Interview | Ex-Unioner Toni Leistner - "Ich erfülle mir gerade meinen Traum"

Mi 15.01.20 | 18:24 Uhr
Toni Leistner (rechts) grätscht im Spiel seiner Queens Park Rangers gegen Nottingham Forrest. Bild: imago/PA Images
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Vor eineinhalb Jahren verließ Toni Leistner Union Berlin, um in England sein Fußballglück zu finden. Seitdem spielt der 29-jährige in der zweiten Liga bei den Queens Park Rangers. Den Weg von Union verfolgt er trotzdem weiter.

rbb|24: Herr Leistner, wie geht es Ihnen - während die Fußballprofis in Deutschland ja zuletzt Urlaub und dann Trainingslager in der Sonne hatten, standen bei Ihnen zwischen den Jahren drei Spiele in sieben Tagen auf dem Programm…

Toni Leistner: Ja, das war sehr anstrengend. Es waren, wie letztes Jahr auch schon, viele Spiele. Ich habe mich dann am 1. Januar leicht verletzt und das letzte Ligaspiel (Anm. d. Red.: gegen Brentford) verpasst. Das sollte jetzt am Wochenende aber wieder gehen. Ist auf jeden Fall etwas anderes hier und schon eher eine stressige Zeit. An Weihnachten habe ich letztes Mal nicht so ganz drauf geachtet, da habe ich jetzt beim zweiten Mal schon etwas professioneller gelebt, sage ich mal.

Sie stehen mit den Queens Park Rangers im Mittelfeld der Tabelle. Kurze Erklärung für Leser, die den englischen Fußball nicht regelmäßig verfolgen: Wo kann und soll es in dieser Saison noch hingehen?

Zwischendurch hatten wir mal die Chance, auf Platz zwei zu springen. Seitdem ging es ein bisschen bergab, auch weil wir viele individuelle Fehler gemacht haben – Torwartfehler und vorne einige Chancen nicht genutzt. Fußballerisch sind wir definitiv eines der besseren Teams in der Liga. Das hat man jetzt auch gesehen: Am 1. Januar haben wir Cardiff City, die letztes Jahr aus der Premier League abgestiegen sind, mit 6:1 abgeschossen, danach Swansea mit 5:1 im Pokal. Also da ist auf jeden Fall Qualität in der Mannschaft, es fehlt nur noch etwas die Konstanz, weil wir viele junge Spieler haben.

Was ist denn am englischen Fußball im Vergleich zum deutschen anders - ist er so hart, wie man immer sagt?

Es ist schon nochmal körperlicher. Die Qualität ist meiner Meinung nach höher – wenn man  sieht, was hier für Spieler und Trainer in dieser Liga sind, was für große Vereine. Das macht schon echt viel Spaß, sich mit denen zu messen.

Von den Fans haben Sie sogar einen eigenen Song bekommen, oder?

(lacht) Ja, "big fucking german" – ich glaube, den Song hatte Sebastian Polter auch schon, den haben sie mir dann einfach auch gegeben. Ich finde es schön. Wenn man hier alles reinwirft auf dem Platz, dann honorieren die Fans das auch und deswegen haben sie mir den Song übertragen.

Nehmen Sie das während des Spiels überhaupt war, wenn ihr Song gesungen wird, oder sind Sie da so fokussiert, dass Sie den auch nur aus Youtube-Videos kennen?

Das nimmt man schon wahr. Gerade weil hier insgesamt nicht so viel gesungen wird, wie in Deutschland. Wenn dann mal so ein Lied gesungen wird, dann nehme ich das schon wahr. Gerade wenn man ein schönes Tackling gemacht hat oder einen Ball gut geklärt hat, dann wird man hier mehr gefeiert als in Deutschland.

Toni Leistner (rechts) im Zweikampf mit Sebastian Polter (links) während einer Trainingseinheit von Union Berlin. Bild: imago/Matthias KochZiemlich beste Freunde: Sebastian Polter (links) und Toni Leistner im Zweikampf während eines Trainings bei Union Berlin im Frühjahr 2017.

Sie sprechen die Stimmung an – vermissen Sie da manchmal das Stadion an der Alten Försterei, dort sind die Fans ja sehr gesangsstark…

Klar vermisst man das. Da wurde ja wirklich 90 Minuten gesungen und Stimmung gemacht. Hier ist es eher so, dass nach einzelnen Szenen mal applaudiert oder gesungen wird. Klar gibt's auch Stadien, wie zum Beispiel bei Nottingham Forrest, wo dann auch viel gesungen wird, aber das ist eher eine Ausnahme. Hier gehen die Fans eher zum Fußballgucken ins Stadion, als um mit Gesängen die Mannschaft zu supporten.

Verfolgen Sie den Weg von Union denn noch?

Auf jeden Fall, ja! Mein bester Freund (Sebastian Polter, Anm. d. Red) spielt schließlich da. Wenn es möglich ist, dann schaue ich mir jedes Union-Spiel an. Deswegen bin ich echt glücklich, wie die Hinrunde gelaufen ist und drücke natürlich auch für die Rückrunde die Daumen. Auch da werde ich versuchen, jedes Spiel zu sehen.

Sind Sie denn manchmal wehmütig, dass Sie den Aufstieg und das Gefühl, 1. Bundesliga zu spielen, mit Union nicht mehr erlebt haben?

Ehrlich gesagt nicht, darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Ich wollte mir immer meinen Traum erfüllen und den erfülle ich mir gerade. Klar wäre es auch schön gewesen, mit Union, in der Bundesliga zu spielen, aber man kann im Leben nicht alles haben.Deswegen gibt es da keine Wehmut, wenn ich auf den Aufstieg schaue und dass ich da nicht dabei war. Ich bin glücklich hier.

Machen Sie sich jetzt, so eineinhalb Jahre vor Vertragsende, schon Gedanken darüber, wie es danach weitergeht. Wollen Sie sich nochmal einen anderen Verein suchen, oder länger bei den Queens Park Rangers bleiben?

Also es war im Sommer ja schon so, dass ich mir Gedanken machen musste. Nicht meinetwegen, ich wollte den Verein nicht verlassen, aber der Verein ist durch das "Financial Fair Play" in England gezwungen geworden, höher bezahlte Spieler von der Gehaltsliste runter zu bekommen. Das hat man mich im Sommer mal kurz spüren lassen. Aber im Moment mache ich mir da keine Gedanken. Ich bringe meine Leistung, der Trainer hat auch schon gesagt: Es würde nicht an der Leistung liegen, sondern wenn, dann am Geld. Aber jetzt im Winter will mich keiner verkaufen und im Sommer lasse ich mich mal überraschen.

Ein 1:1 wäre schon was Feines gegen so einen Top-Favoriten.

Toni Leistner zu Unions Rückrundenauftakt in Leipzig.

Die Queens Park Rangers sind ja auch ein Verein, bei dem es in der Vergangenheit schon mal turbulent zuging. Der Verein gehört gleich drei Besitzern. Kriegt man das als Spieler mit und ist es da vielleicht auch mal unruhiger als bei einem traditionell geführten Verein?

Ja, also jetzt nicht unruhig, aber es ist schon komplett was Anderes. Wenn bei Union zum Beispiel der Präsident Dirk Zingler immer da ist, immer präsent, dann merkt man das schon. Hier sind halt Besitzer und ich glaube, der eine hat sich noch nicht ein Spiel in dieser Saison angeschaut. Ich mag es persönlich etwas lieber, wenn einer der was zu sagen hat, in der Nähe ist.

Union startet jetzt am Wochenende (Samstag, 18.30 Uhr) bei Herbstmeister RB Leipzig. Was denken Sie ist da drin für Ihre alten Kollegen?

Also wenn sie so auftreten wie gegen Dortmund und Bayern, dann könnten sie vielleicht was holen. Aber Leipzig ist diese Saison echt extrem stark. Wenn ich mir das Hinspiel angucke, da war Union mit dem 4:0 eigentlich noch gut bedient. Es war allerdings auch das erste Bundesligaspiel, da waren vielleicht alle noch etwas nervöser als in den anderen Spielen. Also ich würde mich über einen Punkt freuen, ein 1:1 wäre schon was Feines gegen so einen Top-Favoriten.

Schafft Union den Klassenerhalt?

Ich denke ja. Mit den Fans im Rücken ist alles möglich. Es wird vielleicht eng, aber sie schaffen es. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Simon Wenzel, rbb Sport

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