Wasserspringer Hausding vor Olympia-Quali - Fremd in der eigenen Stadt

So 14.03.21 | 15:09 Uhr
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Patrick Hausding (v.) (imago images/Andrea Staccioli)
Video: rbb UM6 | 09.03.2021 | Jonas Schützeberg | Bild: imago images/Andrea Staccioli

Eigentlich wohnt Patrick Hausding in unmittelbarer Nähe des Trainingszentrums, in dem sich die deutsche Nationalmannschaft auf den Weltcup in Tokio vorbereitet. Warum er trotzdem im Hotel lebt - und ein Comeback auf dem Zehn-Meter-Turm erwägt. Von Ilja Behnisch

Es sei "ein bisschen eigenartig", sagt Patrick Hausding, aber "unter den Umständen geht es nicht anders. Die Sicherheit der Nationalmannschaft steht natürlich im Vordergrund". Hausding ist 32 Jahre alt inzwischen, sein erstes Europameisterschafts-Gold holte der Wasserspringer bereits 2008.

Doch auch für ihn ist es die erste Pandemie. Deshalb gibt es auch für den 15-fachen Europameister, den zweifachen Medaillengewinner bei Olympia, den Weltmeister, den dreifachen Sieger bei der Wahl zu "Berlins Sportler des Jahres", dem Weltspringer 2010 und dem "Champion des Jahres" 2016 ein ganzes neues Trainings- und Lebensgefühl.

Wobei das mit dem Training eigentlich fast wie immer ist im Schwimmpark an der Landsberger Allee. Nur dass es für den gebürtigen Berliner im Anschluss an die Einheiten eben nicht in die gerade einmal zehn Minuten entferne Wohnung geht, sondern ins Hotel direkt gegenüber.

Nur wenige Qualifikationsmöglichkeiten

Aber sie hatten eben schon einen positiven Corona-Fall im Nationalmannschafts-Kader. Ein weiterer wäre "tödlich", so Hausding. Schließlich trainieren sie nicht zum Vergnügen, sondern für einen Weltcup in Tokio. Vom 18. bis zum 23. April soll er über die Bühne gehen, diese seltene Möglichkeit, sich für die Olympischen Spiele ab Ende Juli zu qualifizieren.

Die Europameisterschaft Mitte Mai in Budapest und die Deutschen Meisterschaften Anfang Juni stellen weitere Qualifikations-Möglichkeiten dar. Aber zum einen steht jeder weiterhin jeder Wettkampf unter Vorbehalt. Vor allem aber wäre ein positiver Coronafall innerhalb der Nationalmannschaft wohl gleichbedeutend mit einer Quarantäne des kompletten Kaders. Eine Katastrophe für einen Leistungssportler.

Also Hotelzimmer statt der eigenen vier Wände, aber das Wasserspringen ist eben nicht nur Leidenschaft, sondern auch Beruf. "Der moderne Leistungssport ist ein Job", so Hausding. "Wir machen das, wofür wir bezahlt werden (…). Und dann ist das unsere Verpflichtung, aber auch unser Recht, die Sportart dementsprechend auszuüben, dass wir die Sachen, für die wir jahrelang trainieren, auch mal darstellen." Also Training, Training, Training - aber auch Wettkampf und Reisen, allen Kritikern zum Trotz.

Sehnsucht nach dem Zehn-Meter-Turm

Zumal Hausding kaum Bedenken hat, wenn es um seine Gesundheit geht. Zwar habe man nie eine hundertprozentige Sicherheit, aber "es wird alles Menschenmögliche getan, dass wir da gesund ankommen." Vor Ort dann werde er schon nervöser sein als sonst, aller Erfahrung zum Trotz: "Mein letzter Wettkampf liegt jetzt 13 Monate zurück. Das hatte ich noch nie in meiner ganzen Karriere. Deswegen wird die Aufregung wahrscheinlich hoch sein."

Dabei hat Hausding einen Quoten-Startplatz bereits sicher: "Der Drei-Meter-Startplatz ist eine Riesenhürde, die ich schon genommen habe. Deswegen werde ich mich jetzt beim Weltcup mehr auf Synchron konzentrieren." Und wer weiß, womöglich wird er auch nochmals in der Königsdisziplin seines Sports angreifen, dem Zehn-Meter-Turm. Sollte sich ein junger Sportler aus der Nationalmannschaft entsprechend entwickeln, dann sei er nicht abgeneigt. Die Vielseitigkeit, der Anspruch, der Rausch würden ihm schon „ein bisschen“ fehlen. Und überhaupt: "Man fühlt sich auf zehn Metern einfach majestätisch." Zumal er dort oben "groß geworden" und der Turm "der Ursprung meiner Karriere" sei. Die gemeinsam mit seinem Partner Sascha Klein errungene Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wird angesichts der Übermacht der chinesischen und russischen Springer für immer herausragen.

Training für Olympia - und Prüfungsphase an der Uni

Auch wenn eine Medaille schwer zu wiederholen sein dürfte, wäre es ein passender Schlusspunkt unter eine beeindruckende Karriere, zumindest in Hinblick auf Olympia. Denn die Spiele von Tokio seien "definitiv seine letzten", so Hausding. Und weil das Leben "ja auch nach dem Sport weitergeht", studiert Hausding bereits neben der Karriere: Englisch und Sport auf Lehramt. Derzeit ist Prüfungsphase an der Uni. Also wird nach dem Training fleißig gebüffelt. Nur eben im Hotelzimmer statt daheim. Es ist eben alles ein bisschen eigenartig.

Sendung: rbb UM6, 09.03.2021, 18 Uhr

1 Kommentar

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    „…Wobei das mit dem Training eigentlich fast wie immer ist im Schwimmpark an der Landsberger Allee…“

    Für viele Kinder sieht die Realität leider anders aus. Ich würde mir wünschen, dass gerade erfolgreiche Athleten wie Herr Hausding aus Randsportarten künftig lauter werden und darauf aufmerksam machen, was das letzte Jahr gerade für Kinder, die beispielsweise eine Schwimmhalle für ihren Sport benötigt hätten, bedeutet hat. Sport für Kinder sollte mit entsprechenden Konzepten dringend wieder möglich gemacht werden. Dies ist wichtig für ihre körperliche und seelische Entwicklung. Felix Neureuther geht hier mit gutem Beispiel voran. Solche Erfolge, wie Herr Hausding sie sich hart erarbeitet hat, wird es in Zukunft weniger geben. Das sollte uns allen bewusst sein. Aktuell gibt es schon eine hohe Anzahl an Austritten aus Vereinen, Online-Trainings können nicht alles ersetzen…

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