Interview | Bloggerin "Radelmädchen" - "Auf dem Fahrrad habe ich ein Gefühl von Freiheit"

Do 01.04.21 | 08:51 Uhr
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"Radelmädchen" Juliane Schumacher (Jan Bubenik)
Bild: Jan Bubenik

Seit 2014 bloggt die Berlinerin Juliane Schumacher über ihre große Liebe, das Fahrrad. Ein Gespräch über die perfekte Tourenplanung, die wichtigsten Kriterien beim Kauf - und den einen Tipp gegen Muskelkater.

rbb|24: Frau Schumacher, auf Ihrem 2014 gegründeten Blog "Radelmädchen" schreiben Sie über alles rund ums Radfahren. Was ist so toll an diesem Sport?

Juliane Schumacher: Mittlerweile habe ich richtig den Drang, mich zu bewegen. Ich weiß, sobald ich auf dem Fahrrad sitze, habe ich ein Gefühl von Freiheit. Nach längeren Touren setzt auch ein Glücksgefühl ein, es geschafft zu haben. Dazu eine wohlige Müdigkeit.

Sie sagen "mittlerweile". Das klingt nach einem steinigen Beginn.

Radfahren war für mich zunächst nur das perfekte Fortbewegungsmittel, um in der Stadt von A nach B zu kommen. Dabei habe ich festgestellt, dass ich meine Umgebung besser kennengelernt und neu wahrgenommen habe. Irgendwann hatte ich Lust, richtige Touren zu machen und dabei festgestellt, wie gut mir das seelisch tut. Wenn ich auf dem Rad sitze, fange ich an, über Dinge nachzudenken, Ideen zu finden oder ganz im Gegenteil einfach komplett abzuschalten.

Angefangen hat es bei Ihnen mit einem Cityrad mit Tiefeinsteiger. Inzwischen besitzen Sie gleich mehrere Fahrräder. Worauf sollte man beim Kauf achten?

Richtig wichtig: Dass das Fahrrad größenmäßig passt. Das kann einem den Spaß am Radfahren so sehr verderben, wenn der Rahmen zu groß ist oder zu klein. Man kann natürlich nachträglich viel einstellen, aber es sollte von Anfang halbwegs hinhauen. Und dann sollte man ein Fahrrad suchen, das für den Zweck, für den man es nutzen will, passt. Also wenn ich weiß, ich will es hauptsächlich in der Stadt nutzen, sollte vielleicht ich nach einem Rad mit Gepäckträger schauen.

Und mit einem solchen Modell ist es dann sinnlos, einen Ausflug aufs Land zu wagen?

Es hängt von der Motivation ab. Meine erste 100-Kilometer-Tour habe ich damals mit dem Tiefeinsteiger-Cityrad gemacht. Ein furchtbarer Koloss. Das hat natürlich nicht so viel Spaß gemacht wie mit den Fahrrädern, die ich jetzt habe. Aber ich wollte es halt machen.

Haben Sie aktuell einen Rad-Favoriten?

Ich bin ein bisschen verliebt ins Gravelbike, was ja so ein bisschen ein Hybrid aus Mountainbike und Rennrad ist. Das ist in den letzten Jahren sehr, sehr beliebt geworden, auch weil man damit sehr, sehr flexibel ist. Es hat ein eine bequemere Geometrie als ein Rennrad, ist aber sportlicher als ein Mountainbike. Dazu die breiteren Reifen als zum Beispiel beim Rennrad. Damit ist man also gut ausgerüstet, wenn man es sportlich mag, aber auch ein bisschen im Gelände fahren möchte.

Mit dem Frühlingsanfang beginnt nun auch die Rad-Saison so richtig. Worauf sollte man achten, wenn man sein Fahrrad aus dem Winterschlaf holt?

Mittlerweile sind zwar viele Fahrräder mit Scheibenbremsen ausgerüstet, aber da gilt wie bei Felgenbremsen auch: Bremsbeläge checken und schauen, ob da noch genug drauf ist. Dazu Reifen und Reifendruck prüfen. Außerdem sollte die Kette sauber sein und frisch gefettet. Nur nicht zu viel, weil dann hat man auch wieder nur Dreck drauf.

Der Geist ist willig, das Fahrrad in gutem Zustand und das Wetter passt auch. Fehlt nur noch die passende Route.

Zu 99 Prozent nutze ich dafür die App "Komoot" [komoot.de]. Ich überlege mir vorher, wie weit will ich fahren oder habe ich ein bestimmtes Ziel und dann schaue ich mithilfe der App, wie komme ich da hin. Auf wenig Hauptstraßen und schönen Waldwegen. Dann kommt das auf mein Navi und dann geht es los.

Haupt- und Landstraßen sind vor allem auch gefährlich. Haben Sie Tipps für ein sicheres Fahrgefühl?

Viele Landstraßen haben auch Radwege daneben, die sind dann auch ganz ok. Aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden. Dann ist es wichtig, je nachdem welcher Dämmerungszustand gerade ist, auf jeden Fall Licht anzuhaben. Und dann: Nicht zu nah am Rand fahren! Natürlich bleibe ich auf der rechten Seite der Straße, aber so, dass ich noch einen sicheren Abstand zum Straßenrand habe, damit ich nicht noch mehr das Gefühl habe, in die Ecke gedrängt zu werden. Weil dann ist es oft so, dass noch enger überholt wird und ich noch eher ein Beklemmungsgefühl habe. Das heißt ich versuche schon, meine Position auf der Straße einzunehmen. Und zu zeigen: Ich fahre hier, ich darf hier auch fahren, und wenn Du mich überholen willst, dann mit Spurwechsel.

Gibt es denn noch weitere Kriterien, von der Art und Beschaffenheit der Wege einmal abgesehen?

Das hängt von den Touren ab. Neulich war ich an einem Tag 184 Kilometer unterwegs. Da wollte ich mir einfach einen Ausweg lassen. So dass ich, wenn gar nichts mehr geht, vielleicht noch fünf Kilometer fahren muss, und dann kommt ein Bahnhof. Bei Touren in Gegenden, die ich nicht so kenne, schaue ich oft nach alternativen Wegen. In Berlin und Brandenburg brauche ich das nicht, da schaue ich eher nach Zwischenstationen, an denen ich ein Eis kriege. Das muss man gerade in Brandenburg beachten, da kann es sehr einsam werden. Außerdem fahre ich ungern die gleiche Strecke hin und zurück.

Nun liegen Berlin und Brandenburg nicht gerade in den Alpen. Trotzdem: Anstiege lieber an den Anfang oder ans Ende einer Fahrt legen?

In die Mitte! Erstmal warmfahren, denn Berge auf kalte Beine sind nicht so geil. Insgesamt sollte die Strecke möglichst so sein, dass es mal ein bisschen fordernder ist und mal richtig rollen kann.

Rund ums Radfahren fast so berühmt wie die Tour de France ist der sogenannte "Hungerast". Also ein Leistungseinbruch wegen mangelnder Nahrungsaufnahme. Mit welchem Proviant gehen Sie auf Tour?

Tendenziell habe ich zwei Trinkflaschen dabei. Das sind 1,5 Liter insgesamt. Manchmal mache ich, gerade im Sommer, eine Elektrolyt-Tablette rein, damit ich, wenn ich viel schwitze, ein bisschen wieder was aufnehme. Dann habe ich immer drei, vier Müsli-Riegel dabei.

Und wenn der große Hunger kommt?

Bei Tagesausfahrten hier in der Umgebung gucke ich bei der Planung, dass auf dem Weg eine Tankstelle oder Bäcker liegt, wo ich was holen kann.

Kulinarisch also eher leichtes Gepäck. Auch in Sachen Werkzeug?

Ich habe immer ein Multi-Tool dabei, falls irgendwas am Rad ist. Dazu Flickzeug, meistens einen Ersatzschlauch und tendenziell auch eine Minipumpe. Oft habe ich auch ein Erste-Hilfe-Kit bei mir. Und manchmal Kabelbinder - weil Kabelbinder können einem alles mögliche retten.

Wie steht es um die richtige Kleidung? Tut es die Alltagsklamotte?

Je nach Länge der Tour würde ich von Jeans abraten. Jeans haben oft so dicke Nähte, das kann sehr unangenehm werden im Schritt. Ich habe sportlichere Kleidung schätzen gelernt. So ein Jersey mit Taschen hinten, das ist halt praktisch. Da ist mein Smartphone drin, da sind Taschentücher drin und vielleicht auch mein Geldbeutel. Das habe ich dann immer an mir dran. Dazu ist es bei längeren Touren einfach nett, ein Polster an der Hose zu haben. Und mittlerweile gibt es ja auch ganz schöne.

Zum Abschluss die alles entscheidende Frage: Was hilft wirklich gegen Muskelkater?

Regelmäßig fahren! (lacht)

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Ilja Behnisch, rbb-Sport.

Sendung: rbb24, 31.03.2021, 22 Uhr

4 Kommentare

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  1. 4.

    Auch ich habe die Erfahrung gemacht, daß man von den Autofahrern völlig ignoriert wird, wenn man ganz am Straßenrand fährt und zu dicht überholt wird. Ich fahre immer 1 m links vom Seitenstreifen. Da habe ich Platz, um nach rechts ausweichen zu können bei Schlaglöchern oder anderen Hindernissen auf der Straße und die Autos müssen ausweichen, um überholen zu können. Das gefällt zwar nicht allen. Aber wenn es denen nicht paßt, müssen sie sich eben ein Fahrrad kaufen. Dann kommen sie einfacher vorbei. Ich zwinge niemand, Auto zu fahren. Zuerst kommt meine Sicherheit. Dann kommt eine ganze Weile nichts. Dann können mich die Autos überholen.-

  2. 3.

    Den Abstand zur Bordsteinkante halte ich auch immer damit, dass ich nicht über die Gullis fahre.
    Aber ich habe mir bei Gelegenheit auch mal vom ADFC eine Sicherheitsweste gekauft. Die ist mit dem Hinweis auf den Abstand von 1,5 Metern beflockt. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass vielen AutofahrerInnen diese Regel aus StVO nicht mehr so bekannt war, denn mit dieser Weste wird tatsächlich annähernd der Abstand eingehalten.
    Als Auofahrerin sorge ich allerdings für so manche Bissspuren in den Lenkrädern der mir nachfolgenden Fahrzeuge. Wenn ich nicht mit dem nötigen Abstand überholen kann, dann tuckere ich halt dem Rad hinterher, aber so, dass die Autos hinter mir nicht auf den dummen und gefährlichen Gedanken kommen, mich und das Rad zu überholen. Immer schön an der Trennlinie zum Gegenverkehr. ;-))

  3. 2.

    184 Kilometer an einem Tag sind beachtlich.
    Ich bin mit meinem "Expeditionsrad" [27,5 x 2,25"] einmal Berlin - Linum und zurück gefahren... Das waren knapp 100 Kilometer mit dem Eisenschwein..

    Bei der Kleidung bin ich noch nicht so glücklich. Mir sehen diese ganzen Fahrradsachen zu komisch aus. Das ist auf dem Rad in Ordnung... wenn ich mich aber ohne Rad bewegen will, komme ich mir blöd vor.

    Neue Jenas haben einen hohen Stretchanteil und nicht so dicke Nähte... Die sind "skinny" und leicht... Dazu kommt ein leichter Wanderschuh in Halb oder Knöchel...

    Komoot ist tatsächlich derzeit die beste App...Ich wünschte, es gäbe noch andere Apps.

  4. 1.

    Auch wenn ich nicht solche Touren mache, kann ich ihrer Vorbereitung und Durchführung nur beipflichten. Die erwähnte App ist sehr praktisch, weil leider nicht überall eine vernünftige Ausschilderung von Radwegverbindungen existiert. Im Havellamd und anderswo, mit den Knotenpunkten, ist es wesentlich komfortabeler.
    Am Besten ist allerdings ihr Hinweis, sich als Radler seine Position auf der Straße zu suchen. Das handhabe ich schon immer so. Auch in der Stadt. Ein Fahrzeug mit vier Rädern muss die Spur wechseln, um vorbei zu kommen. Der Meter rechts neben mir ist mein Sicherheitsabstand. Auch weil es sich über Gullideckel schlecht fährt. Und zum anderen ist ausweichen nach links, in den Verkehr hinein, schlecht für die Gesundheit.

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