Zum 55. Vereinsgeburtstag - Energie Cottbus - der etwas andere DDR-Oberligist
Zu DDR-Zeiten war die BSG Energie Cottbus ein ungewöhnlicher Fußballverein. Den Namen dachte sich ein Fan aus, Spieler wurden zur Strafe ins Kraftwerk geschickt und für die Gegner gab es immer "schön was eingeschenkt". Von Philipp Büchner
Coronabedingt fällt beim FC Energie Cottbus die ganz große Feier mit Torte und Fanchoreographie aus, aber auch der ehemalige DDR-Oberligist aus der Lausitz erinnert in diesen Tagen an seine Gründung. Ab Ende 1965 wurden in der damaligen DDR die Fußballsektionen aus den Sportklubs herausgelöst - in Cottbus wurde dieser Akt am 31. Januar 1966 vollzogen. Auch wenn die tatsächliche Fußballtradtition des Klubs deutlich weiter zurück reicht, hat dieser Schritt von der Abteilung eines Gesamtvereins hin zum eigenständigen Fußballklub im Januar 1966 für viele Menschen rund um den FC Energie zurecht einen emotionalen Wert.
Über die Nachwendezeit der Cottbuser wissen viele Fußballfans gut Bescheid, doch was für ein Verein war Energie davor?
Energie Cottbus - "die Fahrstuhlmannschaft"
Als Ulrich Nikolinski Energie Cottbus zu DDR-Oberligazeiten einordnet, muss er selber lachen: "Wir waren einfach ein mittelmäßiger Verein. Eine Fahrstuhlmannschaft!" Tatsächlich stehen fünf Aufstiegen auch vier Abstiege gegenüber. Doch Nikolinski, der bereits vor der Gründung als BSG Energie beim SC Cottbus gespielt hatte und lange später Trainer des Nachfolgers FC Energie war (1992-94), ist trotzdem hörbar stolz auf seinen Verein. Immerhin spielte die BSG sechs Jahre lang in der höchsten Spielklasse der DDR, der Oberliga. Den Namen "Energie" dachte sich ein Fan aus, der damit einen Leserwettbewerb zur Namensfindung in der Lausitzer Rundschau gewann. Viel passender ging es ja nicht.
Laut Nikolinski war es für die Gegner bitter, wenn der Lausitzer Fahrstuhl mal wieder ganz oben hielt: "Niemand ist gerne hier hergekommen. Die Zuschauer waren eine Wand und für die Gegner gab es immer schön was eingeschenkt." Energie habe schon immer für Zusammenhalt, Kampfeswillen und für die Verwurzelung in der Region gestanden, erklärt das Cottbuser Eigengewächs.
Als Betriebssportgemeinschaft war Energie praktisch die Fußballmannschaft des Kraftwerks Jänschwalde - und so natürlich der Verein der Arbeiter im Braunkohletagebau und der gesamten Energiewirtschaft im Bezirk Cottbus. Zu Beginn mussten die Fußballer sogar noch einen Tag in der Woche im Trägerbetrieb in Jänschwalde arbeiten. Doch später sahen sie das Kraftwerk nur noch dann von innen, erinnert sich Nikolinski, "wenn etwas vorgekommen ist. Dann ging es schon mal eine Woche ab ins Kraftwerk." Man hört am süffisanten Tonfall, dass er das im Vergleich zu den heute üblichen Geldstrafen für die sinnvollere Disziplinierungsmaßnahme hält.
Talente wurden zum BFC Dynamo delegiert
Als Betriebssportgemeinschaft war Cottbus in der ehemaligen DDR nicht so hoch angesehen wie die reinen Fußballklubs etwa Dresden, Magdeburg oder der BFC Dynamo. Dort fand auch die Spitzenförderung statt, "also haben wir die besten Spieler nie halten können," so Nikolonski. Und davon gab es einige, die Jugendmannschaften der BSG gehörten meistens zu den stärksten in der DDR. Aber eher früher als später wurden herausragende Talente "delegiert", also in ein Leistungszentrum eingezogen. "Bevor die zum BFC delegiert wurden, hat man sie gründlich durchleuchtet. Wenn einer Westverwandtschaft hatte, durfte er bleiben", verweist der Ehemalige auf die Angst der DDR-Führung vor einer Flucht auf einer Europapokalreise.
In der Regel ging es für die BSG Energie mit dem Fahrstuhl bereits nach einem Jahr in der Oberliga schon wieder runter in die zweitklassige DDR-Liga. Besser als Platz sieben schloss Cottbus in der DDR-Oberliga nie ab, aber das reichte 1990 immerhin zur Qualifikation für die Teilnahme am UEFA Intertoto Cup. Zweimal, 1974 und 1982, scheiterte Energie erst im Halbfinale des FDGB-Pokals. Und doch hatten die Lausitzer in den späten Oberliga-Jahren hohe Zuschauerschnitte, in der Saison 1989/90 sogar den zweithöchsten im ganzen DDR-Fußball hinter Dynamo Dresden. Die heutige Haupttribüne war nach ihrer Eröffnung 1988 die größte freistehende Tribüne des Landes.
Rivalität mit dem BFC Dynamo: "Wie Hund und Katze"
Sportlich war Energie für den großen BFC Dynamo kein ernstzunehmender Gegner. Gegen Spieler und Fans hatte in der Lausitz ohnehin niemand etwas. Die Rivalität liegt tiefer und ist komplizierter: "Wir waren praktisch eine Außenstelle des BFC", spielt Nikolinski auf die zahlreichen Talente an, die nach Berlin delegiert wurden. Trotz allem war man auf ehemalige Cottbuser, die beim BFC später Nationalspieler wurden, bei der BSG Energie immer stolz. Seinen ersten von zehn Meistertiteln gewann der spätere Serienmeister mit fünf Spielern aus dem Bezirk Cottbus: Troppa, Noack, Schwerdtner, Lauck und Riediger, wie Nikolinski bemerkt. Dieses Abziehen von Spielern sorgte aber in der Lausitz auch für Unmut. Schließlich war der BFC der Verein des Stasi-Chefs Erich Mielke, was diesen Akt zu einem hochpolitischen machte. An dieser Verbindung zum Ministerium für Staatssicherheit entzündeten sich dann doch die Gemüter: "Unsere Fans waren wie Hund und Katze. Wenn der BFC kam, waren das schon damals Hochsicherheitsspiele. Die hatten ja unsere besten Spieler dabei", beschreibt es Nikolinski.
Obwohl man sportlich eher mit dem 1. FC Union auf Augenhöhe war, gab es zu DDR-Zeiten keine ausgeprägten Spannungen zwischen Energie und dem Ost-Berliner Arbeiterverein. "Das Verhältnis war normal. Die waren ja wie wir und haben den Kopf auch nie so weit rausgestreckt." Auf die Frage nach besonderen Aufeinandertreffen, fällt Nikolinski nur dieses eine ein, bei dem er als Trainer auf der Bank saß: Im September 1993 - also nach der Wende - randalierten Union-Fans im Stadion der Freundschaft, Energie gewann 2:1.
Abstieg für Nikolinski unverzeihlich
Auch heute in der Regionalliga Nordost drückt Ulrich Nikolinski seinem Ex-Verein die Daumen. "Energie wird immer mein Verein bleiben." Der Abstieg aus der obersten in die vierte Liga liegt aus seiner Sicht am jahrelangen Fehlen sportlicher Kompetenz in der Vereinsführung. Was aus seinem FC Energie geworden ist, schmerze ihn genauso wie jeden Cottbuser. "Und das kann ich den damals handelnden Personen nie verzeihen."
Dieser Text ist mit freundlicher Hilfe des FC Energie Museums entstanden.
Sendung: rbb UM6, 31.01.2021, 18 Uhr