Zwischenfazit zur Spreefüxxe-Saison - Alles Müller, oder was?

Mo 23.12.19 | 12:21 Uhr | Von Lorenz Schalling
Spreefüxxe-Trainerin Susann Müller (Lorenz Schalling)
Bild: Lorenz Schalling

Kurz nach dem Saisonstart überraschten die Spreefüxxe und verhalfen Susann Müller, Handballerin des Jahres 2013, zu ihrem Trainerdebüt. Mut, der belohnt wurde, wie die 100-Tage-Bilanz der Neuen zeigt. Von Lorenz Schalling

Britta Lorenz, die Managerin der Berliner Spreefüxxe, ist bekannt für kreative, eher unerwartete Entscheidungen, wenn es um den wohl wichtigsten Posten im Verein geht, den Trainerjob: "Für mich ist es nicht wichtig, einen Trainer zu verpflichten, der schon 20 Jahre Erfahrung hat. Der ist möglicherweise nicht besser als jemand der das noch gar nicht gemacht hat."

Doch als die Spreefüxxe Ende September Susann Müller als neue Trainerin präsentieren, ist das eine faustdicke Überraschung, für manche gar nur ein PR-Coup. Doch die Berliner meinen es ernst, genau wie Susann Müller. Im Sommer 2019 endete ihr Vertrag bei Silkeborg-Voel KFUM in Dänemark, und damit die Spielerkarriere. Ihr Ruf als vermeintliches Enfant Terrible schreckte Managerin Lorenz nicht ab: "Bei Susi war mir einfach klar, dass das auf jeden Fall funktionieren wird. Sie hat immer mit viel Intelligenz Handball gespielt."

Die Lehren eine Karriere

Und dazu auch äußerst erfolgreich. Susann Müller war fast 100 Mal für die deutsche Handball-Nationalmannschaft aktiv, wurde in ihrer Karriere Meisterin in Deutschland, Dänemark und Slowenien, gewann außerdem die Pokalwettbewerbe in Deutschland, Slowenien und Ungarn. Nun ist sie mit 31 Jahren bereits Trainerin. Diese Entscheidung bereut sie null: "Im Training habe ich schon ab und zu mal Lust mich zu bewegen, aber im Spiel nicht mehr."

Aus den Erfahrungen ihrer Karriere hat Müller ihr eigenes Auftreten als Trainerin kreiert und das ist wenig autoritär. "Ich sehe mich nicht so richtig als Trainerin, ich fühle mich mehr als Leaderin für das Team. Ich bin nicht die, die herum schreit. Das will ich auch nicht werden, weil ich finde, das ist der falsche Weg", erklärt sie. "Ich führe sehr situativ und entscheide auf der kooperativ-partnerschaftlichen Basis. Ich versuche mich nicht höher zu stellen."

Susann Müller beim Training (Lorenz Schalling)
Susann Müller (Trainerin Spreefüxxe) erklärt ihren Spielerinnen eine Übung, von links: zwei verdeckte Spielerinnen, dann Bo Dekker, Anais Gouveia, Trainerin Susann Müller, Vesna Tolic und Fabienne KundeBild: Lorenz Schalling

Ehrlichkeit als Antrieb

Als Handballerin hat sie viele Trainer erlebt. Dass sie ihnen immer offen ihre Meinung sagte, brachte ihr manchen Ärger ein und führte zu dem Bild, Susann Müller sei eine schwierige Spielerin. Sie habe einfach immer schon ihr "Herz auf der Zunge getragen", beschreibt sie selbst ihren Charakter.

Auf Ehrlichkeit legt Susann Müller auch jetzt großen Wert: "Was ich nicht möchte ist, dass alle mit einer Welle schwimmen. Wenn eine Spielerin eine andere Meinung hat, warum soll sie die nicht sagen? Ich finde, nur so kann man sich weiterentwickeln. Das sind für mich Spielerinnen bei denen ich weiß, dass sie in den entscheidenden Situationen vorne weg gehen und auch mal ein Spiel entscheiden können."

Mit analytischem Blick

Im Training geht sie sehr zielgerichtet auf ihre Spielerinnen und die nächsten Gegner ein, gibt Tipps wie jede Einzelne ihre Stärken am besten in Szene setzen kann. Diese Art kommt gut an bei den Spielerinnen. "Es hat noch nie jemand ein böses Wort über Susi verloren oder konnte irgendwie nicht nachvollziehen, was sie meint oder sagt, wie sie sich verhält oder welche Emotion sie zeigt", analysiert Spreefüxxe-Kapitänin Anna Blödorn die ersten 100 Tage.

Die meiste Zeit steht Susann Müller am Ende der Auswechselbank, folgt dem Spielgeschehen mit scharfem Blick. Dann pendelt sie entlang der Bank zu den Spielerinnen die während der Angriffs- oder Abwehrphasen kurz pausieren und gibt ihnen präzise, zielgerichtete Hinweise. Danach schnell wieder zurück ans ruhigere Bankende, um weiter zu beobachten.

Susann Müller coacht ihre Spielerinnen (Lorenz Schalling)
Susann Müller (Trainerin Spreefüxxe Berlin) mit Auszeit-Ansprache an ihr TeamBild: Lorenz Schalling

Eine gute Bilanz

"Sie kann die Gegner einfach sehr gut lesen und uns sagen, wie wir darauf reagieren sollen. Sie kann sich aber auch gut in die verschiedenen Rollen und Positionen reindenken und uns sehr spezifisch Tipps geben", schätzt Bo Dekker die Qualitäten ihrer Trainerin. Bei der jungen Kreisläuferin, im Sommer aus den Niederlanden gekommen, scheinen Müllers Hinweise am besten zu fruchten. Mit 66 Toren ist Dekker aktuell die erfolgreichste Werferin der Spreefüxxe.

Die Bilanz der Berlinerinnen seit Müllers Amtsantritt kann sich sehen lassen. Sieben Siege aus elf Spielen hätten nur wenige erwartet nach der sehr durchwachsenen Vorbereitung. Der Lohn: Die Spreefüxxe liegen auf Rang fünf der Tabelle, mit Anschluss an die Spitze.

Ziel erste Liga

Dass Susann Müller das nicht reicht, merkt man beim 26:28 gegen den HC Rödertal. Im letzten Heimspiel des Jahres verspielt Müllers Team in den letzten Minuten den Sieg. Kurz lässt Susann Müller ihre Emotion raus, feuert den Stift der Taktiktafel auf den Boden. In diesen Momenten blitzt der Ehrgeiz hervor, der sie schon als Spielerin antrieb. "Ich bin immer die, die auch mal ein größeres Ziel anstrebt als es vielleicht realistisch ist", formuliert es Müller selbst.

Was das bei einer Ex-Bundesliga-Spielerin und einem Hauptstadtverein heißt, der zuletzt von 2014 bis 2016 in der 1. Liga spielte, kann man sich denken. Doch dafür müssen die Strukturen der Spreefüxxe weiter professionalisiert werden. Ein langfristiges Ziel für Susann Müller und Managerin Britta Lorenz, obwohl es vor der Saison noch hieß, es würde das letzte Jahr der Managerin. Doch das scheint nicht mehr in Stein gemeißelt zu sein.

Schließt sich der Kreis?

"Susann Müller hat gesagt, sie wird nur verlängern, wenn ich weiter mache. Wenn das der Preis ist, dann mache ich das vielleicht. Mir macht es gerade wieder richtig Spaß, weil ich merke, dass die Spielerinnen besser werden und dass auch alle wollen", offenbart Britta Lorenz das Werben ihrer Trainerin. Eine Entwicklung, die sie mit Müllers Verpflichtung vor 100 Tagen erst selbst angestoßen hat.

Sendung: rbbUM6, 23.12.2019, 18:15 Uhr

Beitrag von Lorenz Schalling

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Pal Dardai
IMAGO/Matthias Koch

Hertha empfängt den Club - Topspiel im Tabellen-Niemandsland

Hertha und der 1. FC Nürnberg zeigen bislang einen ähnlichen Saisonverlauf. Nach Aufs und Abs stecken beide jungen Teams im Mittelfeld der Tabelle fest. Doch nach dem furiosen 5:2-Sieg gegen Schalke schöpfen die Berliner noch einmal Hoffnung.