Interview | Radprofi Roger Kluge vor dem Giro d'Italia - "Auch diese Saison werden wir überleben"

Fr 07.05.21 | 16:44 Uhr
Radprofi Roger Kluge (imago images/Nico Vereecken)
Bild: imago images/Nico Vereecken

Roger Kluge ist Weltmeister im Bahnradfahren und trotzdem als Profi auf der Straße erfolgreich. Warum ihm der Giro d'Italia 2016 für immer unvergessen bleiben wird und weshalb er schon an Olympia 2024 denkt, erzählt er im Interview.

rbb|24: Roger Kluge, am Samstag starten Sie beim 104. Giro d’Italia. Die wichtigste Frage zuerst: Wie steht es um Gesundheit und Fitness?

Roger Kluge: Ich bin gesund. Die Frage nach der Fitness ist immer schwierig, wenn man dreieinhalb Wochen kein Rad mehr in der Hand hatte.

Sie haben eine kleine Pause eingelegt nach den Frühjahrsklassikern.

Aller Anfang ist wieder schwer. Aber die letzten Tage habe ich mich gut gefühlt. Ich bin so fit, wie ich sein könnte. Ich hätte gern noch ein oder zwei Wochen mehr Vorbereitung für den Giro, aber die Zeit haben wir einfach nicht.

Wie fällt Ihr Saisonfazit bisher aus?

Der erste Saisonabschnitt war schon ganz gut. Ich war auf einem guten Level, habe mich gut präsentiert. Der zweite Platz von Caleb Ewan (Der Sprint-Star im Team von Roger Kluge, Anm. d. Red.) in San Remo sticht heraus. Ansonsten sind die Ergebnisse leider ausgeblieben. Aber ich habe meinen Teil, meine Arbeit gemacht. Von daher kann ich da nicht enttäuscht sein.

Sie nehmen zum vierten Mal am Giro d’Italia teil, haben dort 2016 sogar einen Etappensieg erringen können.

Mein größter Erfolg auf der Straße. Ohne Frage, definitiv. Da kommt nichts anderes ran. Und da wird wohl auch nichts mehr kommen. Seit 2016 bin ich in der Helferrolle, da sind solche Momente rar. Es kann natürlich immer mal etwas Ungeplantes passieren. Aber vor allem mache ich meinen Job für Caleb (Ewan; Anm. d. Red.), bin den ganzen Tag bei ihm mehr oder weniger.

Sie sind vor allem als tempofeste Unterstützung für Sprintstar Caleb Ewan gefragt. Beschreiben Sie einmal Ihr Aufgabenprofil.

Ich muss ihm jetzt nicht bei jeder Pedal-Umdrehung folgen. Aber wenn es nötig ist, wenn zum Beispiel Wind von der Seite kommt, dann bin ich in der Regel da und fahre vor ihm. Je näher wir dann dem Finale kommen, ab den letzten 50 Kilometern etwa, wird er nicht mehr von meiner Seite weichen.

Ihr Favorit auf Tagessiege sollte damit klar sein. Auf wenn tippen Sie in der Gesamtwertung?

Damit befassen wir uns gar nicht. Wir sind voll auf die Etappensiege ausgerichtet, das ganze Team.

Die Corona-Maßnahmen sind inzwischen Alltag. Dennoch: Wie sicher fühlen Sie sich bei der Ausübung Ihres Sports?

Es ist wie im letzten Jahr, viel verändert hat sich nicht. Wir sind in unserer Blase, und wenn sich alle daran halten, wenn keine Familien oder Fans in die Hotels kommen, dann ist es eigentlich ein sicheres System, das funktioniert. Null Risiko geht nicht. Dann müssten wir alle zu Hause bleiben. So sind wir froh, dass wir weiter Sport machen können. Klar fehlt die Nähe der Fans. Aber auch diese Saison werden wir überleben.

Sie sind auch deshalb ein Ausnahme-Athlet, weil sie seit mehr als 15 Jahren den seltenen Spagat hinbekommen zwischen Bahnradsport und Straßenrennen. Ende Juli stehen nun hoffentlich die Olympischen Spiele in Tokio an. Wie wollen Sie bis dahin die Form halten?

Nach dem Giro gibt es eine Pause von vielleicht fünf Tagen, in der ich mich erholen kann. Vielleicht fahre ich da zwei, drei Stunden am Tag, vielleicht fasse ich das Rad gar nicht an. Dann folgen drei Wochen Vorbereitung auf die Tour de France (26. Juni bis 18. Juli; Anm. d. Red.). In der Zeit kann ich genug Frische aufbauen, um den anstehenden Block aus Tour und Tokio, der dann zusammenhängend ist, zu überstehen. Direkt vor Tokio (23. Juli bis 8. August; Anm. d. Red.) werde ich also nicht freimachen können, da muss ich versuchen, aktiv zu regenerieren. Und dann muss es irgendwie laufen. Viel spezifisches Training kann ich da jedenfalls nicht machen.

Sie sind 35 Jahre alt. Ihr aktueller Vertrag beim Team Lotto Soudal läuft bis Ende 2022, auch über die Olympischen Spiele 2024 in Paris haben Sie schon gesprochen. Wie sieht Ihre Zukunftsplanung aus?

Den Vertrag würde ich gern wieder verlängern. Und 2024 habe ich im Kopf. Gerade jetzt mit der Verschiebung von Tokio, dann sind es nur noch drei Jahre. Ich habe das schon noch auf der Agenda, würde da sehr gern auch noch starten. Der Kreis der Athleten, die fünf Olympiateilnahmen geschafft haben, ist überschaubar, das habe ich mir schonmal angeguckt. Es wäre schön, zu diesem erlesenen Kreis dazuzuzählen. Sollte Tokio doch noch ausfallen, wäre die Motivation für Paris auch gleich deutlich geringer. Ich hätte schon gern die Fünf voll.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Martin Bromber.

Sendung: rbb UM6, 07.05.2021, 18.15 Uhr

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