Teamcheck | 1. FC Union Berlin - Eiserner Kurs auf den Klassenerhalt

Fr 10.01.20 | 06:22 Uhr | Von Stephanie Baczyk
Gute Laune bei Union Berlin im Trainingslager - hier nach einem Testspiel-Tor. / Matthias Koch
Bild: Matthias Koch

Abdrehen verboten: der 1. FC Union ackert sich bedächtig durch die erste Bundesligasaison der Vereinsgeschichte. Zuhause in Köpenick holt der Klub die wichtigen Punkte - und hofft, auch über den Sommer hinaus wichtige Spieler halten zu können. Von Stephanie Baczyk

So lief die Hinrunde

Um im Sprachgebrauch von Unions Coach Urs Fischer zu bleiben: Schlussendlich echt gut. Die Eisernen haben eisern gehamstert, 20 Punkte gesammelt. Für einen Aufsteiger eine starke Ausbeute. Stark auch, wie die Köpenicker das 0:4 zum Auftakt gegen RB Leipzig, ihr erstes Bundesligaspiel, wegsteckten und seitdem gerade zuhause die Großen der Liga ärgern. An der vor Fanliebe überbordenden, immer lauten und ausverkauften Alten Försterei verloren Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, die in dieser Saison alle verblüffenden, coolen Freiburger - und Stadtrivale Hertha BSC.

Gegen die Berliner aus dem Westteil der Stadt behielt Union die Nerven, trotz Leuchtraketen aus dem Gästeblock inklusive Spielunterbrechung. Stürmer Sebastian Polter traf per Strafstoß. In der 90. Minute. Vor der eigenen Kurve. Eine Szene, sinnbildlich für die Hinrunde der Eisernen: Emotional und märchenhaft.

Köpenick ist eine Bank. Wichtig, denn von ihren Reisen haben die Unioner bislang nur fünf Punkte mitgebracht. Ruhig bleiben sie trotzdem. Immer. Trainer Fischer macht es vor, alle ziehen nach. Und weil beim 1. FC Union keiner abdreht bei wahlweise fünf Siegen oder drei Niederlagen in Folge, läuft’s. Apropos Laufen. Das gehört im Spiel zum eisernen Equipment. In rauen Mengen. Genauso wie Zweikampfhärte, viel Leidenschaft, hohe Bälle und ne gute Chancenverwertung. Unions Werkzeugkasten ist gut bestückt. Wie der Kader.

Wer kommt, wer geht

Coach Fischer hatte bis zur Winterpause 32 Mann am Start. Hat sich gelohnt, denn bislang haben die Eisernen verletzungsbedingte Ausfälle wie den von Mittelfeldrenner Grischa Prömel (Patellasehnenprobleme), Flügelspieler Akaki Gogia (Kreuzbandriss) oder Innenverteidiger Keven Schlotterbeck (Knieverletzung) locker und adäquat wegstecken können.

So weit, so gut, aber der ein oder andere Profi will mehr Einsatzzeit. Defensivspieler Nicolai Rapp versucht es erst einmal in der Zweiten Liga bei Darmstadt 98, ist bis Saisonende an die Lilien ausgeliehen. Publikumsliebling Sebastian Polter kommt im Sturm aktuell nicht an Sebastian Andersson vorbei, ist unzufrieden. Ein Wechsel im Winter oder kommenden Sommer ist nicht ausgeschlossen.

Überhaupt laufen nach der Saison 15 Verträge aus, darunter die von Keeper Rafal Gikiewicz und 8-Tore-Mann Andersson, der eine starke Hinrunde abgeliefert und auf sich aufmerksam gemacht hat. Unions Manager Oliver Ruhnert betonte jüngst im Trainingslager im spanischen Jerez de la Frontera, dass zwar kein Spieler unverkäuflich, er aber "relativ entspannt" sei, was den Vertrag des Schweden betrifft.

Der Trainer

Relaxed ist auch Coach Urs Fischer. Seine Schweizer Ruhe überträgt sich auf’s Team, erfahrene Bundesligaprofis wie Christian Gentner und Neven Subotic schätzen seine Art. Fischer ist kein Zampano, ein bodenständiger Typ. Er steht für Arbeiterfußball, setzt in Köpenick auf ordentliche Laufarbeit und Zielstrebigkeit im Spiel nach vorne. Das kommt an. Bei Union haben sie vor einiger Zeit Fischers Vertrag verlängert, im Dezember ist er als Berlins Trainer des Jahres mit einem goldenen Bären geehrt worden. Und die Fans? Die feiern sein Schwitzerdütsch. Das Wörtchen "schlussendlich" ist auf dem besten Weg Kult zu werden. Fischer sei Dank. To be continued.

Erwartungen an die Rückrunde

Der Plan ist simpel: die Eisernen wollen die zweite Saisonhälfte taktisch flexibler angehen. Coach Fischer hat im Trainingslager beispielsweise die Viererkette in der Abwehr recycelt, will eine funktionierende Alternative zur eingespielten Dreierkette schaffen. Und: beim 1. FC Union sind sie realistisch, wissen genau, dass die Gegner in der Bundesliga den leidenschaftlich vorgetragenen Köpenicker Kratz-Fußball aus der Hinrunde zur Kenntnis genommen haben, sich vielleicht anders darauf einstellen werden. Aber fest steht auch: mit dem richtigen Mix aus Einsatz und Kaltschnäuzigkeit ist der Klassenerhalt drin. Schlussendlich.

Sendung: Inforadio, 09.01.2020, 12:15 Uhr

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