Tischtennisspielerin Juliane Wolf leidet an Corona-Folgen - Mit dem Kopf aufs Herz hören
Eigentlich wollte sich die Paralympionikin Juliane Wolf während ihrer Elternzeit in Ruhe auf die Spiele von Tokio 2020 vorbereiten. Dann kam Corona und stellte alles auf den Kopf. Am Ende sogar das Herz der Vizeweltmeisterin. Von Ilja Behnisch
Erst verhinderte Corona die Paralympischen Spiele. Dann erwischte das Virus die 32-jährige Para-Tischtennisspielerin Juliane Wolf auch ganz persönlich. Nur um der gebürtigen Eisenhüttenstädterin im Anschluss auch noch eine Herzmuskelentzündung zu verpassen.
Dabei kann Juliane Wolf, die mit einer Zerebralparese zur Welt kam, von Glück reden, die Sache mit dem Herzen überhaupt entdeckt zu haben. Ihre Corona-Infektion verlief zwar durchaus mit Symptomen. So habe Wolf immer wieder das "unglaublich starke Bedürfnis" nach Schlaf gehabt, wie sie im Gespräch mit dem rbb sagt. Dazu Übelkeit, Kopfschmerz und die typische Anzeichen von Geruchs- und Geschmacklosigkeit. So sei sie ja überhaupt erst auf die Idee gekommen, sich testen zu lassen, sagt Wolf. Ein Curry habe sie gekocht und nichts davon schmecken können. Ihr erster Gedanke nach dem positiven Testergebnis? "Hoffentlich habe ich niemanden angesteckt."
Der Erfahrungsschatz ist gering
Daran, dass die Corona-Infektion auch Folgebeschwerden auslösen kann, hat sie nicht gedacht. Zum Glück nahm die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Frankfurt (Main) im Anschluss an ihre Genesung an einer Studie teil. Ein Herz-MRT brachte die Gewissheit der Herzmuskelentzündung. "Das hat mich schon geschockt", sagt Wolf, "zumal ich nicht wusste, was das bedeutet." Das Problem daran: Sie weiß es bis heute nicht genau. Der Erfahrungsschatz zu Langzeit- und Spätfolgen von Covid-19-Erkrankungen ist noch zu gering.
Was Juliane Wolf, derzeit Weltranglistenvierte im Behindertentischtennis, hingegen sehr wohl weiß: Sport ist für den Moment nur sehr eingeschränkt möglich. Ihre Kardiologin habe ihr gesagt, so Wolf, dass sie durchaus leicht trainieren könne, bis zu einer Herzfrequenz von 120 Schlägen pro Minute. Allerdings: "Damit geht nicht wirklich viel. Die kann ich auch bekommen, wenn ich einen sportlichen Spaziergang mit meiner Tochter mache."
Schwerwiegende Komplikationen möglich
Also verzichtet Wolf komplett auf ihr Training und überhaupt die nächsten zwei Wochen auf "sämtliche Anstrengungen, die ich vermeiden kann." Denn, so Wolf: "Wenn man, gerade als Sportler, zu früh mit dem Training beginnt, kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen." Im schlimmsten Fall bis zum plötzlichen Herztod.
Das Stillhalten aber falle ihr schwer, so Juliane Wolf: "Das ist für mich vor allem im Kopf eine Herausforderung." Immerhin sollen die Paralympics von Tokio nach derzeitigem Stand am 24. August 2021 starten. "Da ist noch Platz", sagt Wolf mit dem Blick auf den Kalender, "aber natürlich habe ich mir ganz andere Trainingsumfänge vorgestellt für diese Zeit jetzt." Andererseits fehle auch der Konkurrenz der Wettkampf, so die doppelte Vize-Weltmeisterin und Europameisterin.
Der Kopf muss funktionieren
Seit Februar 2020 gab es keinen internationalen Vergleich mehr. Zudem sagt Wolf, sie glaube, dass bei den Spielen von Tokio mehr als sonst die mentale Stärke entscheidend sein werde, denn: "Es ist egal, wieviel Erfahrung jemand hat - so etwas hat noch niemand erlebt. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass Sportler, mit denen man gar nicht so gerechnet hat, einen guten Tag erwischen und besser abschneiden als man dachte."
Ob die Spiele tatsächlich stattfinden, auch daran hat Juliane Wolf inzwischen wieder vermehrt ihre Zweifel. Gerade die Mutationen des Coronavirus geben ihr zu denken, sagt sie. Auch wenn sie als Sportlerin positiv bleiben müsse. Sonst falle "die Motivation" schwer. Wolf sagt: "Im Endeffekt ist gerade im Tischtennis der Kopf so, so wichtig. Und deswegen muss ich einen guten Weg finden, mit meinem Kopf zu vereinbaren, dass der dann am Ende in Tokio gut funktioniert."
Dramatisches Studienergebnis
Die Studie, der Juliane Wolf vielleicht ihr Leben zu verdanken hat, kam im Übrigen zum Schluss, dass 78 Prozent aller Teilnehmer Auffälligkeiten am Herzen hatten. Bei 60 Prozent der Teilnehmer erfassten die Forscher eine Herzmuskelerkrankung.
Auch deshalb rät Wolf, die ihre Erkrankung im Alltag "gar nicht merke", jedem, "wirklich in den Körper hinein zu hören und sich zu fragen: Bin ich wirklich so fit, wie ich denke? Oder lasse ich mich besser nochmal untersuchen?" Corona hat schließlich schon genug verhindert. Es muss nicht auch noch die Zukunft sein.
Sendung: rbb24, 22.01.2021, 21:45 Uhr