Union Berlin nach der Niederlage in Mainz - Wortakrobat Fischer

Nur ein Punkt aus den letzten vier Spielen, dazu eine Niederlage beim Tabellenvorletzten. Doch was nach einer Mini-Krise klingt bei Union Berlin, bringt deren Trainer Urs Fischer nicht aus der Ruhe. Ganz im Gegenteil. Von Ilja Behnisch
Nach nur einem Punkt aus vier Spielen wird so mancher Bundesliga-Trainer schonmal etwas wortkarger. Nun könnte man spotten, dass das bei Unions Trainer Urs Fischer ohnehin kaum möglich ist. Der Mann ist schließlich Schweizer. Tatsächlich aber ist eher das Gegenteil der Fall beim 54-Jährigen.
So brachte es Fischer im Rahmen einer Medienrunde am Sonntag nach der 0:1-Niederlage in Mainz rhetorisch sogar bis auf Lothar-Matthäus-Niveau: "Wenn, hätte, Fahrradkette", sagte Unions Trainer auf die Frage, inwiefern ein Einsatz von Max Kruse zu einem anderen Resultat geführt hätte an diesem 20. Spieltag.
Max Kruse ist bereits wieder im Mannschaftstraining
Nun mögen sich die Gelehrten darüber streiten, ob die Variante des Schweizers oder das Matthäus-Original "Wäre, wäre, Fahrradkette" die progressivere Note in sich trägt. Für die Eisernen aus Berlin-Köpenick zählt ohnehin nur: Ausreden zählen nicht.
Und so führte auch Urs Fischer aus: "Ob uns Max gut getan hätte? Er stand nicht zur Verfügung. Also ist das für mich nicht relevant. […] Er steht uns ja auch schon seit längerer Zeit nicht zur Verfügung. Das jetzt nur an ihm festzumachen - nein." Um schließlich noch anzumerken, dass Kruse immerhin schon wieder Teile des Mannschaftstraining mitmache, nur Torschüsse und Zweikämpfe stünden noch auf dem Index.
Der Kampf um Kleinigkeiten
Über die Gründe für die Niederlage ließ Fischer ebenso wenig Unklarheiten. Er könne der Mannschaft keinen Vorwurf machen, sie habe alles versucht. Etwas unzufrieden sei er höchstens mit der Anfangshase gewesen. "Ich glaube schon, dass wir einen Moment gebraucht haben, um ins Spiel zu kommen. Vielleicht zu lange", so Fischer. Um dann sogleich den Bogen zu schlagen zu den letzten Spielen: "Es spiegelt ein bisschen die letzten Auftritte."
Anlass zur grundsätzlichen Sorge besteht aber offenbar nicht. "Wenn man sich die Spiele anschaut, waren wir nicht die schlechtere Mannschaft. Gerade in den Spielen gegen Augsburg und Mainz. Wir hatten unsere Möglichkeiten, haben aber zu wenig Tore erzielt. Wir waren in den Aktionen gegen den Ball nicht konsequent genug. Und dann verlierst Du Spiele. Das ist alles so eng", so Fischer. Um anschließend die Marschroute für die kommenden Wochen vorzugeben: "Dranbleiben. Es gilt, noch bessere Entscheidungen zu treffen, noch konsequenter zu verteidigen, in der Vorwärtsbewegung noch konsequenter zu sein. Effizient zu sein. Wie gesagt, Du bekommst heute nicht in einem Spiel zehn Tormöglichkeiten. Ich glaube auch gegen Mainz hatten wir zwei, drei sehr gute Möglichkeiten, um ein Tor zu erzielen. Dann gilt es eben, auch eine dieser Möglichkeiten zu verwerten."
Kein Problem mit Social-Media-Kruse
An der Stelle wäre nun vielleicht erneut der Verweis auf Max Kruse angebracht, der mit sechs Saisontreffern noch immer Unions erfolgreichster Torschütze ist in dieser Saison. Und das obwohl er nun bereits seit zehn Spieltagen verletzungsbedingt fehlt. Aber "Wenn, hätte, Fahrradkette", um es mit Urs Fischer zu sagen. Der auch zu den nächtlichen Social-Media-Auftritten seines besten Stürmers eine klare Meinung hat: "Da fragen sie den Falschen. Eines weiß ich, dass Max hier sehr unermüdlich in der Reha ist, viel arbeitet, den ganzen Tag an sich arbeitet, um schnellstmöglich zurückzukommen."
Zurückkommen wird beim nächsten Spiel daheim gegen den FC Schalke 04 sehr wahrscheinlich Florian Hübner, der nach seiner Sperre wegen Beleidigung für den dann gelb-rot gesperrten Nico Schlotterbeck verteidigen könnte. Einen "guten Eindruck" mache Hübner, so Urs Fischer. Es sei "wichtig, dass sich die Geschichte erledigt hat. Auch für ihn, sein privates Umfeld. Das war keine ganz einfache Zeit. ich glaube auch für uns, als Klub, war das wichtig."
Sagte es und wirkte dabei so aufgeräumt wie eh und je. So schnell lässt sich der Schweizer eben nicht aus der Fassung bringen. Außer mit dieser einen Frage nach dem vermeintlich schon sicheren Klassenerhalt, die auch an diesem Sonntag kommt und von Fischer mit einem langgezogenen Wehklagen-"Oooooh" beschieden wird: "Also ich habe schon das Gefühl, dass wir ums Überleben kämpfen." Und das weder mit schlechter Stimmung. Und ganz sicher nicht wortkarg.
Sendung: rbb24, 07.02.2021, 21:45 Uhr