Analyse Hertha-Leverkusen - So wird der Klassenerhalt gelingen

So 21.03.21 | 21:30 Uhr | Von Till Oppermann
  3
Hertha nach dem Sieg gegen Leverkusen (imago images/Engler)
Audio: inforadio | 21.03.2021 | Lars Becker | Bild: imago images/Engler

Herthas Heimsieg gegen Bayer Leverkusen war hochverdient. Die Mannschaft zeigte defensiv und offensiv, wie sie auch nächstes Jahr in der Bundesliga spielen kann. Trainer Pal Dardai war trotzdem nicht vollends zufrieden. Von Till Oppermann

Dodi Lukebakio musste geduldig auf seine Chance warten. Genau ein Monat verging, bevor sein Trainer Pal Dardai den Belgier vor Herthas Heimspiel gegen Bayer Leverkusen zurück in seine Startelf beorderte. Damit überraschte Dardai sogar die vereinseigene Medienabteilung. Das Video, mit dem der Verein seinen Fans eine Stunde vor Spielbeginn die Aufstellung verriet, kündigte noch Krysztof Piatek an der Stelle des Belgiers an.

Nach dem 3:0-Sieg der Berliner am Sonntag sind sich wohl alle einig, dass die Entscheidung für Lukebakio goldrichtig war. Mit seinen beiden Torvorlagen war er einer der Matchwinner bei Herthas Sieg zum perfekten Zeitpunkt. Dardai erklärte: "Das ist ein tolles Ergebnis, um in die Pause zu gehen." Denn wegen der Länderspiele am kommenden Wochenende steht der nächste Spieltag erst in zwei Wochen an. Wochen, die man nun statt auf einem direkten Abstiegsplatz auf Tabellenrang 14 verbringt. Das ist verdient, weil Hertha den Europapokalanwärter aus Leverkusen zum Aufbaugegner degradierte.

Dardais Umschaltfußball passt zu den schnellen Stürmern

Wie ein Mantra wiederholte Dardai unter der Woche: "Wir müssen gewinnen". Es half. Bereits nach vier Minuten schoss Deyovaisio Zeefuik die Herthaner mit einem herrlichen Schuss vom rechten Strafraumeck in Führung und verdiente sich Lob von seinem Coach: "Der Schuss von Deyo hat uns aufgebaut." Es war der Startschuss zu einer denkwürdigen Halbzeit für die Alte Dame. Obwohl die Gäste aus dem Rheinland die höhere Passquote, mehr Torabschlüsse und mehr Ballbesitz hatten, erspielte sich Hertha die besseren Chancen und führte zum Pausenpfiff mit drei Toren. Und das, nachdem den Spielern letzte Woche in Dortmund kein einziger Schuss aufs Tor gelang. Angesichts dieser Verbesserung war sogar Kapitän Niklas Stark überfragt: "Fußball kann man nicht erklären." Sein Coach versucht es trotzdem. Zwar sei der Matchplan ähnlich gewesen wie in Dortmund, aber: "Wir waren heute frischer." Nur so ist laut Dardai die nötige Spritzigkeit und Kreativität im Offensivspiel möglich.

Schon bei seinem Amtsantritt vor nun fast zwei Monaten stellte Dardai klar, was er sich offensiv von seinem Kader erwartet. Dieser sei für "Umschaltfußball" zusammengestellt. Am Sonntag wurde zum ersten Mal klar, was das heißt. Seine Mannschaft verteidigte geschlossen und suchte nach Ballgewinnen Pässe in die Spitze, wo die Stürmer mit Sprints in die Tiefe für die nötige Bewegung sorgten. Während Hertha unter Bruno Labbadia häufig versuchte, in der gegnerischen Hälfte ein Ballbesitzspiel aufzuziehen, fokussiert die Mannschaft sich unter Dardai auf die ersten Sekunden nach dem Ballgewinn. Insbesondere der schnelle Lukebakio kann seine Stärken so optimal ausspielen. Aber auch die Torschützen Matheus Cunha und Jhon Cordoba profitieren von der verbesserten Zielstrebigkeit. Leverkusens oft fruchtloser Ballbesitz spielte Hertha bei dieser Spielanlage in die Hände. "Die Arbeit stand im Vordergrund", sagte Stark. Man habe Herz gezeigt, ergänzte sein Abwehrkollege Lukas Klünter, als er sich über 67 Prozent gewonnene Zweikämpfe freute.

Trotz des Sieges ist Dardai nicht zufrieden

Schaut man sich die spielentscheidenden Tore an, wird klar, wie wichtig 28 Tacklings und 19 Ballgewinne waren. Vor den erfolgreichen Gegenangriffen stand jeweils ein gewonnener Zweikampf. Besonders Lucas Tousart bewies seine Klasse, als er mit sehenswerten Pässen in die Tiefe dafür sorgte, dass Hertha die schlechte Staffelung der Leverkusener ausnutzen konnte. Der Franzose beherrschte die Zone vor dem eigenen Strafraum, in der sich einst auch sein Trainer am wohlsten fühlte.

Möglicherweise wurmte Dardai deshalb Herthas einzige Schwächephase besonders, als er nach dem Spiel Kritik übte. Er freue sich zwar über das Ergebnis, aber: "Trotzdem gab es in der ersten Hälfte Dinge, mit denen ich nicht zufrieden war." Besonders nach der frühen Führung sei seine Mannschaft im 5-4-1-System gegen den Ball zu passiv gewesen, so Dardai. Tatsächlich ließen sich seine Spieler zwischen der fünften und der 25. Minute teilweise deutlich zu tief vors eigene Tor drücken. Der fehlende Druck auf den Ball in der Mitte ermöglichte es Bayer, sich für mehrere Minuten in der Herthas Hälfte festzusetzen. Immer wieder ließen die Gäste den Ball durch ihre Reihen laufen, bis im Halbfeld auf den Flügeln genug Platz für eine Flanke war. Hätte Leverkusens Patrick Schick bei seinen Kopfbällen nicht die Orientierung gefehlt, wäre wohl schnell der Ausgleich gefallen.

"Wir müssen auf uns gucken"

"Da mussten wir viel coachen", seufzte Dardai später. Seine kehligen "Druck"-Rufe hallten in diesen Minuten besonders laut durch das weitläufige Olympiastadion. Mit Erfolg. Nach dem 2:0 ließ die Hertha zu keinem Zeitpunkt Zweifel am Sieg aufkommen. So ist die souveräne zweite Halbzeit rückblickend vielleicht noch höher zu bewerten als die erste. Zwar hatte Leverkusen weiter über 70 Prozent Ballbesitz, aber die Gastgeber ließen nur eine Torchance zu. Die Abwehrkette verteidigte etwas höher und hielt mit Hilfe der Sechser Guendouzi und Tousart die Mitte eng.

Immer wieder gelang es so, die Leverkusener zu Querpässen zu zwingen. Weil Hertha den Gästen jede Chance nahm, sich durch die Zentrale zu kombinieren, folgte zwangsläufig ein Pass auf die Außen. Anders als in der ersten Halbzeit warteten hier bereits stets zwei Berliner, die Flankenversuche verhinderten. "Wir haben sehr gut zusammengearbeitet", lobte Niklas Stark. Wenn Hertha in den zahlreichen direkten Duellen mit der Konkurrenz so souverän spielen sollte, könnten schon bald alle Abstiegssorgen vergessen sein. Die passende Einstellung bringt Lukas Klünter auf den Punkt. Dass die ebenfalls abstiegsbedrohten Mainzer vor dem Spiel virtuell an Hertha vorbeigezogen war, erfuhr er erst nach dem Spiel: "Ich wollte gar nichts hören. Wir müssen auf uns gucken."

Sendung: rbb24, 21.03.2021, 22 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

3 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 3.

    Vielleicht erwähnt auch einer der Kommentatoren auch mal das sehr solide kosequente mit viel Aufwand betrieben Spiel.H heran von Marton Dardai.Hier wächst ein guter Abwehrspieler heran.Nur weil er der sohn ist vom Trainer macht sich kein Journalist verdächtig wenn er ihn mal lobenswert erwähnt.Das motiviert und freut einen jungen spieler.

  2. 2.

    Solange es alles aus eigener Kraft zu schaffen ist muss man nicht auf die direkte Konkurrenz schauen. Volle Konzentration auf die eigenen Spiele.

  3. 1.

    Es geht doch. Weiter Kämpfen, damit der Klassenerhalt gesichert bleibt.

Nächster Artikel