Interview | Super League - "Das Image ist vielleicht sogar irreparabel beschädigt"

Di 20.04.21 | 17:43 Uhr
  11
Flugzeugbanner "#SayNoToSuperLeague" bei Protest in England (Quelle: Imago Images / Pro Sports Images / Simon Davies)
Bild: Imago Images / Pro Sports Images / Simon Davies

Die Ankündigung der Super League hat den Fußball überrollt. Noch ist kein Bundesligist dabei, aber der Protest von den Fans ist groß. Martin Endemann von den Football Supporters Europe sieht Verbände, Vereine, Spieler und Fans vor großen Herausforderungen.

rbb|24: Herr Endemann, zwischen den Ankündigungen der Champions-League-Reform der Uefa und der Ankündigung der Super League ist nicht sonderlich viel Zeit vergangen. Hätten Sie gedacht, dass die Klubs ihre Drohung so schnell wahrmachen würden?

Martin Endemann: Das war immer die Gefahr. So eine Super League und so viele Vereine zusammenzukriegen, manifestiert sich jetzt auch nicht in ein paar Tagen. Da wurde hinter den Kulissen über Wochen, Monate, Jahre gearbeitet. Das dieses Timing so direkt beisammen ist und die Vereine einen Tag vor der Champions-League-Abstimmung ihre Ankündigung gemacht haben, hat uns schon ein bisschen überrascht.

Unter den Gründungsmitgliedern ist kein Bundesligist, aber auf einem der freien Plätze hätten viele den FC Bayern München oder Borussia Dortmund erwartet. Wie überraschend ist es für Sie, dass beide schon vorläufig abgesagt haben?

Was beide Vereine gesagt haben, ist, dass sie die ECA-Position unterstützen und gegen eine solche Super League sind. Aber weder Rummenigge noch Watzke haben gesagt: ‘Wir werden das auf keinen Fall tun.’ Ich denke das Vertragswerk, das sicherlich auch geheim ist, liegt bei den deutschen Vereinen auf dem Tisch.

Und natürlich stehen sie auch unter einem enormen Druck. Die Summen, die hier im Raum stehen, sind kein Pappenstiel. Ich bin mir sicher, dass da sehr fleißig gerechnet wird, was die Vor- und Nachteile sind. Man darf sich da nicht zu sehr auf die deutschen Vereine verlassen. Da muss der Druck der Mitglieder und Fans der beiden Vereine kommen. Aber ich glaube, der Druck ist von der Basis schon da.

Sollten Bayern und Dortmund final absagen, könnten andere deutsche Bundesligisten nachrücken. 3,5 Milliarden Euro sind gerade durch die Corona-Verluste ein verlockendes Angebot. Glauben Sie, dass alle standhaft bleiben?

Ich glaube, dass die meisten deutschen Vereine gar nicht erst angesprochen werden, wenn man sagt, dass man die Elite des Fußballs ist. Zum Glück haben wir bei den deutschen Vereinen, natürlich mit Ausnahmen wie RB Leipzig, ein teilweise doch sehr gut funktionierendes Mitgliederwesen. Ich gehe davon aus, das kommt auf die jeweiligen Statuten eines Klubs an, dass das durch eine Mitgliederversammlung bestätigt werden müsste. Das wissen auch die Vereine und ich glaube, da kriegen doch einige kalte Füße.

Schon jetzt deutet sich an, dass der Image-Schaden für die beteiligten Vereine recht groß ist. Glauben Sie, dass es noch eine Einigung mit der Uefa geben wird?

Das Image ist vielleicht sogar irreparabel beschädigt. Nehmen wir einen Verein wie Liverpool. Das ist eine Arbeiterstadt, hat eine große Tradition. Die Mitglieder und Fans sind mehr als schockiert. Ich habe noch nie so viele empörte E-Mails von Fans dieser Vereine bekommen. Und ich weiß nicht, ob sich das so schnell kippen lassen wird.

Die Frage mit der UEFA ist natürlich die Gretchenfrage. Meiner Meinung nach gibt es momentan nur zwei Szenarien. Entweder wird der ein oder andere der Vereine ob des Drucks durch die Öffentlichkeit oder der Fans kalte Füße bekommen und sich zurückziehen. Dann könnte das ganze Konstrukt Super League relativ schnell zusammenbrechen. Und dann wird man sich unter dem Dach der Uefa zusammenfinden. Oder das wird durchgezogen und dann kommt es darauf an, wie die Verbände und nationalen Ligen reagieren. Ob sie gewillt sind die Vereine aus den nationalen Wettbewerben auszuschließen.

Ihr Netzwerk, die Football Supporters Europe, hat die Champions-League-Reform schon stark kritisiert. Wird sie durch die Super League erträglicher?

Auf gar keinen Fall. Das ist immer noch ein fauler Kompromiss, der ja nicht dadurch besser wird, dass noch etwas Schlimmeres auf dem Tisch liegt. Wir sagen, das ganze System Fußball ist ganz offensichtlich kaputt. Kompromisse zu Gunsten der großen Vereine funktionieren nicht. Die Taktik der UEFA und der Landesverbände war es, den großen Vereinen immer mehr zu geben und die großen Vereine haben trotzdem gesagt, dass es ihnen nicht reicht.

Neben den Fans, die nicht gefragt wurden, haben wir auch die Spieler, die sich momentan noch etwas zurückhalten. Aus Berliner Sicht wäre Antonio Rüdiger, der bei Chelsea unter Vertrag steht, von der Super League betroffen. Welche Auswirkungen hat die Super League auf die Spieler?

Ich glaube, Spieler sind gerade in einer katastrophalen Position. Ich kann ihnen nicht verdenken, dass sie jetzt vorsichtig agieren. Man hat auch bei dem Interview am Montag mit Jürgen Klopp gesehen, dass er da um Worte ringen musste, obwohl er die Ankündigung einer Super League in den vergangenen Jahren schon deutlich kritisiert hat. Ganz offensichtlich lief das alles so im Geheimen ab, dass weder Trainer noch Spieler eine Ahnung hatten. Und natürlich sind die Spieler jetzt sehr überfahren worden, dass Uefa und Fifa androhen, dass der Weg zur Nationalmannschaft eventuell verwehrt bleibt.

Ist der europäische Fußball noch zu retten oder steuern wir auf den Umbruch zu, dass Fußball nicht mehr Sportart Nummer eins ist?

Ich glaube schon, dass Fußball auf absehbare Zeit Sportart Nummer eins bleiben wird. Aber darum geht es auch gar nicht so wirklich. Ich denke schon, dass sich jetzt schon viele Fans davon abwenden werden. Der Schaden zwischen den beteiligten Vereinen und ihren Fans ist teilweise vielleicht sogar irreparabel. Vielleicht ist das aber auch ein Gewitter, das es gebraucht hat.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lynn Kraemer.

Sendung: rbb UM6, 20.04.2021, 18 Uhr

11 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 11.

    Puh, da ist die Deutsche Meisterschaft wieder für die nächsten 20 Jahre gesichert. Und alle machen mit. :-D

  2. 10.

    Und wenn ich mir die Zukunft des deutschen Fußballs anschaue, sehe ich die ersten Bröckelchen aus dem Putz fallen: 7,2 Mio. Mitglieder klingt gut, wenn die Zahl der aktiven Spieler aber weiter so massiv fällt wie bisher, kann auch das 50.000ste Mitglied bei Hertha und Union nicht mehr über die eklatanten Missstände im Fußball hinwegtäuschen!

    Die Lösung zur Rettung? Kauft keine TV-Abos!

  3. 9.

    Als Freund des Fußballsports kann man nur entsetzt sein. Und dabei sind SL und CL-Reform nur die Spitze des Eisbergs.
    Nationsleague, Youth CL, Weltpokal mit 1000 Teams... Und dann diese Scheinheiligkeit von Rummenigge, Watzke und dem DFB! Man darf nie vergessen, dass die SL vom FC Bayern maßgeblich mit erdacht wurde. Was im Basketball klappt, funktioniert im Fußball zum Glück nicht!

    Interessanter Funfakt: Der DFB und die DFL planen den Amateurfußball aus dem Spielbetrieb der NLZ auszusperren. Das ist der selbe Schritt, wie er bei der SL kritisiert wird. In NRW ist das schon seit Jahren Realität.

  4. 8.

    Was soll's - ob Championsleague, Superleague oder Reissackumfallleague...
    Dies langweilige, in einer elitären Blase kickende Geldscheffelprogramm ist eh nix für mich. Die Wahrheit liegt auf dem Dorfplatz bei den Amateuren!
    Selbst 1. bis 3. Liga sind nix mehr, denn wie kann es sein, dass deren Ligaabläufe ohne Fans funktionieren? Die brauchen keine Fans und werden sich klammheimlich freuen, dass endlich Ruhe im Stadion ist...
    Zwei Sportarten sind das...
    1. Couch-Potatoe-Ligen im PayTV
    2. der unterklassige, aber ehrlicher Fußball

    ..dumm nur und ein unlösbares Problem dabei: ich seh schon gern Siege und dann steht mein Verein unweigerlich an einer Schwelle... was dann? Ein echtes Dilemma...

  5. 7.

    Am Schluss kucken doch alle die Übertragung bei Pay-TV! Übrigens, nachdem sich Tottenham angemeldet hat, überlegt Arminia Bielefeld, ob sie nicht auch mitmachen. Geld stinkt nicht, und wenn Tottenham mitmacht, geht auch Arminia Bielefeld, vielleicht sogar Alemannia Aachen.... *o*

  6. 6.

    Spätestens wenn den Super League Teilnehmern Spieler und Trainer davonlaufen (deren Lizenz ist ja an den jeweiligen nationalen Fußballverband gekoppelt) und sie nicht mehr in den nationalen Ligen auflaufen dürfen, dürften sie ganz schnell klein bei geben und die Super League ist Geschichte.

  7. 5.

    Wann hat denn in der CL das letzte mal ein Landesmeister aus Finnland, Ungarn, Zypern etc. gegen einen der Krösusse gewonnen?
    Die können aufgrund der Struktur dieses Wettbewerbes meistens nicht mal an der lukrativen Gruppenphase teilnehmen.

  8. 4.

    Verteilungskämpfe im sportkriminellen Milieu. So what?

  9. 3.

    Das ganze Getöse ist nur noch ekelerregend.Schon die auf Druck der Großvereine beschlossene „Reform“, besser Verschlimmerung der CL ist nicht mehr zu ertragen. Jetzt hauen diese Vereine noch die angebliche Gründung einer „Super League“ raus. Dabei ist das ganze dermaßen durchschaubar.
    Diese künstliche, auch mediale Aufregung über die Super League, dient nur dazu das sich danach keiner mehr über die geänderten Bedingungen zur Teilnahme an der CL aufregt, weil ja dann „Gott sein Dank“ die Super League verhindert wurde. Dabei ist diese angebliche „Reform“ das endgültige Einknicken vor den sogenannten großen Vereinen aus vier Ländern und das Ende eines europäischen Wettbewerbs, der für uns Altvorderen noch den schönen Klang - Europapokal der Landesmeister hatte...Und halten wir fest, diese Änderungen der CL sollten heute in den UEFA Gremien (u.a. Teilnehmer DFB Vize Koch) durchgewunden werden. Koch bezog sich ausdrücklich auf die Zustimmung der DFL und des DFB, also auch Hertha+Union

  10. 2.

    Soweit ich es erfasse, werden die Spiele immer noch durch erzielte Tore der körperlich Beteiligten entschieden.
    Im Übrigen: Hat beim Biathlon der Letzte schonmal überraschend den Ersten besiegt?

  11. 1.

    Um sportliche Leistungen, wie z.B. beim Biathlon, geht es beim Profifußball schon lange nicht mehr. Relativ jungen Menschen wird viel Geld in den A.... geblasen weil es die Vereine können. Leistung???? wohl eher Fehlanzeige. Nun drehen einige Vereine wieder am Rad, noch mehr Geld, mehr Leistung??? wohl wieder nicht. Für mich ist der Profifußball Menschenhandel auf höchstem Niveau, jedoch mit Zustimmung der Betroffenen. Aber die Clubs wissen ganz genau da geht noch was und es gibt leider genug Leute die bereit sind diesen Irrsinn zu bezahlen.

Nächster Artikel