Demo "One Billion Rising" in Berlin - Zu Hause tanzen für eine Milliarde Frauen

So 14.02.21 | 08:17 Uhr
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Die Tänzerinnen von Centre Talma auf der Bühne am Brandenburger Tor 2017. Bild: imago-images/ZUMA Press
Video: rbb UM6 | 13.02.2021 | Lynn Kraemer | Bild: mago-images/ZUMA Press

Die Tanz-Demonstration "One Billion Rising" am Brandenburger Tor findet in diesem Jahr nicht wie üblich statt. Wegen der Corona-Beschränkungen verlegen die Berliner Veranstalter ihre Aktion ins Internet. Mittanzen kann man trotzdem.

Die Tanzperformance für dieses Jahr haben sie schon aufgenommen, die Mädchen, Frauen, Männer und Jungen der Tanzschule Centre Talma aus Wittenau. Sie ist zu sehen in einem Youtube-Video. Jeder tanzt in seiner kleinen Kachel vor der Webcam, wie das mittlerweile vielen aus täglichen Video-Konferenzen bekannt ist.

Meistens sind um die 20 Tänzerinnen und Tänzer zu sehen. Physisch, in einem Raum zusammen sein ist gerade nicht erlaubt. Aber sie sind trotzdem verbunden: Die Choreografie ist bei allen die gleiche, auch das Outfit ist in jeder der kleinen Videokacheln gleich. Ein schwarzer Pullover mit der Aufschrift "One Billion Rising".

Seit 2013 in Berlin - meist vor dem Brandenburger Tor

Diese Initiative treibt sie Jahr für Jahr an. Eine weltweite Demonstrations-Bewegung für ein Ende der Gewalt gegen Frauen, jedes Jahr am 14. Februar. Normalerweise steht die Tanzgruppe des Centre Talma an diesem Tag auf einem Podest, einer kleinen Bühne, vor dem Brandenburger Tor. Sie machen die Schritte vor, die Menge tanzt nach. Mehrere hundert Menschen waren vor einem Jahr da. Den Arm hoch, mit dem Finger in die Luft zeigend. Dann mit beiden Fingern nach unten, auf den Boden, wo die Füße auf der Stelle treten und wieder in die Luft. Dazu läuft immer das gleiche Lied. Seit 2013 sind die Berlinerinnen und Berliner dabei.

Das Mädchen- und Jugendsportzentrum Centre Talma und seine Leiterin Bettina Lutze-Luis Fernandez haben sich damals wie selbstverständlich der Sache angenommen und die eigene Choreografie erarbeitet, die seitdem hier getanzt wird. "Es war eigentlich die logische Konseqzenz unseres bisherigen Tuns, weil wir seit 25 Jahfren mit Kindern und Jugendlichen ihre Themen vertanzen", erklärt Lutze-Luis Fernandez. Eine Sache hat die Tanzlehrerin mit ihrem Team geändert: Die Tanzschritte, die am Brandenburger Tor getanzt werden, sind etwas leichter, plakativer, als die in den USA. "Die ursprüngliche Choreografie erschien uns als zu kompliziert. Wir wollten eben auch Nichttänzer und Nichttänzerinnen erreichen, deswegen haben wir eine einfache Choreografie entwickelt", sagt sie.

"Statt der Straße erobern wir das Internet"

Wer mittanzen will, kann sich per Youtube-Video einlernen. Auf dem digitalen Weg soll in diesem Jahr auch die Demonstration stattfinden. Ein Livestream wird am 14. Februar um 14 Uhr starten, schon jetzt ist der Kanal freigeschaltet. Einige Elemente der normalen Demonstration werden auch dort eingebunden sein, Grußwörter und Reden von Politikern und Politikerinnen, Dilek Kalayci (SPD) zum Beispiel, die Schirmherrin des Projekts ist. Auch andere Organisationen der Stadt, die sich für Frauenrechte und gegen Gewalt an Frauen einsetzen, sind mit Reden vertreten - alles per voraufgezeichneter Videos versteht sich.

Der bekannte und bereits beschriebene Tanz mit dem Titel "Break the chain" soll gemeinsam digital getanzt werden. Jeder bei sich. Damit aus den Kacheln des Tanzstudios wieder viele hundert Menschen in Berlin und tausende weltweit werden. Denn ihr Protest könnte in vielen Ländern durch Corona sogar noch relevanter geworden sein. Viele gehen davon aus, dass die häusliche Gewalt gegen Frauen durch die Lockdown-Maßnahmen auf der Welt zugenommen hat. Jüngste Statistiken belegen das. Zum Beispiel die, der Potsdamer Polizei. Die registrierte von März bis Juli 2020 über 20 Prozent mehr Fälle von häuslicher Gewalt als im Vorjahr.

"Insofern jetzt erst recht - wir dürfen es nicht ausfallen lassen", sagt deshalb Bettina Lutze-Luis Fernandez. "Der Sinn von 'One Billion Rising' ist eigentlich, öffentliche Plätze zu besetzen. Viele Flashmobs finden rund um den Erdball statt und die Frauen erobern sich den öffentlichen Raum zurück." In diesem Jahr müsse das eben anders ablaufen, "statt der Straße erobern wir das Internet." Sie haben für die Berliner Veranstaltung eine Seite auf Facebook und eine auf Instagram. Die Videos zum Mittanzen sind genauso wie der Livestream auf Youtube, alle Informationen bekommen Interessierte auf der Webseite des Vereins [centre-talma.de].

Sie befinden sich in einer familiären Notsituation? Sind Druck oder Gewalt in Beziehung, Familie oder der häuslichen Gemeinschaft ausgesetzt?

Beim Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen erhalten Sie bundesweit unter der 08000 116 016 rund um die Uhr Unterstützung auf Deutsch und in 17 weiteren Sprachen.

Im Berliner Familienportal finden Sie eine Reihe von Gesprächspartnern und Angeboten, an die Sie sich wenden können, wie den Berliner Krisendiest, den Kinder- und Jugendnotdienst oder die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG). Hier finden Sie eine umfangreiche Liste der Hilfsangebote [berlin.de/familie].

Auch in Brandenburg gibt es eine Reihe von Hilfsangeboten für Frauen, die sich in ausweglosen Situationen im häuslichen Umfeld wähnen. Das Brandenburger Familienministerium bietet auf seinen Seiten einen Überblick zu Hilfsangeboten [msgiv.brandenburg.de]. In jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt in Brandenburg gibt es Vereine, die Frauenhäuser betreiben. Kontakte können Sie unter anderem über das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser finden [nbfev.de] oder über den Bundverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe [frauen-gegen-gewalt.de].

Sendung: rbbUM6, 13.02.2021, 18 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Zitat: "Meine Visage will niemand sehen;-)."

    Hi hi, Sie singen bestimmt auch laut mit, ne Lothar? Ja, das kann schon mal etwas komisch aussehen. ;-) Ansonsten, prima Sache das.

  2. 5.

    Stimmt, Sie haben Recht. Es gibt Männerschutzwohnungen, nur leider nicht in Berlin. Für Rot-Rot_Grün existiert das Problem nicht. Und es sind auch keineswegs sogenannte "Weicheier", sondern oft sogar Männer, die wenn Sie einmal richtig zuschlagen, die Frauen zumindest schwer verletzen können.

  3. 4.

    Zu Ihren Zahlen gibt es sogar Untersuchungen, die dies bestätigen. Es wäre somit daneben zu sagen,
    ... 24% der Frauen wehren sich erfolgreich ;-). Nee - im Ernst. Es liegt doch eher daran, wie das "starke Geschlecht" tickt, das das Problem "häusliche Gewalt gegen Männer" im Orkus der Öffentlichkeit nahezu verschwindet.
    Welcher "echte Kerl" gibt gegenüber seinen Kumpels, Arbeitskollegen, usw. schon zu, das er "Bimse" von Frauchen bekommen hat, oder kann sich bei denen mal anlehnen und/oder ausheulen? Das macht Mann doch nicht. Es gibt sogar schon Schutzwohnungen und -heime für Männer - nur liest man darüber recht selten. Es ist doch so in dieser Gesellschaft. Ein Problem, das nicht wirksam öffentlich gemacht wird, gibt es nicht. So, und nun stelle ich mir anstelle der Damen tanzende Bauarbeiter (nichts gegen Bauarbeiter)vor. Mhhh ... da bin ich wieder bei den "echten Kerlen". So ist das mit den "Bildern" in der Gesellschaft ... Frauen können nicht autofahren und Männer nicht kochen.

  4. 3.

    Auch wenn Sie immerwieder so tun, als wenn Frauen nur Opfer und Männer nur Täter sind, wird es dadurch nicht richtiger. 24% der Opfer von häuslicher Gewalt sind Männer (im Jahr 2020, gegenüber 19% im Jahr 2019).

  5. 2.

    Schon toll diese Idee. Will ja hier kein Spaßverderber sein, doch habe ich Lust zu tanzen, tue ich es auch ausgiebig zuhause. und ohne Webcam. Meine Visage will niemand sehen;-). Es ist meine Art von Freizeitsportaktivität. Bringt den Kreislauf mal so richtig auf Trapp und die müden Beinmuskel werden für 5-10 Minuten so richtig gefordert. Anschließend warm anziehen und ab gehts, raus an die Frische Luft. Wurde mir ja auch so vom Arzt geraten.

  6. 1.

    Ich hin für ein Ende ALLER Gewalt, nicht nur Gruppenegoistisch gegen Gewalt an Frauen.

    Als Pazifist und Gewaltfreier bin ich auch gegen Bundeswehr, Polizei, Eltern, Straßen , politische etc. Gewalt .

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