Interview | Reform der Champions League - "Was gerade passiert, ist eine kleine Verschlimmbesserung"

Mi 14.04.21 | 14:37 Uhr
Dunkelblaues Banner mit "UEFA Champions League "-Aufdruck (Quelle: Imago Images / motivio)
Bild: Imago Images / motivio

Die Uefa will über eine Reform der Champions League abstimmen. Noch mehr Spiele und weniger Chancen für Außenseiter. Fanvertreter wie Martin Endemann von den Football Supporters Europe kritisieren die Vorgehensweise. Sie fühlen sich übergangen.

rbb|24: Herr Endemann, die Großclubs drohen seit Jahren mit einer eigenen Super League und erpressen damit mehr oder weniger den europäischen Verband, die Uefa. Die Reform der Champions League soll nun darauf hinauslaufen, dass es mehr Spiele und noch mehr Geld für Topvereine wie Bayern München oder Real Madrid gibt. Und in der Qualifikation gibt es eine Regelung, die Clubs begünstigt, die in der vergangenen Dekade ganz ordentlich gekickt haben, aber Überraschungsmannschaften aus der vergangenen Saison nicht berücksichtigt. Das war doch zu erwarten, oder?

Martin Endemann: Ja, das war schon zu erwarten. Die Drohung einer Super League steht schon seit Jahren im Raum, aber da muss man halt auch mal ganz deutlich sagen: Bis heute hat sich die nicht bewahrheitet. Es ist auch überhaupt noch nicht sicher, wer daran teilnehmen würde. Und da muss ich auch sagen, dass mir auch von deutschen Vereinen viel zu wenige Funktionäre sagen, dass sie da nicht mitmachen. Da sagt auch der DFB nicht klar: Wenn ihr da in eure Super League gehen wollt, könnt ihr das gerne machen, aber dann spielt ihr auch nicht in unseren Wettbewerben mit.

Ihr Netzwerk, die Football Supporters Europe, ist von der Uefa als Fanvertreter anerkannt. Welche Vorschläge hätten Sie denn auf den Tisch gelegt, wenn Sie auch hätten dransitzen dürfen?

Vorschläge sind immer so ein bisschen schwierig. Wir versperren uns nicht einer sinnigen Reform. Aber wenn man nicht gefragt wird, kann man erstmal nur mit dem arbeiten, was man vorgelegt bekommt. Und da ist natürlich klar, dass wir diese Mehranzahl der Spiele und den Zugang für Vereine aufgrund ihrer vergangenen Europapokal-Triumpfe völlig ablehnen.

Für uns ist ganz klar: Der Zugang zu europäischen Wettbewerben darf ausschließlich auf dem sportlichen Erfolg in der Liga im Jahr zuvor basieren. Das sind alles so Punkte, wo man sagen muss: Da bekommen Fans und eben auch viele Vereine, die dadurch Schaden nehmen würden, so ein bisschen die Pistole auf die Brust gesetzt. Im Sinne, dass alles noch viel schlimmer kommen könnte.

Kritik ist das eine. Aber sollte jemand, der kritisiert, nicht auch Vorschläge auf den Tisch packen können?

Natürlich können wir Vorschläge auf den Tisch packen. Wir haben ein 40-seitiges Positionspapier herausgegeben, wie wir uns einen Europapokal vorstellen [www.fanseurope.org]. Das ist keine Sache, die man eben mal in fünf Minuten machen kann. Die Uefa hat jetzt zwei Jahre an diesem Vorschlag gebastelt, ohne sich eine Fanmeinung einzuholen. Und dann kann man nicht von uns erwarten, dass wir innerhalb einer Woche einen komplett neuen Wettbewerb aus dem Boden stampfen.

Was gerade passiert, ist eine kleine Verschlimmbesserung. Jedes Jahr wird es einfach ein bisschen unübersichtlicher und schlechter für den gesamteuropäischen Fußball. Und natürlich gibt es dann auch Stimmen, die sagen: Wir fangen wieder ganz von vorne an.

Fans sind ja nicht zimperlich in ihren Aussagen. Warum zeigen Sie denn dem Big Business nicht einfach den Finger und sagen, dass Sie nicht mehr kommen?

Das große Problem ist, dass im Moment einfach gar keiner kommen kann. Ich bin mir ziemlich sicher, der Druck auf die großen Vereine und auf die Verbände wäre sehr viel größer, wenn jetzt Leute im Stadion wären. In ganz Europa hätte es da sehr laute Protestformen gegen diese Reform gegeben. Und ist es nicht einfach, seinen Verein hinter sich zu lassen. Selbst für Fans von Bayern München, die da sehr unzufrieden sind, wie Fußball jetzt funktioniert, und auch teilweise, wie sich ihr Verein verhält. Wenn man 20 Jahre zu jedem Spiel gefahren ist, ist es nicht so einfach, von einem Tag auf den anderen zu sagen, dass man da nicht mehr mitmacht.

Aber anders scheint es nicht zu funktionieren. Anders scheint kein Einlenken erreichbar zu sein.

Das geht ja noch weiter. Die Stadiongänger sind von ihrer Wichtigkeit für die meisten Vereine inzwischen sowieso irrelevant. Das merkt man auch daran, wie sie behandelt werden. Es geht auch um die Fernsehzuschauer - und das ist nochmal etwas ganz anderes. Die Leute vor dem Fernseher haben oft gar keine so große Verbindung zu ihrem Verein. Deswegen ist es da sehr viel schwieriger zu sagen, dass niemand mehr diesen Fernseher einschaltet.

Das ist so eine Diskussion, die die ganze Verantwortung bei den Fans lässt. Ich sehe das anders herum: Die Verbände müssen alles dafür tun, dass der Fußball in Zukunft tragfähiger, nachhaltiger und gerechter ist. Das ist nicht die Sache der Fans, da auf Veränderung hinzuwirken, indem man nicht mehr hingeht oder einschaltet.

Gucken Sie derzeit noch gerne Fußball? Also ich nicht.

Ich gucke überhaupt keinen Fußball. Das interessiert mich absolut nicht. In meiner Welt hat Fußball ohne Stadionzuschauer einfach keinerlei Existenzberechtigung. Und das machen viele Leute ganz genauso. Die spannende Frage ist: Wie viele Leute kommen denn wieder? Wer entfernt sich gerade?

Da kann ich mir vorstellen, dass es nach dem ersten Hype, wenn die Stadien in den nächsten Monaten irgendwann wieder auf sind, bei vielen Vereinen dann doch vielleicht ein bisschen mauer aussieht. Sowohl bei den Zuschauerzahlen in den Stadien als auch den Einschaltquoten. Das ist sicherlich eine Sache, die passieren kann und vielleicht bringt das die Vereine dann auch zum Nachdenken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Thomas Kroh, Inforadio. Der Text ist eine leicht gekürzte und redigierte Fassung. Das ganze Interview können Sie hören, wenn Sie auf den Abspielknopf im oberen Bild klicken.

Sendung: Inforadio, 11.04.2021, 16 Uhr

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