Urs Fischer zwei Jahre bei Union Berlin - Schweizer Ruhepol als Erfolgsgarant

Mi 01.07.20 | 11:49 Uhr | Von Jonas Bürgener
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Urs Fischer auf einer Pressekonferenz nach der ersten Bundesliga-Saison von Union Berlin. Quelle: imago images/Matthias Koch
Bild: imago images/Matthias Koch

Urs Fischer feiert bei Union Berlin sein zweijähriges Dienstjubiläum. Unter seiner Regie spielen die Köpenicker äußerst erfolgreich. Dem Aufstieg in die Bundesliga folgte der souveräne Klassenerhalt. Fischer überzeugt mit einem ruhigen Führungsstil und taktischen Kniffen. Von Jonas Bürgener

Mit Stereotypen sollte man in der Regel vorsichtig sein. Zu einfach können die voreiligen Klischeebilder und Verallgemeinerungen widerlegt und entkräftet werden. Und doch treffen sie in manchen Fällen den berühmten Nagel auf den Kopf. Über Schweizer heißt es, sie seien ruhig, gemütlich, ja, fast schon langsam. Unions Trainer Urs Fischer, geboren in Triengen, einer beschaulichen Gemeinde im Schweizer Kanton Luzern, beschreiben diese Charakterzüge ziemlich treffend.

Stoisch ruhig gibt sich der 54-jährige Fußballlehrer auf Pressekonferenzen, bei Treffen mit Fans und an der Seitenlinie. Stets freundlich, aber zurückhaltend. Was manch einer im hektischen und quietschbunten Fußball-Geschäft vielleicht als hinderliche oder anstrengende Eigenschaft interpretieren würde, zeichnet Fischer aus. Es macht ihn persönlich erfolgreich und hat auch den 1. FC Union in den letzten beiden Jahren erst in der 2. und jetzt in der 1. Bundesliga glänzen lassen. Ruhe und Gelassenheit sind das Erfolgsrezept der Köpenicker unter Trainer Urs Fischer.

Ewiger Lern- und Arbeitsprozess

"Schlussendlich Klassenerhalt" stand auf den T-Shirts, die pünktlich zum rettenden Spiel gegen Paderborn gedruckt wurden. Schlussendlich. Ein Wort, das Fischer gerne benutzt und an dem man sich bei Union Berlin in der jetzt zweijährigen Amtszeit des Schweizers freudig orientiert. Es zählt das finale Ergebnis, der Tabellenplatz am Ende einer Saison. Alles, was davor passiert, wird als Teil eines ewigen Lern- und Arbeitsprozesses gesehen.

Ganze sieben Bundesligaspiele am Stück waren die Köpenicker in der zweiten Rückrundenhälfte in dieser Saison sieglos und rutschten so wieder zurück in den Abstiegskampf. Was bei vielen Vereinen Schnappatmung und aktionistische Reaktionen hervorgerufen hätte, ließ Union kalt. Urs Fischer wehrte sich gegen jegliche Unruhe, die von außen an seine Mannschaft herangetragen wurde und verteidigte sein Team und dessen Leistung, wo es nur ging. Immer wieder betonte der Schweizer, dass das große Ziel Klassenerhalt weiter aus eigener Kraft zu erreichen sei. Und dass seine Schützlinge nur ruhig und konzentriert weiterarbeiten müssten. Schlussendlich behielt er Recht.

In der Heimat immer unterschätzt

Mit 41 Punkten landete der 1. FC Union auf dem elften Tabellenplatz in der Fußball-Bundesliga. Eine Leistung und Platzierung, auf die im Verein und im Umfeld des Klubs vor der Saison wohl nur die Wenigsten gewettet hätten. "Dass uns der Klassenerhalt auf diese Art und Weise gelingt, damit war wirklich nicht zu rechnen", sagte Kapitän Christopher Trimmel zuletzt. Manager Oliver Ruhnert, mit dem Fischer in seinen zwei Union-Jahren insbesondere bei der Kaderplanung gemeinsam die richtigen Entscheidungen getroffen hat, lobte den Trainer nach dem Klassenerhalt in den höchsten Tönen: "Alle sind mit den Ergebnissen seiner Arbeit hoch zufrieden, dem Unaufgeregten".

Da ist es wieder: das Unaufgeregte, das Entschleunigte. Dabei dürften Ruhnert die Leistungen der Unioner in dieser Saison gar nicht so sehr überrascht haben, wie viele andere. Der 47-Jährige weiß, zu welch besonderen Leistungen Fischer eine Mannschaft treiben kann.

Union galt als "unaufsteigbar"

Bereits in der letzten Saison bewies der damals im deutschen Fußball noch unbekannte Trainer, dass seine Art beim Verein im Berliner Südosten erfolgreich sein kann. Jahrelang scheiterten die Eisernen immer wieder auf der Schwelle zum Fußball-Oberhaus, galten gar als "unaufsteigbar". Und auch in der letzten Saison strauchelte Union im Saison-Endspurt gewaltig. Doch nervös wurden sie auch damals nicht.

Fischer, der 2018 vom FC Basel nach Berlin kam und in seiner Heimat immer ein wenig unterschätzt wurde, führte die Mannschaft und den Verein erfolgreich durch die nervenaufreibende Relegation gegen den VfB Stuttgart. Als erst dritter Zweitligist nach der Wiedereinführung der Aufstiegsspiele in der Fußball-Bundesliga setzten sich die Köpenicker gegen den Erstligisten durch.

Fischer überzeugt als schlauer Fußballlehrer

Dass für einen solchen Erfolg, der im Anschluss sogar noch durch den souveränen Klassenerhalt getoppt wurde, mit einem kleinen Verein wie Union aber nicht ausschließlich eine ruhige Arbeitsweise genügt, ist nicht nur in Köpenick allen bewusst. Neben seinem besonnenen Führungsstil überzeugt Urs Fischer als schlauer Fußballehrer. Das wurde besonders zuletzt in den Spielen während der Corona-Krise deutlich.

Wie kaum ein anderer Verein schienen die Unioner nach dem Neustart durch das Fehlen der sonst oft spielentscheidenden Fans geschwächt. Doch Fischer und seine Elf bewiesen Flexibilität und überzeugten mit taktischen Kniffen. Zwar vertraute der Coach auch in dieser Saison über weite Strecken auf das kampfbetonte Spiel seiner Mannschaft mit langen Bällen und einer stabilen Hintermannschaft, kleine taktische Umstellungen sorgten aber immer wieder für Überraschung bei den Gegnern.

Gerade im so wichtigen Spiel gegen den 1. FC Köln, das für Union nach der langen Sieglos-Serie der Befreiungsschlag und die Wende im Abstiegskampf war, entschied sich Fischer für eine mutige taktische Umstellung. Aus der gewohnten Fünfer- machte er eine Vierer-Abwehr-Kette. In der entscheidenden Saisonphase durchaus ein Wagnis, das am Ende aber der Schlüssel zum Erfolg werden sollte.

Weiterentwicklung wird nötig sein

Es war das überzeugende Zeichen, dass Fischer eine Mannschaft auch fußballerisch anpassen und weiterentwickeln kann. Das wird in der nächsten Saison noch nötiger werden, als in der abgelaufenen Spielzeit. Mittlerweile dürfte auch der letzte Bundesliga-Verein festgestellt haben, dass man die Punkte in Köpenick nicht im Vorbeilaufen mitnimmt - große Klubs wie Borussia Dortmund oder Borussia Mönchengladbach mussten das schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Für die Etablierung in der ersten Liga werden Union Berlin und Urs Fischer den nächsten Schritt gehen müssen.

Doch eine Entwicklung voranzutreiben, dazu ist der Schweizer in der Lage. Das hat er bewiesen. Mit Ruhe und Besonnenheit.

Beitrag von Jonas Bürgener

7 Kommentare

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  1. 7.

    Hallo Greg,
    dieses finanzielle Hochschaukeln ist genaus daß, was mich stört. Die CL wird seit Jahren dominiert von 8 Clubs. Andere haben keine Chance, es sei denn Lord Dicke Hose macht mal ne halbe Milliarde locker. Der Schlüssel der TV - Gelder sollten gerecht an alle Vereine der 1. und 2. Liga verteilte werden. Dieses rein kapitalistische Leistungssytem führt dazu, daß die kommenden Jahre nur der FCB Meister wird. Mich interessiert die BL schon lange nicht mehr "oben"- Langeweile.
    LÖsung: salary cap / die TV-Gelder unter allen BL-Vereinen gleichmässig verteilen. die Liga ist EIN Produkt.
    Aber irgendwie geht das auch am Leitthema vorbei, denn es geht um UF

  2. 6.

    Zitat: " . . . und Anderson wechselt zu Schalke."

    Na ja, das bleibt abzuwarten - dafür müsste Laschet wohl die Spendierhosen anziehen . . . ;-) Aber klar, Anderson ist auch international begehrt und hat eine Ausstiegsklausel. Ich hoffe es zwar nicht, denke aber fast, dass er demnächst auf die Insel wechseln wird.

    Das zweite Jahr in der Buli wird richtig hart. Aber der FCU hat sehr fähige Leute in entscheidenden Positionen, die werden schon wieder was gutes 'fabrizieren'.

  3. 5.

    Also Union ist doch schon Meister in Tiefstapeln. Reicht doch.
    Bin mal auf das schwere zweite Jahr gespannt.
    Keine jungen Spieler und Anderson wechselt zu Schalke. Auch Ginkewitz und Polter sind weg.
    Da wird ein sehr guter Trainer, wie Urs Fischer, es sehr schwer haben die Klasse zu halten.

  4. 4.

    Ja sicher, es gibt nur einen Meistertitel in der Bundesliga zu vergeben. Aber wieviele Vereine treten denn mit dem realistischen Anspruch an, diesen zu erringen? Das sind neben dem FCB nur noch der BVB und zukünftig mglw. RBL. Dann folgen höchstens noch drei vier Clubs, die in die CL wollen. Der Rest der Liga will einfach das bestmögliche Erfebnis erzielen.

    Der FCU hat das Ziel den Klassenerhalt zu schaffen, wie so viele andere auch. Das ist ein realistischer Anspruch, den man mit viel guter Arbeit auch erreichen kann, denke ich. Dieses Klischee, das scheinbar bei nicht wenigen Fans der Blau-Weissen verhaftet ist, dass der FCU keine Ansprüche hat und dessen Fans nur feiern wollen egal was auf dem Platz passiert, ist absolut realitätsfern, Greg.

  5. 3.

    „ Die Union-Kultur sollten sich ale BL-Vereine auf die Fahne schreiben. “ Warum? BL ist Leistungssport, nicht Feierbühne. International kommt man mit Ihrer Einstellung nicht weit. Bitte keine Vorgaben manchen, wie andere sich zu verhalten haben, Danke. Bleibt Ihr mal bei der Feierunion. Ich sehe mehr auf Profifußball und Leistungsdruck. Es gibt nur einen Meistertitel.

  6. 2.

    Vielen Dank für den schönen Beitrag, Jonas Bürgener!

    Unser "Murmeltier" ;-) Urs Fischer ist schon eine ganz besondere Marke. Mit seinem Amtsantritt ist ein sehr positiver Geist in die Mannschaft eingezogen. Diese unaufgeregte Art, die er nach aussen verkörpert, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein ganz großer Motivator ist, der auch Spieler die selten bei Punktspielen zum Einsatz gekommen sind bei 'der Stange' gehalten hat.

    Ein großes Kompliment muss man auch Sportchef Oliver Ruhnert aussprechen, der nicht nur den Deal mit Urs Fischer, sondern auch jene mit für den Erfolg in dieser Saison ausschlaggebenden Spielern eingefädelt hat - ein ganz toller Mann!

  7. 1.

    Was das gesamte Team- auf dem Platz, an der Seitenlinie und in der Geschäftsstelle- erreicht hat verdient mehr als nur Respekt. Auch wie der Verein Spieler wie Rafa und Polter verabschiedet hat ist beispielhaft. Die Union-Kultur sollten sich ale BL-Vereine auf die Fahne schreiben. Unterhaltungsgeschäft sollte nicht mit dem Größenwahn in anderen Clubs einhergehen- stattdessen die Fans einbinden auf Nachhaltigkeit setzen.

    Für die neue Saison bin ich optimistisch, glaube jedoch, es wird viel schwerer werden. Und dann wird sich zeigen, wie Union reagiert, wenn man vielleicht ähnlich weit hinten ist, wie Paderborn diese Saison.

    Was UF angeht, hat er einen besonderen Platz in der Liste der Trainer des FCU - und das nicht nur, weil er BL- Aufstiegs- und BL-Nichtabgstiegstrainer ist.

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