Interview | Ex-Herthaner Sebastian Langkamp - "Dardai ist der richtige Mann zur richtigen Zeit"

Fr 26.03.21 | 08:50 Uhr
Ex-Herthaner Sebastian Langkamp (Quelle: imago images/foto2press)
Bild: imago images/foto2press

Fast fünf Jahre lang spielte Sebastian Langkamp für Hertha BSC. Mit seinem Wechsel nach Australien wagte er einen neuen Schritt. Im Interview spricht er über das ungewohnte Leben ohne Maske, ein Feierabendbierchen mit Ex-Mitspieler Baumjohann und Pal Dardai.

rbb|24: Herr Langkamp, während hier in Berlin noch Nachmittag ist, ist es bei Ihnen in Australien schon spät. Wie sah Ihr Tag bisher aus?

Sebastian Langkamp: Die Tage beginnen hier, sobald die Sonne aufgeht. Die Australier stehen sehr gerne sehr früh auf. Spätestens um 6 Uhr sind die ersten schon am Sporteln. Wir haben auch immer eher früher Training, gegen 8:30 Uhr oder spätestens um 9 Uhr - auch wegen der Hitze. Ich hatte heute Morgen Training, dann Babyschwimmen mit meinem Kleinen (lacht). Und jetzt komme ich gerade vom Spiel, wo wir 1:1 gegen den Sydney FC gespielt haben.

Sie warten wegen einer Verletzung noch auf Ihren ersten Einsatz. So haben Sie sich den Start in eine neue Liga vermutlich nicht vorgestellt.

Leider habe ich mir vor drei Wochen das Handgelenk gebrochen, was mich jetzt 14 Tage zurückgeworfen hat. Ich habe jetzt eine Spezialschiene bekommen, die es mir erlaubt, wieder zu trainieren. Das ist ein bisschen unglücklich gelaufen, aber ich hoffe, dass ich nächste Woche wieder mittrainieren kann.

Sie hatten vor Ihrem Wechsel auch Angebote aus Deutschland. Warum haben Sie sich für das andere Ende der Welt entschieden?

Einerseits war die Erfahrung der ausschlaggebende Punkt. Andererseits darf man auch nicht vergessen, wie es coronabedingt gerade in Deutschland aussieht. Das war ein ganz großes Argument, dass wir hier nach Australien gegangen sind, wo wir ein normales Leben führen können. Und ich war einfach nochmal gewillt, Fußball zu spielen. Ich wollte meine Karriere nicht so beenden. Ich habe dann lange Zeit auf das richtige Angebot gewartet. Wir waren ehrlicherweise schon seit Oktober letzten Jahres in Kontakt, aber wegen der Pandemie hat sich alles ein bisschen hingezogen. Aber jetzt sind wir umso froher, als Familie hier zu sein und wieder ein normales Leben zu führen.

Wie erleben Sie und ihre Familie Australien, auch mit der aktuellen Corona-Situation?

Ehrlich gesagt mussten wir uns wieder ein bisschen daran gewöhnen, ohne Maske rumzulaufen oder Handshakes zu machen, die man ja von Fußballern kennt. Nicht mehr einen großen Bogen um die Leute zu machen, wenn sie einem auf dem Bürgersteig entgegenkommen: All diese Kleinigkeiten genießen wir total.

Sie haben schon vom Spiel gegen den Sydney FC gesprochen. Dort ist auch Ihr ehemaliger Hertha-Mitspieler Alexander Baumjohann im Team. Hatten Sie schon Kontakt?

Ja, wir waren immer in Kontakt, auch in Vorbereitung auf unsere Australienreise. Natürlich habe ich mir auch die ein oder andere Info von ihm eingeholt. Wir haben uns gestern getroffen und witzigerweise ist er direkt im Hotel neben unserem Apartment. Ich habe ihn gerade schon kurz gesehen und werde auch gleich nochmal runtergehen. Es gibt gleich noch ein kleines Bierchen und dann reisen sie glaube ich morgen weiter. Und in knapp zweieinhalb Wochen sehen wir uns schon wieder zum Rückspiel.

Bevor es nach Australien ging, haben Sie mit Herthas U23 trainiert, wie ist es dazu gekommen?

Dass der Kontakt zu Hertha nicht abgerissen ist und ich da noch einige Leute kenne, steht ja außer Frage. Ich habe einfach nach einer Trainingsmöglichkeit in Deutschland gesucht, wo ich mich nicht so sehr akklimatisieren musste. Ich habe in Berlin auch noch eine Immobilie, wo wir dann unterkommen konnten. Deswegen hat sich das alles zusammengefügt und Hertha hat mir die Möglichkeit gegeben. Das war alles total unkompliziert. Ich bin froh, dass ich da zweieinhalb Wochen mittrainieren konnte, denn das hat mir für mich die Sichtweise auf den Fußball gegeben, dass ich gesagt habe: Ich will noch weiterspielen.

Während ihrer Profizeit bei Hertha haben Sie unter Pal Dardai gespielt. Jetzt ist er wieder zurück. Wie verfolgen Sie die aktuellen Geschehnisse bei Hertha?

Ja, es läuft eher so semi, ne. Ich verfolge natürlich die Ergebnisse und Spielberichte. Leider ist es hier nicht möglich, die Bundesliga live zu schauen. Ich kann nur sagen, dass wir mit Pal damals den Turnaround geschafft haben. Ich glaube, dass er der richtige Mann auf dieser Position zur richtigen Zeit ist. Ich drücke natürlich alle Daumen für Hertha. Das hat sich jeder ein bisschen anders vorgestellt. Mit der Großinvestition waren die Erwartungen glaube ich ganz anders geknüpft. Wenn man in so einem Strudel ist, ist es schwierig, wieder an die Basics anzuknüpfen. Ich glaube, dass diese Mannschaft nicht dafür ausgelegt ist, deswegen drücke ich die Daumen, dass sie trotzdem den Klassenerhalt schaffen und sich im Sommer dann an die Basics erinnern, die einen ja in der Vergangenheit doch einen Tick erfolgreicher gemacht haben als in dieser Saison.

Was schätzen Sie an Pal Dardai besonders?

Er ist einfach ein ehrlicher Typ und sagt dir seine ehrliche Meinung ins Gesicht. Das ist in dieser Phase wichtig, da gibt es nichts mehr rumzudaddeln. Ich glaube, dass er auch dieses Zwischenmenschliche wieder in die Mannschaft reinbringen kann. Pal ist auch ein Trainer, der der Mannschaft sehr nahesteht. Er ist schon ein bisschen Spielertrainer und auch für den einen oder anderen Spruch oder eine Konversation gut, die du zwischen Trainer und Spieler eigentlich nicht hast. Deswegen glaube ich, dass er der Mannschaft das Zutrauen zurückbringen kann, weil er Nähe zeigt.

Sebastian Langkamp und Trainer Pal Dardai tauschen sich aus (Quelle: imago images/Eibner
Waren viel im Austausch: Trainer Pal Dardai und Sebastian Langkamp. | Bild: imago images/Eibner

Am Ostersonntag steht in Berlin das große Derby an. Diese Erfahrung konnten Sie während Ihrer Zeit bei Hertha nicht machen. Sind Sie darüber traurig?

Es ist echt schade, das muss ich ehrlich sagen. Der Charme ist jetzt natürlich ein bisschen verloren gegangen, weil keine Zuschauer erlaubt sind. Aber die Brisanz ist natürlich da und solche Spiele sind auch wichtig für die Stadt. Als Fußballer lebt man für genau solche Spiele, die eine gewisse Brisanz und eine Vorgeschichte haben. Ich würde es mir gerne anschauen, aber der Zeitunterschied macht das nicht möglich. Aber ich drücke natürlich Hertha die Daumen.

Ihr Tipp fürs Hauptstadtderby?

Ich glaube, es wird ein enges Spiel. Union ist eine sehr gute Mannschaft und spielt gerade eine gute Runde. Sie haben mit Max Kruse jemanden, der immer für ein Tor gut ist. Ich tippe auf ein 2:1 für Hertha und hoffe, dass sie in einen gewissen Lauf kommen, um sich ein Punktepolster zu schaffen.

Sie haben in Australien einen Zweijahresvertrag. Wollen Sie anschließend dortbleiben oder wieder zurück nach Deutschland?

Das ist die Frage, die mir jeder stellt. Ich habe bisher nicht so weit gedacht. Ich bin einfach nur froh, dass ich diese Erfahrung sammeln kann. Ehrlicherweise ist eigentlich Berlin als die Station angedacht, die wir nach meiner Karriere anpeilen, zumindest für die nächsten Jahre. Ich wäre überrascht, wenn wir hierbleiben, denn unsere Familie und Freunde sind in Deutschland. Ich glaube, da muss schon sehr viel passieren, dass ich das alles aufgeben würde.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lynn Kraemer, rbb Sport. Es handelt sich um eine gekürzte und leicht redigierte Fassung.

Sendung: rbb UM6, 26.03.2021, 18 Uhr

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