Meinung | Hertha nach fünf Spielen unter Trainer Dardai - Das "P" in Pal steht für positiv
Auch unter Pal Dardai steckt Hertha BSC tief im Abstiegskampf. Nur einen Punkt holten die Berliner mit dem neuen Trainer. Und doch ist Dardai der Richtige für die Rettung, meint Dennis Wiese.
Pal Dardais Augen waren ziemlich klein am Tag nach der Niederlage gegen Wolfsburg. Schon um halb zehn saß der Ungar vor der Computerkamera, um seine Eindrücke zu schildern. Die Eindrücke vom fünften Spiel, in dem er mit Hertha die vierte Niederlage kassiert hatte.
Das Ganze erinnerte mich an den Hollywood-Klassiker "Und täglich grüßt das Murmeltier". Immer und immer wieder dasselbe: Die Leistung seiner Kicker war gut, Punkte gab es keine. Auch weil Hertha in den fünf Spielen unter Dardai nur zwei Törchen zustande brachte.
"Was soll ich jetzt mit den Spielern machen? Wir machen weiter und warten, bis der Moment kommt, in dem wir Tore machen. Das muss. Das kommt. Es kann nicht sein, dass das nicht kommt. Das wäre unnormal."
Liest man nur die Aussagen, bei gerade einem gesammelten Pünktchen aus fünf Spielen - man könnte sie für Durchhalteparolen halten. Für Floskeln im quälend langen Ringen um den Klassenverbleib. Sieht man aber die Gesichtszüge, die strahlenden Augen des 44-jährigen Ungarn, dann spürt man: Pal Dardai ist überzeugt. Überzeugt von seiner Mannschaft, seiner Arbeit. Und davon, dass seine Hertha die Klasse halten wird.
Dardai strahlt die dringend benötigte Ruhe aus
Beim Rekord-Bundesligaspieler der Berliner ist das Glas halb voll. Das Gute überwiegt. Immer. Und Dardai zeigt sich in seiner zweiten Amtszeit als Trainer des Hauptstadtklubs ruhig, ausgeglichen, entspannt. Trotz des Drucks, der auf ihm lastet.
"Ich schlafe gut. Weil die Ordnung stimmt. Ich könnte nicht schlafen, wenn hier Chaos wäre. Wenn die Jungs nicht zuhören würden. Aber sie machen gut mit, in der Kabine ist gute Stimmung."
Der emotionale Trainer kann auch dünnhäutig werden
Es ist wichtig und richtig, dass Dardai die Ruhe bewahrt, seine angeschlagenen Spieler starkredet. Und auch nach außen einen ganz geerdeten Eindruck vermittelt. Das war nicht immer so. In seiner ersten Trainer-Amtszeit konnte er sehr dünnhäutig werden. Etwa, wenn Journalisten beim Thema "Immer positiv bleiben" nicht zu hundert Prozent seiner Meinung waren.
Im Sommer 2015 hat Dardai mich das spüren lassen. Damals wie heute war ich als Hertha-Reporter auch für das Fragenstellen zuständig. Dardai hatte Hertha in seinen ersten Trainermonaten gerade so vor dem Abstieg bewahrt, aus den letzten sieben Spielen aber nur drei Punkte geholt. Dazu stockte es beim Thema Neuzugänge: Nur Vladimir Darida und der 21-jährige Mitchell Weiser hatten in Berlin unterzeichnet, eine Woche vor Saisonbeginn.
Also fragte ich Dardai nach seinen Erwartungen bei dieser schwierigen Ausgangslage. Das war zu viel. Bei künftigen Interviews hat er mich immer abblitzen lassen: "Du bist zu negativ."
Einige Wochen später hatten wir die Sache aus der Welt geräumt. Der emotionale Trainer aber monierte mir gegenüber, Berlin sei immer negativ. Die Saison habe noch nicht einmal begonnen und schon gebe es scheinbar kritische Fragen. Eine positive Stimmung sei essenziell. Gerade in schwierigen Phasen des Klubs - damals wie heute.
Dardai ist kein Zauberer
Dass er kein Zauberer sei, hat Dardai schon bei seiner Vorstellungsrunde Ende Januar gesagt. Eine Siegesserie aus dem Ärmel schütteln. Bei den Gegnern Frankfurt, Bayern, Stuttgart, Leipzig und Wolfsburg - unmöglich. Vor allen Dingen in der Lage, in der Dardai die Mannschaft übernahm. Seit seinem ersten Abgang als Bundesligatrainer 2019 reihte sich bei Hertha eine Fehlentscheidung an die andere: Ante Covic, Jürgen Klinsmann und Alexander Nouri waren Fehlbesetzungen auf der Trainerbank. Die Zusammenstellung der Mannschaft in dieser Zeit katastrophal. Dardai-Vorgänger Bruno Labbadia scheiterte beim Zusammenkehren des Scherbenhaufens.
Dardai hat in wenigen Wochen für Sicherheit, Struktur und Stimmung gesorgt. Mehr war beim "schwersten Job seiner Karriere" bislang kaum möglich. Jetzt muss Hertha punkten. Am kommenden Wochenende kommt der FC Augsburg. Die erste Pflichtaufgabe. Ein Spiel, an dem sich Dardai und die Mannschaft messen lassen müssen. Der Trainer geht die Aufgabe optimistisch an. Wie immer. Denn das "P" in Pal steht für positiv. Dardai hätte sich ein erfolgreiches Ende verdient, bei dieser schwierigen Mission Klassenerhalt.
Sendung: rbb Um6, 01.03.2021, 18 Uhr