Herthas sechste Niederlage - Für Covic wird die Luft dünner
Zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen machen Hertha BSC gegen RB Leipzig zu schaffen. Warum die Niederlage trotzdem verdient war und es wenigstens vor Anpfiff Grund zur Freude gab. Von Till Oppermann
Am 30. Jahrestag des Mauerfalls ist Einheit im Olympiastadion das große Thema des Tages. Die demonstriert auch Herthas Bank, als Ante Covic, Michael Preetz und Co-Trainer Harald Gämperle in der 75. Minute zu dritt auf den vierten Offiziellen Marcel Unger zustürmen. Wütend redet das Trio auf den Mann in Schwarz ein. Ein verständlicher Ausbruch: Nach einem langen Ball in den Strafraum bekommt Niklas Stark einen Leipziger Ellbogen ins Gesicht. Davie Selke soll den verletzten Kollegen ersetzen. Trotzdem hat Schiedsrichter Sören Storks das Spiel wieder angepfiffen – ohne Überprüfung durch den VAR und ohne die Gelegenheit zum Wechseln zu geben. "Niklas Stark lag nach einem Zweikampf blutend auf dem Platz", berichtet der dann doch noch eingewechselte Selke später, und: "Ich verstehe in einigen Szenen nicht, warum sich das dann nicht wenigstens noch einmal angeschaut wird."
Auch sonst muss sich Storks von Leipziger Seite sicher nicht vorwerfen lassen, ein Heimschiedsrichter gewesen zu sein. Schon in der ersten Hälfte beschert ein mindestens zweifelhafter Handelfmeter den Leipzigern den Ausgleich. Herthas Verteidiger Karim Rekik bekommt den Ball ins Gesicht, von dort springt er an seine Hand. "Um den Elfmeter zu verhindern, müsste man sich die Hände auf den Rücken binden", kommentiert Covic. In der Folge stören sich die Herthaner vor allem an einseitigen Entscheidungen bei Mittelfeld-Zweikämpfen. "Viele 50:50 Situationen sind gegen uns gepfiffen worden", moniert Selke. Das erregt auch seinen Trainer in den letzten Minuten immer weiter. Wild gestikulierend rennt Covic durch seine Coachingzone – und holt sich sogar noch die Gelbe Karte ab. Auch nach dem Abpfiff, der Covics sechste Niederlage im elften Bundesligaspiel als Trainer besiegelt, verraucht sein Zorn nicht. Während seine Spieler niedergeschlagen auf dem Platz stehen, diskutiert der Berliner Coach gestenreich mit seinem Staff. Und auch im RBB-Interview ist er geladen: "Das ist eine Frechheit, wenn wir so einen Elfmeter gegen uns bekommen und der Schiedsrichter nicht in der Lage ist, sich anzugucken, wie man Niklas Stark das Nasenbein bricht."
Hertha im Pech
Während Starks Nationalmannschaftskarriere ohne Einsatz nun auf diese Art um eine weitere tragische Episode ergänzt wird, sind Storks Pfiffe für Covic spielentscheidend: "Mit der Fehlentscheidung öffnet er den Leipzigern die Tür." Und tatsächlich ist der Ausgleich nach dem Handelfmeter der Wendepunkt in einem Spiel, in dem die Berliner die Gäste aus Leipzig durchaus überraschen konnten: "Ich hatte Hertha nicht so defensiv erwartet. Die Konter waren sehr gefährlich. Wir hatten auch mal Glück," sagt Trainer Julian Nagelsmann. Tatsächlich waren die Gastgeber gut im Spiel. Doch wie so oft in dieser Saison helfen die Blau-Weißen ihrem Gegner kräftig. Der fünfte verursachte Elfmeter im elften Spiel spricht Bände.
Harmlose Herthaner
Die Siege gegen Köln, Paderborn und Düsseldorf konnten kurz über Herthas Probleme hinwegtäuschen. Drei Niederlagen danach muss man sich wohl eingestehen, dass dafür eher die Schwäche der Gegner, als Herthas Stärke verantwortlich war. Nach einer überschaubaren Vorstellung im Derby, als Hertha im ganzen Spiel nur eine halbwegs zwingende Chance hatte, wirft die offensive Darbietung auch gegen Leipzig Fragen auf. Zwar hat Leipzig insgesamt nur einen Abschluss mehr, allerdings gibt RB sieben von acht Torschüssen innerhalb des Strafraums ab. Zum Vergleich: Hertha schießt sieben Mal aufs Tor, aber lediglich zwei Mal innerhalb des Strafraums.
Und auch als mit Selke und Ibisevic zwei Strafraumstürmer im Spiel sind, lässt Hertha den Ball lieber langsam durch die eigenen Reihen laufen. Eine richtige Gelegenheit bietet sich Selke erst in der 92. Minute. Vorher hat Leipzig den Sack mit zwei Kontern schon zugemacht. Der Torjingle klingt nach Selkes erstem Saisontreffer wie blanker Hohn und wird mit dem Schlusspfiff durch ein Pfeifkonzert der Hertha-Fans abgelöst.
Der Kredit ist aufgebraucht
Schon in der 75. Minute singen die Fans: "Wir wollen euch kämpfen sehen." Der lethargische Derbyauftritt ist nicht vergessen, mit der Niederlage gegen Leipzig fällt Hertha auch in der Tabelle hinter den Stadtrivalen zurück.
Covic und Preetz unter Druck
Dabei fängt der Fußballnachmittag im Olympiastation so schön an. Vor der Ostkurve und an der Mittellinie sind zwei Mauern errichtet. Die fallen vor dem Spiel. Eine davon wird auf der Laufbahn sogar mit einem Trabi durchbrochen. Originell und in dieser Form sicher einmalig in der Choreo-Geschichte der Bundesliga. Dass die Fans dahinter noch das Brandenburger Tor über den ganzen Block ziehen und auf vielen Transparenten das Ende der Teilung Berlins feiern, rundet das gelungene Bild ab.
Nach der Niederlage ist diese gute Laune verflogen. Auf dem Weg aus dem Stadion schimpfen nicht wenige lautstark über die Leistung ihrer Mannschaft. Der gelungenen Erinnerung an die Vergangenheit steht eine triste Gegenwart entgegen. Von Einheit wird auf der heutigen Mitgliederversammlung vermutlich wenig zu spüren sein.
Zusammen für Berlin
Sendung: rbb24, 09.11.2019, 21:45 Uhr