alles über ehrenamtliche Arbeit laufe. Der Verband will deshalb noch enger mit den Vereinen kooperieren.
Sendung: Abendschau, 09.08.2019, 19.30 Uhr