Kaderplanung bei Hertha BSC - Zwischen Klasse und Masse

Fr 19.06.20 | 21:25 Uhr
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Hertha-Trainer Bruno Labbadia (imago images/Bernd König)
Bild: imago images/Bernd König

Auch wenn es zuletzt drei Niederlagen in Folge gab: Der Start von Bruno Labbadia bei Hertha BSC darf als geglückt gelten. Damit die Kurve auch in der nächsten Saison nach oben zeigt, benötigt Herthas Kader allerdings Korrekturen, findet Ilja Behnisch.

Was für eine Berg- und Talfahrt diese Saison 2019/20 war aus Sicht von Hertha BSC! Immerhin: Mit der Verpflichtung von Bruno Labbadia scheint Ruhe einzukehren rund ums Olympiastadion. Zudem hat Investor Lars Windhorst durchblicken lassen, weitere 150 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, die zumindest in Teilen in Transfers investiert werden sollen. Doch wo drückt der Schuh der Alten Dame? Wo kann Hertha noch frisches Blut gebrauchen und wo ist der Klub bereits "big" aufgestellt? Hier kommt der Kader-Check zur kommenden Saison, Position für Position.

Tor

Die Torwartposition ist die vielleicht am intensivsten diskutierte bei den Blau-Weißen in dieser Saison. Seit über sechs Jahren hütet der Norweger Rune Jarstein das Tor der Berliner - lange unumstritten und als klare Nummer eins. Das hat sich in dieser Saison geändert. Jarstein leistete sich diverse Patzer, den wohl kuriosesten in Leipzig (2:2) Ende Mai, als er sich einen bereits entschärft geglaubten Schuss selbst ins Netz löffelte. Zwischenzeitlich verlor er unter Interimstrainer Alexander Nouri sogar seinen Stammplatz an Thomas Kraft. Den wiederum werden mit Sicherheit viele Hertha- und Fußballfans mit dem Begriff "Mehrwert" in Verbindung bringen. Der wurde Kraft von Ex-Coach Jürgen Klinsmann abgesprochen - der Routinier aussortiert. Viel los im Kasten der Charlottenburger.

Wenig überraschend also, dass die Transfer-Gerüchteküche brodelt. Aber erstmal zu den harten Fakten. Der Norweger Jarstein hat noch einen Vertrag bis Juni 2021. Krafts Arbeitspapier wiederum läuft zum Ende der Saison aus und wird wohl nicht verlängert werden. Dritter Torwart war in der Saison 2019/20 der 21-jährige Dennis Smarsch. Ein Zugang auf der Torwartposition steht bereits fest: Nils Körber wird nach seiner Leihe zu Zweitligist VfL Osnabrück (sieben Einsätze in dieser Saison) nach Berlin zurückkehren. Heißt trotzdem: Hertha muss auf der Torwartposition definitiv etwas machen. Das Internetportal transfermarkt.de wartet auch gleich mit mehreren Namen auf, die für das Tor der Berliner in Frage kämen.

Kandidaten

  • Loris Karius (FC Liverpool)

  • Alexander Schwolow (SC Freiburg)

  • Gregor Kobel (VfB Stuttgart)

  • Sven Ulreich (Bayern München)

Innenverteidigung

Ein Prunkstück der Hertha. Mit dem deutschen Nationalspieler Niklas Stark (25), dem belgischen Nationalspieler Dedryck Boyata (29), dem U21-Nationalspieler Jordan Torunarigha (22) und dem vierfachen niederländischen Nationalspieler Karim Rekik (25) steht die Abwehrzentrale in jeder Hinsicht gut da. Zudem hat Trainer Bruno Labbadia mit Marton Dardai (18), Omar Rekik (18) und auch Florian Baak (21) noch jede Menge Talent in der Hinterhand. Demnach wäre es eher überraschend, sollte Hertha für die Innenverteidigung nach Neuzugängen Ausschau halten.

Außenverteidigung

Auf der linken Defensivbahn ist die Sache klar: Mit Maximilian Mittelstädt (23) und WM-2018-Fahrer Marvin Plattenhardt (28) verfügt die Alte Dame über zwei nahezu gleichwertige Linksverteidiger, die gehobenen Ansprüchen genügen. Da im Notfall noch Jordan Torunarigha aushelfen könnte, darf eine Neuverpflichtung hier nahezu als ausgeschlossen gelten.

Anders verhält es sich auf der rechten Abwehrseite, auf der seit dem Abgang von Valentino Lazaro im vorigen Sommer nie Konstanz reingekommen ist. Lukas Klünter (24) ist zwar einer der schnellsten Spieler der Bundesliga, aber sowohl in der Defensive als auch der Offensive zu unbeständig. Routinier Peter Pekarik macht seine Sache in der Rückwärtsbewegung zwar ordentlich und gilt als integrativer Charakter in der Kabine, ist aber bereits 33 Jahre alt und in der Offensive nicht die ersehnte Unterstützung. Da hat Dortmund-Leihgabe Marius Wolf seine Qualitäten. Doch ob der 25-Jährige, der zudem häufig verletzt ausfiel, auch nach der Saison überhaupt noch zum Kader gehört, ist zweifelhaft. Kein Wunder also, dass Hertha bereits mit Neuverpflichtungen in Zusammenhang gebracht wird.

Kandidaten

  • Deyovaisio Zeefuik (FC Groningen)

  • Clinton Mata (FC Brügge)

Zentrales Mittelfeld

In den Abteilungen "Balleroberung" und "Stratege" ist der Klub ähnlich gut aufgestellt wie in der Innenverteidigung. U21-Nationalspieler Arne Maier (21) gilt trotz einiger Unstimmigkeiten mit Ex-Trainer Jürgen Klinsmann als einer der besten Spieler seiner Altersstufe, wenn es um die so wichtige Position des Mittelfeldlenkers geht. Der zweifache argentinische Nationalspieler Santiago Ascacibar (23) als ein herausragender Abräumer.

Komplettiert wird das zentrale Mittelfeld von Dauerläufer Vladimir Darida (29), der unter Bruno Labbadia wieder aufblühte und gehobenen Bundesliga-Durchschnitt besitzt. Liverpool-Leihgabe Marko Grujic, Shooting-Star der Vorsaison, wird als Spielertyp durch den aus Lyon nach Berlin kommenden, französischen U21-Nationalspieler Lucas Tousart (23) ersetzt, der bereits auf 15 Champions-League-Einsätze verweisen kann und dessen 25-Millionen-Transfer ein ordentliches Achtung in den europäischen Fußball stellte. Gut möglich also, dass Hertha hier nicht tätig wird und wenn, dann in Form eines Perspektivspielers, der den Kaderplatz von Per Skjelbred (33) einnimmt, den es zurück in die norwegische Heimat zieht.

Offensives Mittelfeld

Ondrej Duda (25) kehrt von seiner Leihe beim Premier-League-Klub Norwich City zurück. Dort hat der Slowake zwar bisher alle sieben möglichen Spiele absolviert. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass die "Canaries" aus Ostengland in die zweite Liga absteigen werden. Eine Weiterverpflichtung ist daher fraglich. Ebenso, ob Duda der ambitionierten Hertha weiterhelfen könnte. Zwar ist Duda durchaus torgefährlich, als Vorlagengeber jedoch zu harmlos. Hier könnte Hertha also durchaus tätig werden.

Nicht umsonst gab es in der Vergangenheit Gerüchte um die Verpflichtung der Weltmeister Julian Draxler (Paris St. Germain) oder Mario Götze (Borussia Dortmund, Vertrag läuft aus), die sich jedoch als wenig haltbar erwiesen. Dass Hertha auf das hoch gehandelte Talent von Eigengewächs Lazar Samardzic (18) setzt oder sich damit begnügt, Winter-Neuzugang Matheus Cunha (21) hinter die Spitzen zu stellen, darf bezweifelt werden.

Flügelspieler

Auf den offensiven Außenpositionen gilt: Viel Masse, zu wenig Klasse. Zwar hat der immer wieder abgeschriebene und zuletzt wieder berücksichtigte Alexander Esswein (30) sowohl Tempo als auch Zug zum Tor, diese Qualitäten aber zu selten konstant abgerufen. Gleiches gilt für Matthew Leckie (29), der bereits angekündigt hat, nach der Saison eine neue Herausforderung suchen zu wollen. Althauer Salomon Kalou (34) spielt nicht nur wegen seines verunglückten Livevideos keine Rolle mehr, auch sein Vertrag läuft in diesem Sommer aus.

Bleibt Linksaußen Javairo Dilrosun (21), der in Berlin zum niederländischen Nationalspieler wurde, danach aber in ein Formtief rutschte und immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hat. Und Dodi Lukebakio (22), der in dieser Saison zwar auf bisher zwölf Scorerpunkte kommt, aber womöglich im Sturmzentrum besser aufgehoben ist. Kurzum: Sollte Hertha den Angriff auf die europäischen Plätze nachhaltig avisieren, besteht hier dringend Handlungsbedarf, sowohl auf der linken als auch auf der rechten Bahn.

Sturmzentrum

Ob der auslaufende Vertrag von Mannschaftskapitän Vedad Ibisevic (35) nochmals verlängert wird, ist noch unklar. Dass er dem Spiel von Hertha BSC durchaus noch etwas beisteuern kann, beweisen die fünf Torbeteiligungen in den letzten sieben Spielen. Allerdings hat der Klub mit Winterneuzugang Krzysztof Piatek (24) einen ganz ähnlichen Spielertypen verpflichtet, der zudem bereits bewiesen hat, in die Fußstapfen des "Vedators" treten zu können. Vielmehr als das hat der umtriebige Matheus Cunha bereits aufgezeigt. Der Brasilianer könnte zukünftig nicht nur bei der Hertha, sondern auch in der gesamten Bundesliga zu einer Attraktion werden.

Ob die Talente Muhammed Kiprit (20), Jessic Ngankam (19) und Daishawn Redan (19, ausgeliehen an den FC Groningen) bereits über genug Qualitäten verfügen, als Backup eine dauerhafte Alternative zu sein, ist objektiv nur schwer zu bewerten. Bei Pascal Köpke (24) ist diese Frage eher zu verneinen. Gut möglich also, dass Hertha noch einen gestandenen Stürmer verpflichtet, der sich mit der Reservisten-Rolle anfreunden kann. Oder aber mit Ibisevic verlängert.

Sendung: rbb UM6, 19.06.2020, 18:15 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    Charlottenburg Wilmersdorf gibt es.
    West End liegt im Stadtteil Charlottenburg.

  2. 4.

    Um das noch zu ergänzen. Es gibt keinen Bezirk „Charlottenburg“ mehr. Und da Hertha in Westend sitzt und spielt müsste es wenn schon „Westender“ heißen. Der RBB ist ja auch in Westend und nicht in Charlottenburg.

  3. 3.

    Hertha BSC wurde (vermutlich) im Wedding gegründet, trug die Heimspiele unter anderem im Wedding, in Reinickendorf, in Moabit aus. Hertha spielt seit den 60ern hauptsächlich im Olympiastadion, der gesamte Verein zog erst deutlich später, in den 90ern, nach Charlottenburg. Es handelt sich um einen Berliner Verein. Bitte daher nicht von den "Charlottenburgern" schreiben. Das wird der Identität des Vereins nicht gerecht. Auf Teufel komm' raus wird versucht, den Bezirksgegenteil zu Union herzustellen, auch wenn ein einzelner Bezirk Herthas Identität nicht gerecht wird. Es muss nicht alles gleich gemacht werden, die Identitäten der beiden aktuell erfolgreichsten Vereine der Stadt haben sich nun mal verschieden entwickelt.
    Ansonsten ist der Artikel allerdings gut recherchiert und sachlich.

  4. 2.

    Wow, ein richtig fundierter und sachlicher Bericht über Hertha, ich staune und freue mich zugleich, Daumen hoch :)

  5. 1.

    Omlin ist auch ein Kandidat fürs Tor und persönlich mein Wunschkandidat.

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