Zwischenfazit zum Start in die Bundesliga - Der 1. FC Union Berlin ist angekommen

Di 12.11.19 | 17:51 Uhr | Von Philipp Büchner
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Spieler des 1. FC Union Berlin bejubeln den Sieg im Derby gegen Hertha BSC. (Quelle: imago images/Eibner)
Bild: imago images/Eibner

Vor dem Saisonstart wurde die Bundesligatauglichkeit des Aufsteigers 1. FC Union Berlin deutschlandweit angezweifelt. Mit einem beachtlichen ersten Saisondrittel haben die Köpenicker viele Kritiker bereits verstummen lassen. Ein Zwischenfazit von Philipp Büchner

In Mainz stehen die Spieler des 1. FC Union Berlin völlig verausgabt vor der Kurve und hüpfen mit letzter Kraft im Rhythmus, den die euphorischen Fans vorgeben. Nach dem vierten Sieg im elften Spiel präsentiert die Auswärtskurve der Köpenicker ein Banner mit der Aufschrift "BERLINS NUMMER EINS". Und tatsächlich gibt es mittlerweile Anlass für ein neues Selbstbewusstsein.

Banner der Union-Fans beim Spiel in Mainz (Quelle: imago images/Kessler-Sportfotografie)
Bild: imago images/Kessler-Sportfotografie

Die aktuelle Lage

Vier Siege, 13 Punkte, Platz elf - was sich in Zahlen recht nüchtern liest, ist das Ergebnis eines schmerzhaften Lernprozesses und großer Leidenschaft auf dem Platz. Der 1. FC Union Berlin lernt in der Bundesliga rasend schnell und hat die ärgsten Sorgen, die nach dem Debüt gegen Leipzig (0:4) aufgekommen waren, nachhaltig gekontert. ARD-Sportschau-Reporterin Stephanie Baczyk begleitet den 1. FC Union Berlin seit Jahren und findet, "in dieser Verfassung und angesichts dieser Steigerung hat Union für mich das Zeug, die Klasse zu halten."

Der Trainer

Der Schweizer Urs Fischer hat sich bereits im Aufstiegsjahr den Ruf eines geradezu weisen Lehrers erworben. Mit seiner ruhigen, nüchternen Art nimmt er der Mannschaft die Angst, Fehler zu machen und somit auch den Druck. Der Trainer hat mit seinem Team die anfänglich häufigen Fehler schnell auf ein Minimum reduziert und die Gedankenschnelligkeit in den Köpfen erhöht.

Unions Trainer Urs Fischer (imago images/Andreas Gora)
Union-Trainer Urs Fischer ist die Ruhe in Person. | Bild: www.imago-images.de

Seinem Team verordnet er eine Mischung aus Teamgeist, Laufstärke, Kampf und dem unbedingten Willen, "eklig zu sein". Er sorgt auch nach großen Erfolgen wie dem sensationellen Heimsieg am 3. Spieltag gegen Vizemeister Borussia Dortmund (3:1) dafür, dass Mannschaft und Umfeld am Boden bleiben. Er wird nicht müde, die Außenseiter-Rolle zu betonen: "Wie könnten wir Favorit sein, wo wir gerade zehn Bundesligapartien gespielt haben und der Gegner seit Jahren erstklassig spielt?" So klang das vor dem Spiel gegen krisengebeutelte Mainzer, Fischer verhindert auf diese Weise jeden Anflug von Selbstzufriedenheit im Ansatz.

Die Mannschaft

Nach dem Aufstieg wurde der Kader mit Fingerspitzengefühl aufgewertet, allerdings standen nach der Sommerpause auch rekordverdächtige 32 Profis auf der Kaderliste. "Oh! Das wird schwierig mit 32 Spielern," zweifelte auch Union-Expertin Stephanie Baczyk. "Aber Urs Fischer moderiert das gut." Ihr fällt auf, dass es bislang keine erkennbaren Unzufriedenheiten gibt und sogar empfindliche Ausfälle wie der von Grischa Prömel problemlos kompensiert werden.

Erfahrene Spieler wie Neven Subotic und Christian Gentner identifizieren sich mit der neuen Aufgabe und geben unerfahrenen Kollegen offenkundig Stabilität. Von den bewährten Kräften zeigen sich Torwart Rafal Gikiewicz und Verteidiger Marvin Friedrich bislang besonders konstant.  Aber auch die anderen verbliebenen Zweitligaspieler der Köpenicker haben im Oberhaus Fuß gefasst. Dazu kommen überraschend starke Neuzugänge wie der Ex-Freiburger Keven Schlotterbeck, Robert Andrich vom Zweitligisten 1. FC Heidenheim und - für viele die größte Überraschung - Marius Bülter, der ein Jahr zuvor noch in der vierten Liga in Rödinghausen spielte.

Die Stärke ist eindeutig die Ausgeglichenheit dieses Teams, in dem sich jeder dem Ziel unterordnet, mit dem 1. FC Union die Liga zu halten. Die Vorgabe des Trainers "eklig" zu spielen, setzt die Mannschaft um. Sie begeht ligaweit die meisten Fouls (bislang 169), gewinnt die meisten Kopfballduelle (333) und nur drei Mannschaften laufen mehr (Leverkusen, Wolfsburg und Paderborn). Damit kompensiert Union Defizite im Spiel, wie etwa die zweitschwächste Passquote der Bundesliga (76%).

Das Umfeld

Nach dem Aufstieg wuchs bei Außenstehenden die Sorge, dass sich der Verein, der immer durch Fannähe und Bodenhaftung überzeugte, im Rampenlicht und unter erhöhtem Kommerzdruck verändern könnte. Diese Sorge wiesen die Verantwortlichen entschieden zurück. Pressesprecher Christian Arbeit stellte damals im Interview mit dem rbb die Frage: "Wir machen hier die Sachen und wir feiern den Fußball ja so, wie wir das am liebsten mögen. Und wieso sollten wir das nun ändern?"

Und siehe da: Nach drei Monaten in der Bundesliga hat sich die Vereinskultur nicht sichtbar geändert. Auffällig ist nur, dass das Interesse gestiegen ist. Die wenigen frei erhältlichen Karten zu Heimspielen sind in etwa so begehrt wie Parkplätze in Berlin-Mitte. Doch mit dem neuen Verlosungsprinzip scheinen sich auch althergebrachte Gelegenheitsstadiongänger angefreundet zu haben.

Union-Torhüter Rafal Gikiewicz schickt Hooligans vom Platz. (Quelle: imago images/Bernd König)
Torhüter Rafal Gikiewicz stellt sich gegen die vermummten Anhänger und verhindert einen Platzsturm. | Bild: imago images/Bernd König

Noch nicht aufgearbeitet sind die Geschehnisse rund um das Hauptstadtderby gegen Hertha BSC (1:0-Sieg). Nachdem aus dem Gästeblock mehrfach Leuchtraketen in andere Blöcke geschossen wurden, wollten rund 20 vermummte Fans von der Waldseite aus den Platz stürmen. Es drohten Ausschreitungen, wie sie im deutschen Fußball so noch nie dagewesen sind. Als mildernde Umstände in der Bewertung könnte man anführen, dass die eigene Mannschaft - allen voran Torwart Gikiewicz - die Vermummten zurückhielt. In den kommenden Wochen wird sich der DFB noch zu diesem Skandalspiel verhalten, aber neutrale Beobachter hätten der Fanszene des FCU so ein Verhalten vermutlich nicht zugetraut.

Ansonsten haben auch die Fans den Sprung auf die große Fußballbühne ohne große Geburtswehen vollzogen. Sie singen nach wie vor die gleichen Lieder, nehmen Niederlagen vergleichsweise gelassen hin und neigen auch nach großen Siegen nicht zu Größenwahn. Einzige Veränderung: spätestens seit sich Union mit dem 3:2-Auswärtssieg in Mainz in der Tabelle am Stadtrivalen Hertha BSC vorbeigeschoben hat, klingt das Stadtmeister-Lied etwas genüsslicher.

Die Prognose

Der derzeitige Stand gleicht einer Planübererfüllung, dennoch bleibt für alle im Verein das Ziel unantastbar und das heißt "Klassenerhalt". Sportschau-Reporterin Baczyk hält diesen nach einem Drittel der Saison für sehr realistisch: "Dinge verändern sich zwar, aber ich schätze Mannschaften wie Mainz, Paderborn und Köln bislang schwächer ein als Union."

Bis zur Winterpause treffen "die Eisernen" insbesondere mit Köln, Paderborn und Düsseldorf noch auf schlagbare Gegner. Aktuell ist kein Einbruch zu befürchten, obwohl dieser bei einem Liganeuling keine Überraschung wäre. Doch bleibt Urs Fischer einfach Urs Fischer, das Umfeld ruhig und die Mannschaft so geschlossen wie bisher, dann wird der 1. FC Union Berlin die nötigen Punkte für den Verbleib in der Bundesliga sammeln.

Sendung: Inforadio, 10.11.2019, 8:14 Uhr

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels war in Bezug auf die Ausschreitungen im Hertha-Block von einer "provozierende Pyroshow" die Rede. Wir haben das nach zahlreichen Hinweisen geändert.

Beitrag von Philipp Büchner

19 Kommentare

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  1. 19.

    «Widerwärtige Banner»

    Sagt ein Herthaner. Schon vergessen, Eure transparente! Aufforderung an die Mannschaft beim letzten Training vor dem Derby?
    Es ging da ums «durch den Wald jagen» oder so.....Also mal lieber die Füsse still halten.

  2. 18.

    Faszinierend: Union-Anhänger echauffieren sich über die Verharmlosung dessen, was im Hertha-Block geschah, um nur einen Satz später das Verhalten des eigenen Mobs mit Phrasen wie "das als Reaktion darauf erfolgte Betreten (!) des Platzes" zu verniedlichen. Aber so war ja schon nach der Stockholm-Randale bevorzugte Sprachregelung. Klingt so schön nach Herbstspaziergang.

    Das alles war natürlich ein absolut hehrer Akt. Wie gut, dass die Missetaten der Gästefans bereits lange vor Anpfiff geahnt wurden, sodass bereits vor Anpfiff eine Miliz maskierter Unioner, inklusive der rechtsradikalen Ultra-Freunde aus MG, formierte, die - nur um die eigenen Frauen und Kinder zu schützen, versteht sich - sich gewaltsam Einlass zum Stadion verschaffte und am Ende das Grün stürmte, um die Raketen eigenhändig abzufangen.

    Auch widerwärtige Banner im Union-Block waren eigentlich nur Gegenwehr und deshalb nicht der Rede wert. Union also wieder nur unschuldiges Opfer. Wie gewohnt.

  3. 17.

    Danke und Respekt für die nachträgliche Änderung der «Pyro-Show» Beschreibung. Hätte mir allerdings gewünscht, dass Sie diese Passage hier:
    «Es drohten Ausschreitungen, wie sie im deutschen Fußball so noch nie dagewesen sind» auch noch den Realitäten angepasst hätten.

    Eiserne Grüsse und immer fair bleiben!

  4. 16.

    Liebe User,

    in diversen Kommentaren wurde die Formulierung "provozierende Pyroshow" kritisiert. Das ist verständlich, diese Formulierung ist nicht zutreffend, wir haben sie geändert. Hier sollten auf keinen Fall die Entgleisungen aus dem Hertha-Block verharmlost werden. Wir haben die Raketen, die aus dem Gästeblock in andere Blöcke geschossen wurden, nach dem Derby in diversen Artikeln behandelt.

    Danke für Ihre Rückmeldungen,
    Philipp Büchner

  5. 15.

    Was für ein dermaßen schlecht recherchierter Artikel. War der Autor im Stadion? Bestimmt nicht. Hier von Pyroshow im Herthablock zu reden ist eines Journalisten unwürdig. Ich war im Stadion und habe erlebt wie es ist mit Leuchtspurgeschossen aufs Korn genommen zu werden. Entweder der Autor ist (sorry) richtig doof oder er berichtet absichtlich verfälscht. Beides schlecht.
    Über das Thema Platzsturm wie noch nie dagewesen spare ich mir jeglichen weiteren Kommentar. Auch hier zeigt der Autor sein Unwissen.

  6. 14.

    "[...] aber neutrale Beobachter hätten der Fanszene des FCU so ein Verhalten vermutlich nicht zugetraut"
    Genau das macht den FCU aus. Die Fans sind losgestürmt, nachdem Leuchtraketen in den Familienblock geschossen wurden. Und das 7-jährige Mädchen neben mir wird wahrscheinlich nie wieder ein Stadion betreten...allerdings nicht aus Angst vor platzstürmenden Fans sondern vor Ultras die keinerlei Respekt im Umgang mit der Gefahr haben. Um sie konkret zu benennen: es waren die im (Hertha)Gästeblock.
    Bitte besser recherchieren und vor allem unfreiwillig Beteiligte befragen

  7. 13.

    Herr Büchner war entweder nicht im Stadion oder er will Hertha schützen. Raketen auf Menschen zu schießen ist keine Pyroshow. Klar ist das falsch wenn man sich vermummt und über den Zaun springt aber welche Gefahr droht da für den Menschen ? Herr Büchner spiegelt leider das Bild der sogenannten Qualitätsmedien wieder. Eben eine schlechte Qualität.

  8. 12.

    Hi, trotzdem kein Grund aus dem Hertha-Block Raketen aufs Spielfeld oder in andere Blocks zu feuern! Das ist schon kriminell und ne Körperverletzung! Egal ob das nun die Hertha-Hools oder HSH-Hools waren! Pyro, soweit es im eigenen Block geht okey aber keine Raketen!

  9. 11.

    Warum trägt der Junge das Trikot des Meisters von 1932 ? Der würde bestimmt lieber das Rot weisse des Stadtmeisters von 2019 tragen...

  10. 10.

    Zieht denn heutzutage seinen Kindern wirklich noch jemand Hertha-Trikots an? Das wirkt ein wenig wie aus der Zeit gefallen.
    *Stirnrunzel*

  11. 9.

    Herzlichen Glückwunsch aus Cottbus, natürlich mit etwas Neid verbunden aber der Köpenicker Verein mit seinen tollen Fans hat sich das erarbeitet und damit voll verdient, und lässt die alte Dame (Hertha) wirklich sehr alt aussehen. Chapeau!!

  12. 8.

    Jajaja...Wie immer: Eiserne Engel.....Sorry, diese "super Fans" haben auch kein Problem damit kleine Kinder in der Bahn anzupöbeln, nur weil die nen Hertha Trikot tragen!!!! Mittlerweile mehr als einmal mit meinen Jungs erlebt!!!!! Aber in Köpenik sind immer alle Engel! Lächerlich!Idioten gibt es auf allen Seiten, auch bei Euch liebe Unioner!

  13. 7.

    Werter Herr Büchner: das mutwillige, über 60 min während Hineinschiessen von Leuchtspur-Raketen nicht nur auf den Platz, sondern in(auch mit Frauen und Kindern besetzten) Zuschauerränge bezeichnen Sie allen ernstes als «Pyro-Show»? Gehts noch?

    Und noch schlimmer: Das als Reaktion darauf erfolgte Betreten des Platzes (nach Spielende) von einigen Vermummten Union?-Fans, die sich in nullkommernix wieder zurückbeordern liessen, bezeichnen Sie als « im deutschen Fussball noch nie dagewesene Bedrohung» ? Sie wissen nicht, wieviele WIRKLICHE Platzstürme und tatsächliche, gewaltsame Ausschreitungen es in der Bundesligageschichte gegeben hat?

    Zu Ihrer Fesstellung, dass neutrale Beobachter der Union-Szene «so etwas» nicht zugetraut hätten:

    Haben Sie denn den Hertha-«Fans» ihr asoziales, wirkliche Verletzungen in Kauf nehmendes Verhalten, vorher zugetraut?

    Das ist keine seriöse Berichterstattung, sondern eine das reale Geschehen verfälschende und tendenziöse Meinungsmache!

  14. 6.

    Wer anders als Union sollte auch sonst Berlins Nummer Eins sein? Der BFC ja wohl nicht mehr.

  15. 5.

    Hallo Herr Philipp Büchner,

    Sie sollten besser recherchieren und dann Ihren Artikel dementsprechend ändern. Im Hertha-Block wurde keine provozierende Pyroshow gezeigt sonderen aus Diesem wurden LEUCHTRAKETEN ....und zwar Mehrere....auf das Spielfeld und in die Union-Fanblöcke abgefeuert. Die Kinder von Polter u.a. haben welche sogar fast direkt abbekommen! Und da sind dann 10-12 vermummte Unioner über den Zaun, was man verstehen kann, wenn man mit Raketen beschossen wird. Rafa konnte sie noch zurückhalten, aber Auslöser waren die Chaoten aus dem Hertha-Block!!

  16. 4.

    „Berlins Nummer Eins“ trifft es sehr gut!

  17. 3.

    Bei deiner unterschwelligen Kritik mag dir vielleicht entgangen sein, dass die Analyse zu Hertha gestern herausgekommen ist und dass es sich bei dem Fußball nun einmal um den größen Breitensport handelt, so dass es hier auch die größte Berichterstattung gibt.

  18. 2.

    Was würde der RBB bloß machen, wenn es den 1. FC Union nicht geben würde? Da müsste man sich ja mit Alba, den Füchsen den Volleys oder Hertha beschäftigen.

  19. 1.

    Als Union- und Herthafan (ja, gibt es) bin ich von den Erfolgen von Union total geflasht. Ich hoffe, dass sie in der 1. Bundesliga bleiben!

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