Zwischenfazit Hertha BSC - Es besteht Hoffnung - trotz des schlechten Starts
Nur drei Punkte aus den ersten fünf Spielen, zuletzt vier Pleiten in Serie: Hertha BSC hat den Saisonstart vermasselt. Die Blau-Weißen sollten gewarnt sein. Der Auftritt zuletzt gegen Tabellenführer Leipzig macht aber auch Hoffnung. Von Jonas Bürgener
Was gut läuft:
Die besten Leistungen zeigte Fußball-Bundesligist Hertha gegen zwei der stärksten Teams der Liga. Bei Bayern München war die Mannschaft von Bruno Labbadia nah dran an einem Punktgewinn und auch beim derzeitigen Bundesliga-Tabellenführer RB Leipzig spielten die Blau-Weißen lange Zeit gut mit. Zwar gab es zum Leidwesen aller Herthaner in beiden Partien am Ende keine Punkte, gerade in der Vorwärtsbewegung zeigte die Offensivabteilung um Matheus Cunha und Stürmer-Neuzugang Jhon Cordoba in diesen Spielen aber gute Ansätze.
Immer wieder ging es schnell und direkt nach vorne - Herthas Angriff hat sich im Vergleich zur letzten Saison weiterentwickelt, ist variabler geworden. Noch fehlt es bei einigen Aktionen an der Abstimmung, nach bislang fünf Bundesliga-Spielen ist das aber verständlich. Bruno Labbadia bittet nicht ohne Grund gebetsmühlenartig um Geduld. Der Coach weiß, dass seine Spieler - nicht nur in der Offensive - noch Zeit brauchen, um nach der wilden letzten Saison zu einem Team zusammenzuwachsen und die Neuzugänge zu integrieren.
Was schlecht läuft:
Drei Punkte nach fünf Spielen - der schwächste Start seit elf Jahren. Zwölf Gegentore an den ersten fünf Spieltagen - die meisten für Hertha in der Bundesliga seit 30 Jahren. Davon sieben Standard-Gegentore - Liga-Höchstwert. Zuletzt vier Niederlagen in Serie, dazu das blamable Erstrunden-Aus im DFB-Pokal bei Eintracht Braunschweig. Allein die nackten Zahlen zeigen: Hertha hat den Saisonstart ordentlich verpatzt.
Gerade in der Defensive machten die Blau-Weißen zu viele individuelle Fehler und blieben deshalb nicht nur in München und Leipzig ohne Punkte. Die Anfälligkeit nach Standardsituationen zeigt, dass die Abstimmung in Herthas Hintermannschaft noch nicht stimmt. Labbadia werkelt - auch notgedrungen - weiter an seiner Stammbesetzung. Jordan Torunarigha (Syndesmosebandanriss) fehlt seit drei Wochen und wird dies wohl auch noch einige Zeit tun. Neuzugang Omar Alderete gab erst am letzten Spieltag sein Debüt. Niklas Stark, Stamm-Innenverteidiger in der vorigen Saison, läuft in dieser Spielzeit immer wieder auf der Position im defensiven Mittelfeld auf. Hertha muss sich in der Abwehr erst noch finden und sollte das schnell tun, um möglichst zügig aus der Negativspirale zu kommen.
Neuzugänge:
Hertha wurde spät noch einmal aktiv auf dem Transfermarkt - entsprechend schwer ist hier eine Bewertung. Alderete gab erst am Wochenende sein durchwachsenes Debüt in Leipzig, Herthas kreative Hoffnung im Mittelfeld, Matteo Guendouzi, stand wegen einer Corona-Erkrankung bislang noch gar nicht auf dem Feld.
Jhon Cordoba, Alexander Schwolow, Deyovaisio Zeefuik und Lucas Tousart erhielten hingegen schon viel Spielzeit von Labbadia. Stürmer Cordoba überzeugte mit seiner Schnelligkeit und Robustheit. Alexander Schwolow hat sich im Tor vorerst gegen Rune Jarstein als Nummer eins durchgesetzt und zeigte gegen Leipzig zuletzt eine sehr gute Leistung. Auch Tousart ist zur Stammkraft in Herthas Mittelfeld geworden, hat sich bislang aber noch nicht vollständig als der gewünschte Stabilisator präsentiert. Zeefuik spielte bislang noch nicht über die vollen 90 Minuten, Labbadia setzte ihn hauptsächlich als Einwechselspieler ein.
Stimmung im Klub:
Die Stimmung im Klub ist, hauptsächlich gemessen an der Mitgliederversammlung am Sonntag, angespannt und unruhig. Erwartung und Realität klaffen bei den Charlottenburgern mal wieder schon früh in der Saison auseinander. Fans und Umfeld sind unzufrieden, auch beim letzten Heimspiel gegen den VfB Stuttgart gab es nach dem Abpfiff deutlich vernehmbar Pfiffe.
Die Mannschaft und das Trainerteam wirken bislang weiter ruhig. Zwar beschwerte sich Labbadia nach dem Spiel gegen den VfB über die negative Körpersprache seines Teams, doch der Coach betont immer wieder, dass er Vertrauen in seinen Kader und dessen Potenzial hat. Für Labbadia und auch Manager Michael Preetz sind positive Ergebnisse und Erfolg eine Frage der Zeit.
Prognose:
Das Spiel in Leipzig macht trotz der Niederlage Hoffnung: Die Mannschaft zeigte eine gute Leistung, bestrafte sich durch unnötige Fouls und ärgerliche Fehler aber selbst. Dennoch kann Bruno Labbadia mit der Entwicklung arbeiten. Das sollte er aber schnell tun. Hertha verspielte den Start, steht deshalb schon früh unter Druck und muss Punkte einfahren.
Zweifelsfrei haben die Charlottenburger aber einen weitaus besseren Kader als Arminia Bielefeld, der 1. FC Köln, Mainz 05 oder Schalke 04 - Teams, die derzeit mit Hertha in der unteren Tabellenregion stehen. Den guten Individualspielern im Kader muss es gelingen, die Qualitäten auch als Mannschaft auf den Platz zu bringen. Wenn das funktioniert, wird Hertha Zähler sammeln und auch in der Tabelle klettern.
Sendung: rbbUM6, 26.10.20, 18:00 Uhr