Interview | Berliner Marathonzwillinge - "Zwillinge werden immer verglichen - egal, worum es geht"

Di 05.01.21 | 15:37 Uhr
Die Schwestern Rabea und Deborah Schöneborn (Quelle: privat)
Bild: privat

Rabea und Deborah Schöneborn haben die Olympia-Norm für den Marathon geknackt, das Ticket nach Tokio aber noch nicht sicher. Im Interview schildern sie die Hürden des Trainings im Lockdown, den Alltag mit Wäschebergen - und warum sie ihre Schwester Lena inspiriert.

Die Zwillinge Rabea und Deborah Schöneborn bereiten sich zurzeit an der portugiesischen Algarve auf die Marathon-Saison 2021 vor. Anfang Dezember hatten beide in Valencia die vom Deutschen Leichtathletik-Verband geforderte Olympia-Norm unterboten. Qualifiziert für die Sommerspiele in Tokio sind die Berliner Langstreckenläuferinnen damit zwar nicht - trotzdem nehmen die Marathon-Zwillinge damit viel Schwung und Selbstvertrauen mit ins neue Jahr, sagen sie. Im rbb|24-Interview erzählen sie über ihr Leben zwischen Studium, Arbeit und Training.

rbb|24: Während in Berlin und Brandenburg grauer Schneematsch liegt, haben Sie jetzt den Atlantik vor der Tür. Wie sieht Ihr Alltag im portugiesischen Trainingslager aus?

Rabea Schöneborn: Wir absolvieren hier zwei Einheiten am Tag. Da aber seit dem Wochenende auch in Portugal ein Lockdown herrscht, beginnen wir die erste Einheit um 6 Uhr früh und die zweite mittags, weil uns ab 13 Uhr eine Ausgangssperre in die Unterkunft zwingt. Den Rest des Tages verbringen wir mit Uni- oder Arbeitsdingen.

Bereiten Sie sich schon auf den nächsten Marathon vor? Oder befinden Sie sich noch im Aufbau, da der Valencia-Marathon ja gerade mal einen Monat her ist?

Deborah Schöneborn: Wir absolvieren hier noch keine spezielle Marathon-Vorbereitung, sondern stärken erst mal das Herz-Kreislaufsystem mit Krafttraining, Schwimmen und Radfahren.

Rabea Schöneborn: Wir arbeiten hier an unseren Baustellen, stabilisieren unsere Fußgelenke zum Beispiel, um eventuellen Verletzungen auch vorzubeugen. Da ist so ein Strand schon ideal.

Haben Sie beim Marathon-Lauf in Valencia mit so einer guten Zeit gerechnet?

Deborah Schöneborn: So ein Marathon ist ein Mysterium für sich. Einen habe ich ja schon vorher in Köln absolviert, für Rabea war es der erste 2020. Natürlich haben wir uns auf die letzte Saison die ganze Zeit vorbereitet, aber es wurde ja alles abgesagt. Die Olympia-Norm war unser Ziel und wir wollten unbedingt in der deutschen Rangliste mitmischen, denn nur die ersten drei dürfen dann auch nach Tokio fliegen. Aktuell sieht es so aus, dass fünf Frauen die Norm erfüllt haben, ich bin auf Platz 2, Rabea auf Platz 5.

Wie sicher ist Ihr Ranglistenplatz 2 denn?

Deborah Schöneborn: Im Mai endet die Frist für die Olympia-Qualifikation und bis dahin rechnen wir beide schon mit einem erneuten Marathonstart. Wir wollen zwar jede Chance nutzen, aber nicht mehr als einen Marathon laufen. Rabea kann sich da bestimmt noch verbessern, ich bin auch noch nicht sicher, da einige Elite-Läuferinnen noch gar keinen Start gemacht haben. Dafür wollen wir hier in Portugal eine solide Grundlage legen.

Wie bekommen Sie ihre Trias aus Studium, Arbeit und Training denn überhaupt unter einen Hut?

Rabea Schöneborn: Ich habe mein Master-Studium Psychologie fast abgeschlossen und arbeite bei einem Berliner Software-Unternehmen als Werkstudentin. Da das alles auch mobil funktioniert, kann ich meinen Tag um mein Training herum strukturieren. Das ist mein Alltag.

Deborah Schöneborn: Ich habe mein Medizinstudium auch fast abgeschlossen, verhandele gerade einen Nebenjob bei einem Start-up, das an der Schnittstelle Genetik und Sportmedizin operiert, und plane meinen Alltag so wie meine Schwester das tut.

Sie wohnen auch beide zusammen in Berlin?

Rabea Schöneborn: Ja, und das funktioniert sehr gut. Wir haben ähnliche Macken und pflegen einen ehrlichen Ton. Außenstehende sagen oft, es wirke harsch, aber es klappt eben. Wir machen zum Beispiel unsere Müsliriegel alle selber.

Deborah Schöneborn: Ich bringe weniger den Müll runter und Rabea lässt immer Minireste von Nahrungsmitteln übrig, die dann im Kühlschrank rumliege. Und überall hängen Sportklamotten in der Wohnung zum Trocknen rum, da wäre ein Wäschekeller gut.

Sie sind ja auch beide Konkurrentinnen - wie gehen Sie damit um?

Deborah Schöneborn: Damit sind wir groß geworden. Zwillinge werden immer verglichen - egal, worum es geht. Wir machen es am liebsten aber so, dass die eine läuft bei einem Wettkampf - und die andere unterstützt und kümmert sich um alles andere. Das konnten wir uns in Valencia aber nicht aussuchen, da wollte niemand auf den Start verzichten und da waren wir dann mal Konkurrentinnen. Das kennen wir aber schon von Deutschen Meisterschaften, wo wir ja auch beide starten müssen, aber das pusht auch. Wir machen uns noch gegenseitig die Startnummern dran und wünschen uns viel Glück, aber danach ist jede für sich.

Und ihre große Schwester Lena Schöneborn? Die hat 2008 aus Peking die olympische Goldmedaille als moderne Fünfkämpferin mitgebracht, dazu 34 Medaillen von WM- und EM-Wettkämpfen - wie profitieren Sie von diesem Erfahrungsschatz?

Rabea Schöneborn: Lena ist immer ein Vorbild gewesen, sie steht mit Rat und Tat zur Seite. Wir sind beide sehr stolz auf sie.

Deborah Schöneborn: Wir sind zwar in einer anderen Sportart unterwegs, aber der Blick und die Tipps einer erfolgreichen modernen Fünfkämpferin helfen uns enorm weiter.

Wie sieht Ihr Fahrplan Olympiajahr aus - wenn es denn überhaupt einen gibt?

Deborah Schöneborn: Genaues wissen wir nicht, planen aber damit, dass wir im Frühjahr noch einen Marathon laufen und trainieren darauf hin. Dann soll es kurz in die Pause und Erholung gehen und dann stehen schon die olympischen Spiele in Japan an, wenn wir uns denn qualifizieren. Wir müssen aktuell mental und planungstechnisch super flexibel sein. Wir nehmen, was wir kriegen können und machen das Beste draus. Was anderes bleibt uns ja auch gar nicht übrig.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dieser Text ist eine redigierte Fassung. Das Gespräch führte Lisa Surkamp aus der Sportredaktion.

Was Sie jetzt wissen müssen

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren