Kampfsieg gegen Augsburg - Union bleibt Fischers Fußball treu
Beim ersten Sieg in der Rückrunde besinnt sich Union seiner Stärken. Urs Fischers Mannschaft ist noch lange nicht entzaubert. Im Abstiegskampf wird sich die Spielweise der Berliner in der Rückrunde nicht ändern. Von Till Oppermann
Eigentlich hatte Marvin Friedrich Neven Subotics Führungstreffer unter der Woche schon beschworen: "Wir Verteidiger müssen noch mehr Torgefahr ausstrahlen." Besonders einen der Trimmel-Standards könne man mal wieder verwerten. Kurz nach Wiederanpfiff ist es dann soweit. Nach einer Ecke, bei der Augsburgs Keeper Tomas Koubek durch den Strafraum irrt, schiebt der Routinier am zweiten Pfosten ein. "Es war schön, dass es das 1:0 war in einem sehr wichtigen Spiel", kommentiert Subotic. Das Tor kündigt eine bessere zweite Halbzeit an.
Kein "positiver Abenteuerfußball"
Das Duell der beiden Bundesliga-Teams mit den höchsten Fehlpassquoten war im ersten Durchgang nämlich alles andere als ein Leckerbissen. Der Rückkehr des passsicheren Keven Schlotterbeck und allen Beteuerungen, mehr spielerische Lösungen suchen zu wollen, zum Trotz, schlug Union quasi jeden Ball lang. Dem standen die Augsburger in nichts nach. Neven Subotic gibt zu: "Wir haben unseren Fokus sicher nicht auf positiven Abenteuerfußball gelegt."
So entwickelte sich auf einem seifigen Platz eine sehr zähe Begegnung. Teilweise wirkte es sogar so, als sei Union im eigenen Ballbesitz nur daran interessiert, irgendwie eine Ecke herauszuholen. "Wir wussten, dass es nicht einfach ist, der Rasen ist neu verlegt, jeder Fußballer kennt das", bemerkt Christopher Trimmel entschuldigend.
Unions Standards bleiben Spitze
Am Ende gewinnen die Köpenicker trotzdem 2:0. Das hat mehrere Gründe, wie beispielsweise die kompakte und konzentrierte Defensive, Unions Laufstärke, gefährliche Standards und Körperlichkeit. Bei Subotics Tor gelingt es, eine der größten Stärken der Hinrunde auszuspielen. Es war der insgesamt zehnte Treffer nach einer Standardsituation. 45% Prozent der Tore der Fischer-Elf fallen nach einem ruhenden Ball. Das ist Ligaspitze. Der Mannschaft und dem Trainer stellt das ein gutes Zeugnis aus. Natürlich ist Union technisch limitiert. Umso wichtiger ist die konzentrierte Trainingsarbeit, die besonders die Eckbälle von Kapitän Trimmel so gefährlich macht. Der freut sich: "Es ist schön, dass das immer wieder funktioniert. Da muss alles klappen und jeder muss seine Wege gehen." Urs Fischer legt sehr viel Wert darauf, die Abläufe genau einzustudieren, weil er weiß: "Ein Standard kann das Spiel in die richtigen Bahnen lenken, das 1:0 war sehr wichtig."
Der Ruhepol aus Zürich
Nach vier sieglosen Spielen und drei Niederlagen in Serie war klar, dass das Ergebnis gegen Augsburg für den weiteren Saisonverlauf sehr wichtig sein wird. Manche behaupteten schon, Union sei entzaubert, die auf Kampf und lange Bälle ausgelegte Taktik antiquiert. Nach der Verpflichtung des Edeltechnikers Yunus Malli wurde gemutmaßt, Fischer würde seinen Plan zumindest anpassen. Schließlich hatte er in Spanien vermehrt am Kurzpassspiel in eigenem Ballbesitz gearbeitet. Doch schon im sonnigen Campoamor ließ er durchblicken, dass die Berliner ganz genau wissen, was sie auszeichnet: "Du solltest zwischendurch mal an deinen Schwächen arbeiten, es aber auch nicht übertreiben. Sonst verlierst du deine Stärken."
Union wird sich treu bleiben
Mit diesen Stärken ist weiter zu rechnen. Wegen der langen Bälle wird Union weiter die meisten Kopfballduelle führen, die Mannschaft wird auch eine der laufstärksten der Liga bleiben und - das beweisen 18 Fouls und vier gelbe Karten gegen Augsburg - weiter versuchen, dem Gegner wehzutun, um gefährliche Situationen zur Not auch unfair im Keim zu ersticken. Fischer freut's: "Das ist unsere Spielweise, so definieren wir uns, das ist unser Gesicht und das müssen wir beibehalten", sagt der Schweizer und beschreibt das Rezept seiner Truppe treffend: "Wir versuchen vieles über Organisation, Zweikampfstärke, auch mal einen langen Ball, die zweiten Bälle und schnelles Umschaltspiel." Auf dieser Basis kann dann auch etwas feiner gespielt werden. So etwa bei Marcus Ingvartsens 2:0, als der Däne die Kugel nach einem klugen Querpass von Andrich elegant ins lange Eck schlenzte.
Gikiewicz verdient sich Extralob
Dass am Ende mal wieder die Null steht, ist Rafal Gikiewicz zu verdanken. Der Pole sammelte am Samstag weitere Argumente für die Vertragsverhandlungen mit Oliver Ruhnert gesammelt und sich sogar ein Extralob verdient: "Die letzten 20 Minuten standen wir sehr sehr tief, wenn der Gegner da Druck erzeugt, braucht es auch mal Rafa Gikiewicz", sagt Urs Fischer.
Nachdem in den vergangenen Wochen alle Konkurrenten gepunktet haben, ist der Sieg gegen die Fuggerstädter besonders wichtig. Gerade weil Fischers auswärtsschwache Equipe nun zweimal in der Fremde antreten muss. Von den Gegnern möchte der Trainer allerdings nichts hören: "Schau auf dein Spiel, mach deine Hausaufgaben, dann siehst du am 34. Spieltag, wo du stehst."
Sendung: rbb UM6, 26.01.2020, 18 Uhr