Interview | Ulf Baranowsky, Vereinigung der Vertragsfußballspieler - "Die sollen dann auf Minijob-Basis spielen"

Sa 01.08.20 | 14:24 Uhr
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Symbolbild: Eine Bundesliga-Mannschaft beim Training. (Quelle: imago images/A. Nickl)
Audio: Inforadio | 02.08.20 | 10:15 Uhr | Nikolaus Hillmann | Bild: imago images/A. Nickl

Langsam starten auch die Teams aus der 1. und 2. Bundesliga mit den Vorbereitungen auf die neue Saison, an den Kadern wird mit Hochdruck gebastelt. Am Ende werden aber bei weitem nicht alle Profis einen Vertrag haben. Ulf Baranowsky erklärt, wie seine Gewerkschaft hilft.

rbb|24: Ulf Baranowsky, so langsam starten die Klubs auch in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga wieder mit der Vorbereitung. Allerdings gibt es gerade in den niedrigeren Ligen viele Spieler, die vertragslos und somit ohne Job sind. Wie sieht die Situation in der Corona-Krise derzeit aus?

Ulf Baranowsky: Das ist eine sehr problematische Situation - in der Dritten Liga, aber auch in den fünf Regionalliga-Staffeln. In diesen Spielklassen sind die meisten Spieler auch Profis oder zumindest Halb-Profis. In diesem Bereich haben wir insbesondere viel mit Kurzarbeit bei Spielern zu tun. Da wurden die Akteure in den Regionalligen schon besonders hart getroffen. Wenn jemand auf einmal nur noch 780 Euro bekommt, von denen er dann leben muss als Kurzarbeitergeld, ist das schon eine Kröte, die nicht einfach zu schlucken ist. Aufgrund der unklaren Situation, wann zum Beispiel wieder Zuschauer zugelassen werden, ist die Lage auch weiterhin so. Die Klubs müssen einfach vorsichtig kalkulieren. Wo zuletzt vielleicht noch hauptberufliche Spieler eingestellt wurden, wird heute bei Neuverpflichtungen tendenziell eher auf bezahlte Feierabendkicker gesetzt. Die sollen dann auf Minijob-Basis spielen. Wir nehmen Tendenzen der Deprofessionalisierung wahr, das ist nicht gut.

Gibt es denn schon genaue Zahlen, wie viele Spieler von den Sparmaßnahmen in den unteren Ligen betroffen sind?

Nein, genaue Zahlen liegen noch nicht vor. Da müssen wir auch erst noch ein bisschen abwarten, wie es weitergeht. Die Saison beginnt zwar erst verspätet, wir starten aber trotzdem recht früh mit unserem VdV-Proficamp (Trainingslager für vertragslose Fußball-Profis, Anm. d. Red.), um die Jungs bestmöglich vorzubereiten und ihnen die besten Chancen zu geben, um wieder einen Job zu ergattern. Wenn es natürlich so ist, dass die Kader verkleinert werden und aus Vollzeit- Teilzeitstellen werden, wird es für alle natürlich nicht einfacher. Die Konsequenz wird sein, dass geschaut werden muss, ob sich der eine oder der andere nicht früher als gewünscht in einen Alternativberuf begibt.

Sie haben das Sommercamp für vertragslose Spieler schon angesprochen. Was genau ist das und wie funktioniert es?

Die Spieler werden wie in einer ganz normalen Vorbereitung bei einem Verein trainiert. Sie kommen zu uns in die Sportschule Wedau, als Cheftrainer haben wir Peter Neururer - einen der besten und bekanntesten Trainer in Deutschland. In der Regel gibt es zwei Trainingseinheiten pro Tag, ab der dritten Woche gibt es auch Testspiele und Leistungsdiagnostik nach den Standards der Deutschen Fußball Liga. In den Testspielen haben die Jungs die Möglichkeit, sich vor Scouts und Trainern zu zeigen und so für neue Jobs zu empfehlen. Außerdem bleiben sie im Spielrhytmus, das ist auch ganz wichtig. Es läuft schon sehr professionell ab, auch abseits des Platzes bieten wir den Spielern unsere Unterstützung an. Da gibt es zum Beispiel Hilfe von Sportpsychologen oder Rechtsberater.

Vorausgesetzt die Lage bleibt gerade für die unterklassigen Mannschaften erst einmal so, wie sie ist: Welche Gespräche, Angebote oder Forderungen gibt es von Ihrer Seite in Richtung der DFL und des DFB, vielleicht ein Stück vom Kuchen abzugeben? In der 1. und 2. Bundesliga ist ja durchaus noch viel Geld im Umlauf.

Natürlich machen wir uns als Spielergewerkschaft auch immer stark dafür, Solidarität zu zeigen und denen zu helfen, denen es nicht so gut geht und die besonders hart getroffen sind. Wie das dann im Einzelfall abläuft, liegt in der Hand der Verbände und der höherklassigen Klubs. Auch diese Vereine haben teils sehr zu kämpfen. Es gibt unterschiedliche Maßnahmen, die auch greifen sollen. Auch da müssen wir aber erst einmal abwarten, wie sich das langfristig auswirkt. Auch vom Staat gibt es Hilfen, zum Beispiel das Kurzarbeitergeld.

Wie würden Sie einen Spieler, der nicht im Rampenlicht der ersten beiden Ligen steht, charakterisieren? Wie sieht die Ausbildung aus, was sind die Verdienstmöglichkeiten in den unteren Ligen?

Wir haben bei uns im VdV-Proficamp ganz unterschiedliche Spieler. Wir haben sehr junge Akteure - 19 oder 20 Jahre alt, teilweise aus den zweiten Mannschaften der Bundesliga-Teams. Dann haben wir Spieler, die mitte zwanzig sind und zuletzt nicht mehr ganz so hoch gespielt haben, allerdings auch schon in der Bundesliga oder sogar in der Champions League aktiv waren. Und wir haben gestandene Spieler aus dem Bereich der Dritten Liga, die schon über 30 sind. Man muss schon sehr individuell auf die Situation der Spieler eingehen. Auch die Umstände nach der Fußball-Karriere sind sehr unterschiedlich. Es gibt Spieler, die eine super Schulausbildung haben und vielleicht sogar ein Fernstudium absolviert haben. Dann gibt es aber auch welche, die sich nach der Schule komplett auf den Fußball konzentriert haben und so nach der Karriere erst mit der neuen Berufsausbildung beginnen müssen. Für Spieler aus der Dritten oder der Regionalliga, die keine Rücklagen bilden konnten weil sie wenig Geld verdient haben , kann das schon schwer sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Nikolaus Hillmann, rbb Sport. Es handelt sich um eine redigierte und gekürzte Fassung. Mit einem Klick ins Titelbild können Sie sich das gesamte Gespräch in voller Länge als Audio anhören.

Sendung: Inforadio, 02.08.20, 10:15 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Der Traum mancher Spieler, daß man mit dem Fußball viel Geld verdienen kann, scheint geplatzt zu sein! Ich bin soundso der Meinung, daß viele mittelmäßige Spieler einfach zu viel Geld in der Vergangenheit verdient haben! Das Preis-Leistungs-Verhältnis hat schon lange nicht mehr gestimmt!

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