Interview | Füchse-Manager Bob Hanning - "Ich weiß nicht, was ich von dieser Saison halten soll"

Mi 16.06.21 | 12:38 Uhr
Füchse-Manager Bob Hanning (Quelle:imago/Sven Simon)
Bild: imago/Sven Simon

Vier Spiele bleiben dem Handball-Bundesligisten Füchse Berlin noch, um die Saison zu einem versöhnlichen Ende zu bringen. Manager Bob Hanning spricht im Interview über Baustellen, Fans in der Max-Schmeling-Halle und seine Hoffnungen für die Olympischen Spiele.

rbb|24: Bob Hanning, wo erwischen wir Sie gerade?

Bob Hanning: Ich bin gerade mit unserer A- und B-Jugend für ein paar Tage in Marbella. Beide Mannschaften sind Deutscher Meister geworden. Es waren sehr anstrengende Wochen, da haben sich unsere Spieler diese Auszeit als Belohnung verdient. Vor allem sind wir mal ganz ohne sportliche Herausforderungen zusammen.

Haben Sie von den Jugendspielern schon jemandem unter Beobachtung, der eventuell nächste Saison bei der ersten Mannschaft helfen könnte?

Das ist ja etwas, was uns auch durch die Pandemie gebracht hat. In der laufenden Saison haben sieben Spieler aus dem Nachwuchs bei den Profis gespielt, damit der Kader auch leistungsgerecht besetzt werden konnte. Wir haben Marc Walter, Nils Lichtlein und Matthes Langhoff direkt einen Profivertrag gegeben und wir werden sie nächstes Jahr in der 1. Liga sehen. Mit Lasse Ludwig, Tim Freihöfer und Robin Heinis, um einige Namen zu nennen, haben wir sogar weitere Talente an uns gebunden, die mal denselben Weg wie unsere heutigen Nationalspieler Paul Drux oder Fabian Wiede gehen sollen.

Damit sind wir bei der ersten Mannschaft - in vier Spielen gilt es den vierten Tabellenplatz zu erreichen, das war das Saisonziel. Aktuell stehen die Füchse knapp dahinter auf dem fünften Platz. Wie optimistisch sind Sie?

Ich bin ein Grundoptimist und möchte immer das Maximum erreichen. Trotzdem: Platz fünf reicht, um im Europapokal dabei zu sein. Auf unseren direkten Verfolger Melsungen haben wir sechs Punkte Vorsprung. Wir spielen auch noch gegen die. Insgesamt haben wir ein schweres Restprogramm. Zum Beispiel mit dem Spiel in Flensburg (Do., 17.06., 19 Uhr). Sollten wir das gewinnen, dann gebe ich klar Platz vier als Saisonziel aus. Wichtig ist, dass wir europäisch spielen und diese Saison zufriedenstellend zu Ende bringen.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

Ich weiß ehrlicherweise nicht, was ich von dieser Saison halten soll. Wenn ich objektiv raufgucke, haben wir eine überragende Europapokalsaison gespielt, mit Siegen gegen den Champions League-Sieger Montpellier. Wir haben im Final Four-Turnier die Rhein Neckar Löwen in der eigenen Halle geschlagen. Das war ganz stark.

In der Liga haben wir zu viele Baustellen gehabt, um mehr zu erreichen. Wenn unterm Strich Platz fünf rauskommt, können wir auch zufrieden sein. Aber: Wir haben zu viele Punkte liegen lassen.

Sie haben von den Baustellen dieser Saison gesprochen. Welche sind das?

Paul Drux hat die Mannschaft als neuer Kapitän in der Hinserie noch nicht so geführt, wie ich das erhofft habe. In den letzten Wochen und Monaten hat Paul die Aufgabe herausragend gelöst, da hat ein Entwicklungsprozess eingesetzt.

Auch unsere Neuzugänge haben nicht so gestochen, wie wir uns das gewünscht haben.

Wie meinen Sie das konkret?

Wir wollten den Abstand zur Spitze verkürzen. Dafür hätte auch von den Neuen mehr kommen müssen.

Marian Michalczik verharrte viel zu lange in seiner Rolle, die er aus Minden gewohnt war. Dort hat er gegen den Abstieg gespielt. Es ist etwas anderes, ob ich nur zehn Spiele in der Saison gewinnen muss. Oder ob ich, wie bei uns, nur viel Spiele pro Jahr verlieren darf. Da haben wir uns mehr erwartet. Aber ich glaube auch, dass da noch mehr kommen wird.

Mit Lasse Andersson haben wir einen Weltklassespieler geholt, der aber in seiner Leistung zu schwankend war. Valter Chrintz ist ein ganz junger Spieler, er hat das Jahr gebraucht, um anzukommen. Und Milos Vujovic hatte einen schweren Fahrradunfall, er hatte Corona. Der fällt aus der Bewertung raus.

Ich glaube aber, dass wir für die nächste Saison eine gute Ausgangslage haben.

Wie werden die Füchse in der kommenden Saison aussehen?

Mit Jakuv Gojun (wechselt nach sechs Jahren in Berlin zu seinem früheren Verein RK Zagreb, Anm. der Redaktion) verlieren wir unseren Abwehrchef, Simon Ernst geht nach Leipzig, ansonsten bleibt die Mannschaft zusammen. Dazu kommen drei Top-Talente. Und wir diskutieren gerade, ob wir uns noch einen Spieler leisten können und leisten wollen, wenn wir uns für Europa qualifizieren. Das müsste ein sehr erfahrener Abwehrspieler sein, der unseren jungen Spielern hilft.

Zu den letzten Spielen dieser Saison sind wieder rund 1.000 Zuschauer zugelassen. Wie gut tut das?

Wenn man die Emotionen sieht, dann ist das unbezahlbar. Und ich bin unglaublich glücklich für unsere Fans und unsere Spieler. Mit Blick auf das Finanzielle ist das kein gewinnbringendes Geschäft, wenn man den Ordnungsdienst und alles bezahlen muss, was für ein Heimspiel mit Zuschauern notwendig ist. Das ist ein Verlustgeschäft für alle Clubs. Die finanziellen Reserven, die wir hatten, sind verbraucht. Deshalb müssen wir, wie auch zu Beginn der Corona-Krise, weiter gut wirtschaften.

Ich gehe davon aus, dass wir zur neuen Saison eine Zuschauerauslastung von 50 oder 60 Prozent hinkriegen und schöne Handballfeste feiern können.

Bis zum Ende des Jahres sind Sie zusätzlich zu Ihrem Amt bei den Füchsen noch Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Handball Bund. Als Sie vor acht Jahren angetreten sind, haben Sie das Motto "Gold in Tokio" ausgerufen. Nun stehen die Olympischen Spiele dort bald an. Bleibt es beim Ziel von damals?

Wie schon gesagt: Ich will immer das Maximum. Aber das wird, besonders nach dieser Saison, eine große Herausforderung. Wir haben in der Mannschaft keine Weltklasse, aber viele sehr gute Spieler. Es wird nur als Team gehen. Vor fünf Jahren wurden wir in Polen Europameister, weil wir einen ganz besonderen Geist in der Truppe hatten. Wenn wir den wieder aufleben lassen, ist alles möglich. Wir wollen den Traum aufleben lassen, dass wir um eine Medaille mitspielen können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jens-Christian Gussmann, rbb Sport.

Sendung: Inforadio, 17.06.2021, 19 Uhr

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