Segel-Experte Lutz Patrunky über Vendée Globe - "Das ist fast unmenschlich"
Fast hätte es für den Deutschen Boris Herrmann bei der Weltumseglung der "Vendée Globe" zum großen Wurf gereicht. Dann ereilte ihn kurz vor dem Ziel ein Unfall. Der Berliner Profi-Segler und Lehrer Lutz Patrunky weiß, warum das nicht unbedingt Pech war.
rbb|24: Lutz Patrunky, wie haben Sie denn als Experte das Rennen von Boris Herrmann verfolgt?
Lutz Patrunky: Meistens über den Tracker [vendeeglobe.org/en/tracking-map]. Da konnte man sehen, wie er taktisch drauf war, wie er gefahren ist. Wenn man dann zusätzlich noch in die sozialen Medien schaute, konnte man auch sehen, welche Veränderungen es in seinem Gesicht und seiner Körpersprache waren. Da gab es gute und schlechte Tage.
Die Vendée Globe hat einiges Aufsehen gesorgt in den letzten Wochen. Kann man denn sagen, dass sie die absolute Königsdisziplin ist?
Es ist schwer, Vergleiche anzustellen. Die Vendée Globe steht für sich allein. Beim "Oceans Race" etwa segeln zwar auch Acht-Mann-Teams um die Welt, aber in Etappen. Und wenn man das vergleicht mit dem olympischen Segeln, dann ist die Vendée Globe von der körperlichen Belastung her herausstechend. Das verhält sich wie Bouldern zu einer Mount-Everest-Besteigung. Finanziell ist es genau andersrum. Im Vergleich zu einer "Americas Cup"-Kampagne etwa ist das viel, viel günstiger.
Dafür sind die körperlichen Anstrengungen enorm.
Das ist fast unmenschlich. Die schlafen ja nie länger als eine Dreiviertelstunde am Stück. Immer in Alarmbereitschaft, weil man nie weiß, wohin das Boot fährt.
Und dann kommt es am Ende und nach 45 Tausend Kilometern auf ein paar Stunden an.
Es gab schon immer mal enge Ausgänge. 2013 lagen auch nur vier Stunden zwischen den ersten Beiden. Aber dass die ersten Fünf so eng zusammenliegen, das hat es noch nie gegeben. Das liegt womöglich auch daran, dass die Boote inzwischen ziemlich ausentwickelt sind.
Boris Herrmann war auf dem besten Weg, einen Podiumsplatz zu erreichen. Dann kollidierte er 90 Seemeilen vor dem Ziel mit einem Fischerboot.
Das ist natürlich bitter. Aber der Bereich direkt vor Start und Ziel ist wahrscheinlich das gefährlichste Gewässer, durch das die gefahren sind, auf der gesamten Weltumseglung. Weil da ständig die Probleme mit diesen Fischer-Booten sind. Da fahren Hunderte herum in der Nacht. Das passiert da ja ständig. Auch mit normalen Touristen-Seglern.
Was für ein Gefühl überwiegt jetzt bei Boris Herrmann?
So wie ich ihn kenne, ist er ein positiver Mensch. Davon wird er sich nicht unterkriegen lassen. Auch wenn er die nächsten Monate sicherlich damit zu kämpfen haben wird. Ich schätze mal, dass er beim nächsten Mal wieder dabei sein wird. Ich glaube nicht, dass er das auf sich beruhen lässt.
Das Gespräch führte Martin Bromber.
Sendung: rbb24, 28.01.2021, 21:45 Uhr