Kaderplanung bei Union Berlin - Wenn der erste Dominostein fällt

Fr 30.04.21 | 07:48 Uhr
Die Mannschaft des 1. FC Union Berlin auf dem Fußballfeld (Quelle: Imago Images / nordphoto GmbH)
Bild: Imago Images / nordphoto GmbH

Der 1. FC Union Berlin ist schon fleißig an der Kaderplanung für die Saison 2021/22. Ein paar Neuzugänge stehen schon fest, während manche Spieler voraussichtlich nur schwer zu halten sind. Ein Blick auf den Transfermarkt.

Wer früher plant, hat auf dem Transfermarkt noch mehr Auswahl. Der 1. FC Union Berlin hat mit Rani Khedira und Paul Jaeckel innerhalb weniger Tage bereits zwei Neuverpflichtungen für die neue Saison bekanntgegeben. Durch die überdurchschnittliche Saison haben einige Spieler im Kader die Aufmerksamkeit anderer Vereine auf sich gezogen.

Gemessen an den Ausgaben haben die Köpenicker die zweitgünstigste Mannschaft der Bundesliga, stehen derzeit aber auf dem achten Tabellenplatz. So eine hohe Differenz zwischen Tabellen- und Transferrang hat nur Eintracht Frankfurt. "Wenn du überperformst, ist es grundsätzlich so, dass jeder Spieler für andere Klubs interessant sein kann", sagt Transfermarkt-Experte Philipp Marquardt. Zum Vergleich: Die Differenz zwischen Ausgaben und Tabelle liegt bei Hertha BSC bei -12 Punkten.

Die Transfer-Regeln bei Union

Doch vollkommen unabhängig davon, wer kommt und wer geht, gelten bei Union Berlin einige Grundregeln zur Transferpolitik. "Unverkäuflich ist überhaupt kein Spieler", sagte Union-Geschäftsführer Oliver Ruhnert im letzten Jahr gegenüber der "Bild". Und sobald ein Spieler den Kader verlässt, hat das Auswirkungen auf die Gesamtkonstellation.

Außerdem wird der Verein keine hohen Summen für Spieler ausgeben. Beim Einstieg in die Bundesliga lagen die Ausgaben laut "transfermarkt.de" bei 7,4 Millionen Euro. In dieser Saison gab Union Berlin nur 1,7 Millionen Euro aus. "Gerade jetzt mit Corona gehe ich stark davon aus, dass sich das auch eher wieder im unteren Millionenbereich bewegen wird", sagt Transfermarkt-Experte Philipp Marquardt.

Erst kürzlich beteuerte Oliver Ruhnert, dass Union Berlin keine zweistelligen Millionenbeträge für Spieler ausgeben werde, als sich das Gerücht verbreitete, der Verein habe Interesse an Becir Omeragic vom FC Zürich. Er wolle sich nicht "mit Dingen beschäftigen, die für uns absurd sind", stellte Oliver Ruhnert klar. Stattdessen setzt der Verein besonders auf Spieler, die ablösefrei verfügbar sind.

Wer bleibt?

Doch wie viele Spieler können die Mannschaft verlassen, ohne das Grundgerüst zu zerstören? Und welche Spieler sind für das Gerüst unabdingbar? Denn eine Eigenschaft der Unioner, die immer wieder gelobt wurde, war der Mannschaftszusammenhalt. Eine der Stützen ist Kapitän Christopher Trimmel, dessen Vertrag bisher noch nicht verlängert wurde. Er selbst könnte sich eine weitere Saison im Trikot der Köpenicker vorstellen: "Ich fühle mich wohl und mir gefällt auch das Niveau. Ich bin körperlich fit und das Alter ist mir wirklich wurscht." Aber auch Trimmel warnt: "Wenn man zwei Jahre lang in der Bundesliga ordentlich Leistung gebracht hat, ist es auch so, dass andere Vereine auf einen aufmerksam werden."

Sollten keine anderen Vereine Abwerbungsversuche starten, laufen neben Andrich und Friedrich die Verträge von Sebastian Griesbeck, Leon Dajaku, Max Kruse, Anthony Ujah, Marius Bülter, Marcus Ingvartsen und Jakob Busk bis 2022. Julian Ryerson, Sheraldo Becker und Cedric Teuchert bleiben bis 2023. Dazu kommen die Leihen und Spieler wie Niko Gießelmann und Robin Knoche, deren Vertragslaufzeit nicht bekannt ist.

Was die Verpflichtung von Khedira und Jaeckel bedeutet

Die zwei Verträge für die Abwehrspieler Khedira und Jaeckel lassen auch Rückschlüsse auf den aktuellen Kader zu. Denn in der Verteidigung gibt es gleich vier Spieler, deren Verträge auslaufen (Schlotterbeck, Hübner, Lenz, dessen Wechsel zu Eintracht Frankfurt bereits feststeht, sowie Trimmel) und Marvin Friedrich hat eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag. "Da wird unter anderem von Gladbach gesprochen. Sollte Gladbach da ernst machen wollen, falls Matthias Ginter den Verein verlässt, wird Union da sicherlich keine Chance haben, wenn Marvin Friedrich den nächsten Schritt machen möchte", schätzt Philipp Marquardt ein.

Ein zweiter Kandidat, der viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist Robert Andrich. Und in dessen Fall könnte es international werden, erklärt Marquardt: "Bei Andrich ist es so, dass er schon 2020 gesagt hat, dass er an England interessiert ist. Nun gibt es da Interesse von Norwich City, die auch einige deutsche Spieler haben." Sollte Robert Andrich gehen wollen, rechnet der Transfer-Experte nicht damit, dass der Verein ihm Steine in den Weg legen werde. Mit den zwei ablösefreien Neuverpflichtungen habe man vorgerüstet, um diese möglichen Lücken zu füllen.

Viele Leihspieler – viele Fragen

Im Sommer wird sich der 1. FC Union Berlin von einigen Leihspielern verabschieden müssen, wenn keine Verlängerung ausgehandelt wird. Dazu zählen Nico Schlotterbeck, Petar Musa, Joel Pohjanpalo und Loris Karius. Transfermarkt-Experte Marquardt hält insbesondere Pohjanpalo für einen Kandidaten, bei dem nachgehakt werden sollte: "Jetzt hat er eindrucksvoll bewiesen, was für ein toller Knipser er sein kann. Das hat er in der Vergangenheit auch schon, aber er kann da richtig wertvoll für Union sein. Wenn das Portmonee nicht zu leer ist, ist das sicherlich eine sehr sinnvolle Geschichte." Für Loris Karius sehe er dagegen keine Zukunft in Berlin, wenn Trainer Urs Fischer weiter an Andreas Luthe festhalte.

Bei Keita Endo und Taiwo Awoniyi hat Union Berlin eine Kaufoption nach dem Ende der Leihen. Gegenüber dem "Kicker" deutete Endo am Donnerstag an, dass er bleibe: "Ich sage mal so: Ich sehe dem sehr, sehr positiv entgegen." Die Entscheidung des Vereins sei ihm schon "bekannt" [kicker.de].

Gleichzeitig werden auch bis zu sechs Leihen zurückkehren. So endet Torwart Lennart Mosers Zeit in Klagenfurth. Da im Tor momentan alles offen ist und auch über die Verpflichtung des 20-Jährigen Luca Unbehaun (BVB) spekuliert wird, entscheiden sich die Personalien auf dieser Position voraussichtlich erst nach Saisonende. "Das ist im Grunde genommen das Dominosteinprinzip. Es muss erst ein Stein fallen, bevor die anderen letztendlich dann auch fallen”, sagt Philipp Marquardt.

Wer interessant sein könnte

Neben den Gerüchten über Spieler wie Luca Unbehaun oder Tymoteusz Puchacz gibt es weitere Spieler, die für den 1. FC Union Berlin interessant sein könnten. Als Auswahlkriterium gelte dabei immer: "gut und günstig", sagt Philipp Marquardt. Dazu bringt er Max Meyer vom 1. FC Köln und Levin Öztunali vom 1. FSV Mainz 05 ins Spiel. Die beiden 25-Jährigen haben Bundesliga-Erfahrung und Verträge, die im Sommer auslaufen. Damit erfüllen sie die wichtigsten Kriterien der Köpenicker, deren wichtigstes Ziel es auch in der dritten Bundesliga-Saison sein wird, sich weiter zu etablieren.

Sendung: rbb24, 29.04.2021, 22 Uhr

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