Zum Ruhestand | Vis à vis mit rbb-Reporter Andreas Witte - "Nowitzki war eine absolute Ausnahmefigur"

So 30.08.20 | 12:02 Uhr
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Andreas Witte, Quelle: rbb/ Oliver Kröning
Audio: Inforadio | 29.08.2020 | Nikolaus Hillman | Bild: rbb/Oliver Kröning

Über 35 Jahre hat Andreas Witte für den rbb und die ARD vom großen und kleinen Sport in Berlin, Brandenburg und der Welt reportiert. Jetzt beendet er seine Karriere. Und schaut im Gespräch mit Nikolaus Hillmann eindrucksvoll zurück.

rbb: Andreas Witte, seit mehr als 36 Jahren bist Du Sportreporter. Für den "Sender Freies Berlin", den "Rundfunk Berlin Brandenburg" und übergeordnet für die "ARD". Du kommst aus einer Lehrerfamilie, hast eigentlich Theaterwissenschaften studiert, wie bist Du einst zu dem Job als Sportjournalist gekommen?

Andreas Witte: Das ist in der Tat eine berechtigte Frage. Wenn ich auf das zurückblicke, was am Ende entscheidend war, würden mir verschiedene Dinge einfallen. Die Prägung des Elternhauses hat eine große Rolle gespielt, ich komme aus einer richtigen Intellektuellen-Familie, das kann man schon so sagen. Bei uns wurde sehr viel Wert auf Theater, Musik, Kunst, und Kultur – auf die schönen Künste – gelegt. Mein Vater war aber auch ein riesengroßer Sportfan, der sich am Wochenende wirklich alles angeguckt hat. Feldhockey, Handball, Basketball, Fußball – ich bin am Wochenende am Rockzipfel meines Vaters über die Sportplätze Oldenburgs gezogen. Da wurde sicherlich diese Ur-Leidenschaft von mir geweckt. Natürlich kam aber auch ein bisschen Zufall hinzu. Ich habe mich nach meinem Studium bei Sendern in der ganzen Republik beworben, beim Sender Freies Berlin durfte ich mich dann in der Sportredaktion vorstellen. Das war mir nie ganz fremd, als Student hatte ich bereits für lokale Sportzeitschriften gearbeitet.

Wie hat sich der Sportjournalismus in deiner langen Karriere verändert, wie hat sich auch der Reiz für dich an dem Job vielleicht gewandelt?

Sport ist ein Gebiet, in dem es unfassbar viele Geschichten zu erzählen gibt. Das ist das, was mich am Sport immer am meisten interessiert hat. Die Geschichten von Sieg und Niederlage, von jemandem, der verliert oder aber sich durchsetzt, zu erzählen. Das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht und ich habe diesen Spaß in eine Halle zu gehen und ein Basketballspiel oder auf einen Fußballplatz und ein Spiel zu sehen nie verloren. Meine Mutter hat gelegentlich gefragt: Wird dir das nicht langweilig Junge, das ist doch immer dasselbe. Nein, ist es nicht. Es gibt so vielfältige Variationen im Sport, deswegen ist er ja insgesamt auch so beliebt in der Bevölkerung. Das hat mich immer besonders interessiert und das reizt mich noch heute und wird mir auch im Ruhestand nicht langweilig werden.

Andreas Witte als Moderator der Sportnachrichten im SFB, 1988. Bild: rbb Archiv
Andreas Witte als Moderator der Sportnachrichten im SFB, 1988.

Manche Sportarten hast Du besonders intensiv begleitet, zum Beispiel den Basketball. Wer hat Dich da besonders geprägt?

Mein großer Lehrmeister ist in jedem Fall Svetislav Pesic. Von ihm habe ich sehr viel über Sport insgesamt gelernt, nicht nur über Basketball. Ich habe aber auch ein enges Verhältnis zu Uli Wegner gehabt. Ich habe ja 14, 15 Jahre lang Boxen in der ARD übertragen. Auch von ihm habe ich unmittelbar etwas über das Boxen gelernt, aber auch über das ganz Grundsätzliche, was es heißt, Sport auf diesem Niveau zu betreiben. Dass man sich hingibt, dass man viel dafür hintenanstellt, dass man sich opfert.

Was ist das Besondere am Boxen?

Ich habe einen Heidenrespekt vor Boxen. Boxen ist vom Training her sehr vielseitig. Sehr fordernd, unfassbar anstrengend. Und es ist eine Art Ur-Auseinandersetzung, ein fast biblisches Motiv. Einer gegen den Anderen, auf dieser kleinen Bühne des Rings, auf dieser Bühne, die fast etwas von einem Theater hat. Mit dem bunten Volk, das drumherum sitzt. Da findet man wirklich einen Querschnitt der Gesellschaft. Und zuletzt gehört ein enormer Mut dazu, in den Ring zu gehen. Man will den anderen ja nicht nur im übertragenen Sinn schlagen, sondern tatsächlich. Und man wird auch geschlagen. Das auf sich zu nehmen und dem auch mit Raffinesse, mit Alltagsschläue zu begegnen, das ist etwas, das mich immer fasziniert hat.

Über all die Jahre Deiner Karriere, welche Sportler sind Dir in besonderer Erinnerung geblieben?

Weil ich selber 50 Jahre lang Basketball gespielt habe, liegt es auf der Hand: Dirk Nowitzki. Weil er all das verkörpert, über das wir gerade gesprochen haben. Diese Selbstaufgabe, diese Hingabe, sich opfern zu wollen, alles erreichen zu wollen, dafür vieles hintenanzustellen, immer wieder auf höchstem Niveau zu trainieren und trotzdem Mensch zu bleiben. Respekt zu haben vor den Mannschaftskollegen, Hilfe zu leisten mit Charity-Aktionen und immer zu den Top-Leuten zu gehören und dabei die menschliche Würde zu bewahren – das ist eine absolute Ausnahmefigur, die kennenlernen durfte im Rahmen meiner Tätigkeit.

Inwiefern hat sich die Rolle des Sportreporters verändert?

Es gibt einfach viel mehr. Viel mehr Kollegen, viel mehr Sport im Fernsehen und im Hörfunk. Was heute alles übertragen wird! Eine gewissen Beliebigkeit hat sich dadurch sicherlich auch eingestellt. Und ich habe früher, gerade beim Basketball mit DTV und BG Charlottenburg, den Vorgängern von Alba Berlin, einen richtig engen Kontakt mit den Spielern gehabt. Das sind zum Teil bis heute meine Freunde. Wenn ich zum Zahnarzt gehe, dann ist das ein ehemaliger Basketball-Nationalspieler. Ich glaube, diese engen Verflechtungen gibt es heute so nicht mehr. Es ist sehr viel unpersönlicher geworden.

Das Korac-Cup-Finale 1995 kommentiert von Andreas Witte

Hast Du jemals überlegt, eine andere Herausforderung zu suchen und Berlin zu verlassen?

Es gab zwei, drei Mal die Möglichkeit, aber ich habe das nicht gemacht, weil ich zwar gebürtig aus Oldenburg stamme, aber Die-Hard-Berliner geworden bin, die Stadt gefällt mir einfach so gut. Und das Angebot, das man hier hat! Wenn man Sportjournalist ist, in welcher Stadt möchte man dann noch lieber leben? Es gibt doch keine bedeutenere Sportstadt in Deutschland. Dazu habe ich hier kulturell alles was ich brauche, ein vielleicht weltweit einmaliges Angebot. Mein privates Glück habe ich hier auch noch gefunden. Also es hat mich nicht gereizt, irgendwo anders hinzugehen. Berlin war die Nummer eins.

Nach so vielen Jahren im Radio und Fernsehen kommt jetzt diese Zäsur, der Ruhestand. Hast Du damit Deinen Frieden gemacht?

Durch Corona und Homeoffice bin ich in eine Art gleitenden Vorruhestand gekommen. Ich war dann sehr froh, dass die Bundesliga fortgesetzt wurde, auch wenn es nur Geisterspiele waren. Da nochmal dabei gewesen zu sein und auch nochmal zum Abschluss eine Reportage gemacht zu haben, das hat mir die Sache etwas leichter gemacht. Ich wäre nochmal zu den Olympischen Spielen nach Japan gefahren und hatte eigentlich vor, mich dort mit dem Basketball-Endspiel aus meinem Berufsleben zu verabschieden. Das hat nicht geklappt, aber es gibt sehr viel schlimmere Dinge. Aber ja, es wird mir schwer fallen. Ich werde die Kollegen und Kolleginnen vermissen, ich werde den Job vermissen. Ich habe leidenschaftlich gern reportiert. Aber es nützt ja nichts. Ich halte es mit dem großen Kollegen Hans-Joachim Friedrichs, der gesagt hat: "Irgendwann ist eben Schluss."

Das Interview mit Andreas Witte führte Nikolaus Hillman, rbb Sport.

Der Text ist eine redaktionell bearbeitete und leicht gekürzte Fassung. Das komplette Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

2 Kommentare

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  1. 2.

    Viel Spaß sowie viel Gesundheit auf dem weiteren Lebensweg genieße den Ruhestand.
    Hochachtungsvoll Stoll Karl-Heinz

  2. 1.

    Ein Sportreporter vom alten Schlage! Viel Hintergrundwissen, wohltuend ruhig und ausgeglichen kommentierend, den TV -Zuschauer ernstnehmend!!
    Danke für viele interessante Reportagen!!

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