Interview | Rocco Teichmann zum Aufstieg von Viktoria Berlin - "Wir sehen es nicht als Abenteuer, sondern möchten uns etablieren"
Seit Freitag ist es offiziell: Nach dem Abbruch der Regionalliga-Nordost steigt Viktoria Berlin als Tabellenführer in die 3. Liga auf und ist nach Hertha und Union die dritte Berliner Mannschaft im Profifußball. Sportdirektor Rocco Teichmann über die zukünftigen Aufgaben.
rbb|24: Rocco Teichmann, seit Freitag ist der Aufstieg von Viktoria Berlin in die Dritte Liga offiziell. Wie haben Sie von der Entscheidung erfahren?
Teichmann: Wie viele, die mit der Regionalliga Nordost oder mit unserem Verein sympathisieren, per Pressemitteilung des NOFV. Der Spielausschuss hatte aber bereits zuvor darüber informiert, welche Empfehlung er aussprechen wird. Es war uns also bewusst, dass die Entscheidung in diese Richtung gehen wird.
Wie hat die Mannschaft die Entscheidung aufgenommen?
Wir haben uns bewusst für Samstagmorgen verabredet und uns getroffen. Wir haben dem Team die frohe Kunde auch aus Vereinssicht noch einmal übermittelt, eine hohe Dankbarkeit und Stolz transportiert und ihnen bewusst gemacht, wie man einen solchen Moment einschätzen sollte. Wir haben der Mannschaft immer verdeutlicht, was ein Aufstieg für uns als Verein und den Berliner Sport bedeutet. Es gibt seit längerem mal wieder einen dritten Berliner Verein hinter Hertha und Union im Profifußball. Die Feierlichkeiten können aktuell allerdings nicht so ausschweifen, wie wir es aus der Vergangenheit kennen.
Sie mussten einige Wochen auf die Entscheidung warten. Gab es die Befürchtung, dass der NOFV doch noch anders entscheidet?
Nein, gar nicht. Wir waren immer im Austausch mit dem NOFV-Spielausschuss. Da ging es auch schon um die Zukunft und die Stadionfrage. Hätte sich etwas geändert, hätte man uns sicherlich in Kenntnis gesetzt. Es war also nicht mehr allzu überraschend. Für den Außenstehenden mag das die Emotionalität bremsen, ich fühle mich aktuell allerdings richtig, richtig gut. Ich sehe es als verdienten sportlichen Aufstieg.
Die Suche nach einem drittligatauglichen Stadion ist wohl die größte Aufgabe und war bereits in den letzten Monaten ein großes Thema. Was ist der aktuelle Stand?
Ich glaube, dass im Moment sehr viel Druck in die Thematik kommt. Wir müssen das Land Berlin dazu bringen, dass es Perspektiven schafft für Vereine, die diesen Weg gehen. Unsere höchste Priorität ist es, die Zulassung für die Dritte Liga zu bekommen. Für den gesamten Verein - die Jugend- und Frauenabteilung - und für die Story von Viktoria Berlin ist es extrem wichtig, dass wir uns in der Dritten Liga platzieren, wenn man sich sportlich dafür qualifiziert hat.
Was sind die konkreten Überlegungen?
Beim Mommsenstadion warten wir aktuell auf ein Feedback vom DFB, außerdem sind wir noch abhängig vom Berliner Senat. Wir sind optimistisch, dass wir Ende Mai eine vollumfängliches Drittliga-Stadion einreichen können - das ist die Frist des DFB. Wir werden mit dem Senat eine Lösung finden. Der Jahnsportpark fällt weg, die Alte Försterei hat abgesagt. Deswegen werden wir uns jetzt intensiv mit dem Mommsenstadion und auch weiterhin mit dem Olympiastadion auseinandersetzen müssen. Wenn wir uns aber in der Dritten Liga etablieren, wird es nicht möglich sein, alle Nutzer mit den bestehenden Stadien zufriedenzustellen. Wir müssen für den Berliner Sport zusätzliche Kapazitäten schaffen. Das ist für die Weiterentwicklung der selbsternannten Sportmetropole einfach notwendig.
Neben der infrastrukturellen Planung gilt es, einen Kader für die Dritte Liga zusammenzustellen.
Damit beschäftigen wir uns täglich. Wir werden einen großen Stamm des jetzigen Kaders mit in die Dritte Liga nehmen. Ansonsten müssen wir noch ein wenig Geduld haben. In der Dritten Liga und der Regionalliga-West und -Südwest wird noch gespielt. Da werden wir viele Erkenntnisse sammeln, über Spieler, die uns noch weiter verbessern werden. Wir werden Optimierungen vornehmen, um den Kader weiterzuentwickeln und konkurrenzfähig zu sein.
Sie haben seit Monaten nicht gespielt und nur eingeschränkt trainiert. Wie kann man sich das Mannschafts- und Vereinsleben derzeit vorstellen?
Wir haben das absolute Privileg, trainieren zu dürfen - das wissen wir zu schätzen. Es ist ärgerlich, dass wir unseren Job nicht in der Wettbewerbssituation ausüben dürfen. Ich begleite nicht nur die erste Mannschaft, sondern gucke auch auf die anderen Bereiche - die Frauen, die Jugend. Es gibt sicherlich Altersklassen, die darunter leiden, dass wir aktuell keine Trainingsmöglichkeiten anbieten dürfen. Wir haben jetzt viel Zeit, uns mit den Fragen der Stadion-Thematik und dem Kader für die Dritte Liga zu beschäftigen. Wir sehen das nicht als Abenteuer, sondern glauben, dass wir stark genug sind, uns dort auch zu etablieren.
Was erwarten Sie von der nächsten Spielzeit, was sind Ihre Ziele?
Ich wünsche mir, dass wir unseren Fußball nicht verändern und unsere Philosophie - Offensiv-Power, Frechheit, Mut - fortsetzen. Wir sollten unser Gesicht nicht verändern. Ich erwarte, dass wir die neue Aufgabe voller Vorfreude angehen und uns nicht nur von Ergebnissen leiten lassen. Es ist eine extrem spannende Situation für uns als Verein. Noch mal: Wir sehen es nicht als Abenteuer, sondern möchten uns etablieren. Es soll ein Zwischenschritt und nicht die Endstation sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Jonas Bürgener, rbb sport.
Sendung: Inforadio, 17.04.21, 10:15 Uhr