Interview | Ex-Herthaner Levan Kobiashvili - "Hertha bleibt ohne Relegation in der Liga"
Drei Abstiege, ein skandalöses Relegationsspiel in Düsseldorf und in der Folge: sieben Monate Sperre. Mit den Themen Abstiegskampf und Druck kennt sich Levan Kobiashvili bestens aus. Der frühere Herthaner traut seinen Nachfolgern den Klassenerhalt zu.
Er hat für Hertha BSC gespielt. Und für die kommenden Gegner im Kampf gegen den Abstieg der Berliner aus der Fußball-Bundesliga: Freiburg und Schalke. Levan Kobiashvili ist drei Mal abgestiegen. Und er wurde nach dem skandalösen Relegationsspiel in Düsseldorf für sieben Monate gesperrt. Mit Abstiegskampf kennt der Mann sich aus. Heute ist Kobiashvili Präsident des georgischen Fußballverbandes. Und er spielt für Herthas Traditionsmannschaft.
rbb: Herr Kobiashvili, Sie sind Präsident des georgischen Fußballverbandes. Wie kommt der Fußball gerade durch die Corona-Krise?
Levan Kobiashvili: Die Zeit ist unglaublich schwierig. Natürlich ist der Fußball ohne Zuschauer nicht der, den wir lieben. In Georgien sind wir aber auf einem guten Weg. In der Meisterschaft finden Spiele mit Zuschauern statt. Beim letzten WM-Qualifikationsspiel der Nationalmannschaft durfte das Stadion zu 30 Prozent besetzt sein (Im Spiel gegen Spanien waren am 28. März rund 16.000 Zuschauer in Tiflis dabei, Anm. d. Redaktion). Das macht schon Hoffnung, dass wir bald wieder volle Stadien haben.
Sie haben in Deutschland für drei Vereine gespielt: den SC Freiburg, Schalke 04 und Hertha BSC. Alle erleben eine besondere, zwei davon eine katastrophale Saison. Fangen wir ganz unten an: Was ist auf Schalke passiert?
Das ist sehr bitter. Für den Verein, die Fans, aber auch für die Bundesliga. Es wird kein Derby geben. Da wird viel fehlen. Die Verantwortlichen müssen sich die Frage stellen, was in den letzten Jahren falsch gelaufen ist.
Der SC Freiburg, Herthas kommender Gegner am Donnerstag, musste vor der Saison mal wieder die besten Spieler ziehen lassen: Torwart Alexander Schwolow (zu Hertha) sowie die Nationalspieler Robin Koch und Luca Waldschmidt. Trotzdem steht Freiburg konstant in der oberen Tabellenhälfte. Wie sehr überrascht Sie das?
Das ist nicht neu in Freiburg, es überrascht mich also nicht. Sie haben ein gutes Management und machen seit Jahren exzellente Arbeit. Es ist normal, dass die Topspieler gehen müssen, das Geld wird dann gut in neue Spieler investiert. Sie haben ein sehr gutes Nachwuchs-Leistungszentrum. Ich habe dort meine Karriere in Deutschland angefangen. In Freiburg bewahrt man immer Ruhe. Das ist ganz wichtig.
Und wie bewerten Sie die Situation bei Hertha?
Zum Glück ist die Situation anders als etwa bei Schalke. Sie haben noch fünf Spiele zu spielen. Die Gegner sind nicht so stark. Bei Hertha wird das nicht so dramatisch aussehen, Hertha bleibt in der Liga. Da bin ich sehr sicher, weil ich an Pal Dardai glaube. Ich schätze ihn sehr. Und ich weiß, was er für den Verein leistet. Sie werden auch nur 34 Spieltage brauchen und bleiben ohne Relegation in der Liga.
Lassen Sie uns über den Abstiegskampf reden. Sie sind mit Freiburg 2002 abgestiegen, mit Hertha 2010 und 2012. Was hat der Abstiegskampf, das Gewinnen-Müssen, der ganze Druck, mit Ihnen gemacht?
Es ist eine sehr schwierige Situation. Besonders wenn die Spieler die Situation nicht kennen. Wenn du im Abstiegskampf ankommst, kannst du nicht nur sagen: "Wir schaffen das". Worte reichen nicht. Es ist harte Arbeit, da unten rauszukommen. Probleme bekommen die Mannschaften, die sich mit der Situation nicht auskennen. Mit dem Druck von außen. Plötzlich klappen die Dinge nicht mehr so, wie man es sonst gewohnt ist.
Druck und Emotionen im Abstiegskampf. Den Gipfel dessen haben Sie 2012 im Relegationsspiel in Düsseldorf erlebt. Sie sind mit Hertha abgestiegen. Im Kabinenbereich sollen Sie Schiedsrichter Wolfgang Stark geschlagen haben. Dafür haben Sie die längste Sperre im deutschen Profifußball abgesessen, durften mehr als sieben Monate nicht spielen. Wie denken Sie heute über diese Szene?
Konkret über diese Szene will ich nicht mehr sprechen. Ich habe damals gesagt, dass nicht alles stimmt, was gesagt wurde. Ich habe die Strafe aber akzeptiert, weil ich weiter Fußballspielen wollte. Das habe ich auch gemacht. Wir sind mit Hertha wieder aufgestiegen.
Aber es sind genau diese Emotionen, die sich im Abstiegskampf zeigen. Jeder Mensch: Spieler, Trainer, Fan - alle sind ganz anders in dieser Situation. Es ist nicht leicht, solche Situationen zu überstehen.
Was würden Sie Herthas Spielern heute raten?
Das ist schwer. Sie sind Bundesligaspieler, sie wissen genau was im Verein los ist, was auf dem Platz los ist. Du kommst nur aus dieser Situation raus, wenn alles stimmt: in der Kabine, jeden Tag beim Training. Wenn Trainer, Spieler und Funktionäre eine Linie haben, dann schaffen sie das gemeinsam.
Am Donnerstag empfängt Ihr Ex-Club Hertha Ihren Ex-Club Freiburg. Was wird erwarten Sie für ein Spiel gegen Freiburg?
Unabhängig von der Situation: Es ist immer eines der schwierigsten Spiele, gegen Freiburg zu spielen. Alle dachten immer: Wir spielen zu Hause gegen Freiburg: Das gewinnen wir. Und plötzlich, wenn das Spiel anfängt, merkt man, wie stark die eigentlich sind. Laufstark, gute Zweikämpfe, einige Spiele haben viel Qualität. Einige unterschätzen das. Ich habe beide Mannschaften im Herzen, aber Hertha braucht die Punkte dringender. Deshalb drücke ich ihnen die Daumen.
Wenige Tage später trifft Hertha auswärts auf Ihren nächsten Ex-Club Schalke. Was wird das für ein Spiel?
Da wird es einfacher für Hertha. Schalke ist am Boden. Sie haben keine Motivation, machen sich ganz andere Gedanken: Was passiert nächstes Jahr? Welche Spieler gehen, welche kommen? Was ist mit der finanziellen Seite? Sportlich ist es für Schalke nicht interessant. Da sollte Hertha punkten. Nochmal: Am Ende hält Hertha die Klasse. Und das ist sehr wichtig für die Stadt, den Verein und die Fans.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dennis Wiese, rbb Sport.
Sendung: rbb|24, 04.05.2021, 21.45 Uhr