Interview | Karsten Heine zu 30 Jahre Mauerfall - "Berlins Fußball ist sehr schnell zusammengewachsen"

Do 07.11.19 | 20:33 Uhr
Karsten Heiine
Audio: Interview mit Karsten Heine | Bild: imago images / Matthias Koch

Karsten Heine kennt den Berliner Fußball seit über 45 Jahren. Auch beim sogenannten "Einheitsderby" saß er auf der Trainerbank. Zum 30. Mauerfalljubiläum spricht der ehemalige Union- und Hertha-Trainer über fehlende Ostalgie und Lieblingsschlachtrufe.

rbb|24: Herr Heine, 30 Jahre Mauerfall – was bedeutet das für Sie?

Karsten Heine: Erstens fällt mir bei der Frage ein, dass ich schon ganz schön alt geworden bin (lacht). Das sage ich deshalb, weil man sich, wenn man zurückblickt, fast erschreckt, dass das schon so lange her ist. 30 Jahre ist doch eine enorme Zeit und da gibt es natürlich eine Menge private Veränderungen. Beruflich hat sich nicht so viel verändert, ich bin im gleichen Thema drin wie vor 30 Jahren, aber ansonsten muss ich sagen, ist die Zeit natürlich wahnsinnig schnell vergangen.

Was ist Ihnen bis heute noch von dem Einheitsspiel in Erinnerung geblieben, bei dem Sie ja der Trainer von Union waren?

Das ist natürlich ein Thema, das in den letzten Tagen immer wieder hochgekommen ist, weil man sich daran erinnert und auch darauf angesprochen wird. Gerade in Bezug auf das Derby, das am Wochenende stattgefunden hat. Das war schon ein richtiger Höhepunkt für mich persönlich. Ich bin ja noch groß geworden bei Union als Spieler, als Hertha und Union noch eine feste Freundschaft verbunden hat und dieses Spiel war natürlich dann so nicht zu erwarten. Wenn man sich vorstellt, dass im Sommer die Saison beginnt und man im Januar auf einmal gegen Hertha BSC spielt: Das war schon ein Sprung, der erstens nicht zu erwarten war und natürlich immer noch sehr, sehr angenehme Erinnerungen in mir hervorruft.

Wie hat sich denn die Berliner Fußballlandschaft nach dem Mauerfall aus Ihrer Sicht verändert?

Auch da kann man den aktuellen Bezug nehmen, wenn es auch etwas länger gedauert hat, als vielleicht erhofft. Aber wenn ich zunächst Mal bei den größten Vereinen bleibe, dann sind ja beide durch viele Wellentäler gegangen, um sich letztendlich in der Bundesliga zu begegnen. Wenn ich an die Wendejahre denke, Anfang der 90er, da ist Hertha BSC - und ich war mit dabei - noch in Regionen rumgedümpelt, was nicht unbedingt den Ansprüchen dieses Vereins entsprochen hat. Und Union ist ja auch fast vor dem Aus gewesen.

Es war es sehr, sehr eng, auch Mitte der 90er Jahre und deshalb finde ich das schon enorm, was in den letzten Jahren in den beiden Vereinen passiert ist. Dass man jetzt in der 1. Bundesliga Derbys gestaltet, ist schon sehr bemerkenswert. Damals gab es ja häufig den Satz: "Hertha und Union in der ersten Liga, das wäre das Schönste, was Berlin und natürlich beiden Vereinen passieren könnte." Ansonsten ist die Fußballgemeinschaft in ganz Berlin denke ich sehr, sehr schnell zusammengewachsen. Sicherlich wird es immer noch "Ost-gegen-West-Spiele" bei dem einen oder anderen in Gedanken geben, aber die Generationen wachsen ja auch langsam raus und es ist inzwischen ja auch eine völlig neue Generation, die davon gar nicht betroffen ist, herangewachsen.

Wenn Sie an Ihre Zeit als Spieler bei Stahl Brandenburg denken: Was war für Sie ein Erlebnis, das exemplarisch für Ihre Fußballzeit dort steht?

Das war sicherlich der Aufstieg in die damalige Oberliga. Wir Spieler kamen aus Mannschaften der sogenannten Leistungsclubs. Ich kam von Union und einige zum Beispiel aus Rostock und Magdeburg, die dort aus den verschiedensten Gründen nicht mehr gewünscht waren oder es dort nicht gepackt haben. Das war eine bemerkenswerte Zeit. Wir sind aus der zweiten Liga aufgestiegen und haben tollen Fußball gespielt und das bleibt mir absolut in Erinnerung.  Insbesondere der Schlachtruf "Stahl Feuer" - der hallt dann schon noch mal so ein bisschen durch mein Gedächtnis. Nach "Eisern Union!" in meiner aktiven Zeit war das für mich nochmal ein unerwarteter Wechsel. Ich hätte mir damals niemals vorstellen können, dass ich von Union weggehe. Das hatte damals seine Gründe, aber es war eine tolle Zeit, dass wir damals aufgestiegen sind in die erste Liga.

Was überwiegt bei Ihnen? Die positiven Entwicklungen, die Sie auch gerade geschildert haben oder eher die Ostalgie, die Erinnerung an damals?

Also ich kann bei mir und in meinem Umfeld, in meiner Mannschaft, die ich jetzt auch trainiert habe in den 30 Jahren, keine Ostalgie feststellen. Da überwiegt eindeutig das Positive - das muss ich ganz klar hervorheben. Da kann ich so für mich sprechen und der Fußball hat sich weiterentwickelt - auch in unserer Stadt. Das mag vielleicht in anderen Regionen anders sein, aber so wie es bei mir verlaufen ist, steht fest: Für mich war dieser Übergang in der Alltagsgestaltung keine problematische Situation. Das Positive überwiegt ganz klar.

Das Interview führte Friedrich Rössler, rbb-Sport.

Der Text hier ist eine gekürzte und redigierte Version des Interviews. Das komplette Gespräch können Sie hören, wenn Sie auf den Audio-Button im Titelbild klicken.

 

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