Interview | Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic - "Ich kann die Stadt wieder richtig einatmen"
Der Start in die neue Fußballsaison wird für Hertha BSC kein einfacher sein, glaubt der neue Geschäftsführer Fredi Bobic. Besonders wichtig sei allerdings erst einmal, dass die Blau-Weißen die Stadt wieder von sich überzeugen können - etwa durch Demut.
rbb: Fredi Bobic, was war das Erste, das sie getan haben nach ihrer Rückkehr zu Hertha BSC?
Fredi Bobic: Ich bin erstmal durch die Räume hier gegangen und habe allen "hallo" gesagt. Das Schöne war, dass ich auch viele altbekannte Gesichter gesehen habe.
Kurz nach Ihrer Ankunft sagten Sie, angesprochen auf Ihre Ziele in Berlin, "lasst uns erstmal die Stadt zurückgewinnen". Wie wollen Sie das umsetzen?
Das geht eigentlich nur über Ergebnisse. Aber auch über die Art und Weise, wie wir arbeiten wollen, wie wir uns darstellen wollen. Vielleicht sollten wir ein bisschen demütiger sein als in den ein, zwei Jahren, in denen wir vielleicht etwas zu laut waren. Das Gefühl hatte ich von außen. Aber natürlich auch auf dem Platz, für was die Mannschaft steht. Dass sie bedingungslos Mentalität zeigt und fightet, dass sie ehrlichen Fußball spielt. Ich glaube, dass das in der Stadt sehr gut ankommen würde, dass das auch bei unseren Fans sehr gut ankommen würde. Es ist ein langer Weg dahin. Es ist aber möglich.
Kämpfen sie gegen die Formulierung "Big City Club" an?
Ich nehme es nicht in den Mund. Eigentlich interessiert mich dieser komische Claim gar nicht, der uns irgendwo nahegelegt worden ist. Das ist ein sehr schöner Klub, Hertha BSC, und aus dem Klub wollen wir versuchen in den nächsten Jahren etwas Schönes zu machen. Vor allem wollen wir erfolgreich Fußball spielen und eine gute Haltung auch in vielen anderen Themen haben. Das andere lassen wir erstmal weg. Es hat noch nie etwas gebracht, laut rauszuschreien, man macht jetzt etwas ganz, ganz, ganz Besonderes. Wir müssen erstmal die Basics richtig machen. Wenn wir die Basics richtig machen, dann können wir irgendwann mit der Hacke spielen.
Ist Kevin-Prince Boateng ein Baustein, um Identität zu schaffen?
Absolut. Und er lebt das auch mit jedem Atemzug. Das merkt man einfach, wenn man ihn jeden Tag miterleben darf, ob das auf dem Trainingsplatz, in der Kabine oder auf dem Spielfeld ist. Er ist ein Typ, der so positiv vorangeht, der so gereift ist und der diese Stadt und Hertha liebt und das genauso auch ausstrahlt. Nach innen und außen. Wir alle sind sehr, sehr glücklich, dass er bei uns ist.
Was erwarten Sie sich von den ersten Monaten bis Weihnachten?
Das ist eine lange Zeit. Bis Weihnachten ist ja gefühlt ewig, das ist ja eine ganze Halbserie, die man dann gespielt hat. Also erstmal geht es um das erste Drittel. Wir haben jetzt den Pokal geschafft, was wichtig ist. Wir haben dann eine kurze Bundesliga-Startphase bis zur Länderspielpause.
Bis Ende Oktober, wo dann auch die zweite Runde des DFB-Pokals ist und einige Bundesliga-Spiele gespielt sind, will man natürlich gut reinkommen. Das beginnt schon beim ersten Spiel in Köln. Wir haben ein sehr schweres Auftaktprogramm, die Bayern sind auch sehr schnell einer unserer Gegner. Also wir wollen schon so reinkommen, dass wir erstmal eher nach oben schauen können, in die obere Tabellenhälfte als runter. Aber ganz ehrlich: Die anderen 17 Klubs haben dieses Ziel auch.
Ihre Familie lebte auch während Ihrer anderen Stationen in Berlin. Sind jetzt alle happy, dass es wieder einen Haushalt gibt?
Das hat überhaupt keine Rolle gespielt beim Wechsel des Vereins. Das ist ein herrlicher Nebeneffekt, dann wirklich auch mal nach Hause zu kommen und nicht nur ein, zwei Tage im Monat mal in Berlin zu sein bei der Familie. Oder besser: bei meiner Frau. Die in den letzten Jahren oft auch länger bei mir in Frankfurt war.
Meine Töchter sind ja schon erwachsen und unterwegs in der Welt, so dass sie gar nicht bei uns leben. Für uns ist das eine Normalität gewesen, dass wir ständig am Reisen waren. Das ist jetzt natürlich etwas Schönes. Ich freue mich total wieder hier zu sein. Ich kann die Stadt wieder richtig einatmen und meine alten Bekanntschaften treffen, wenn ich die Zeit habe dafür.
Sie müssen es wissen: Welche Stadt ist schöner, Stuttgart oder Berlin?
Ich habe mir die Wahlheimat Berlin nicht umsonst ausgesucht. Ich bin zwar in Stuttgart geboren und ich habe auch nichts gegen die Stuttgarter. Meine Eltern leben noch dort, meine Schwester und viele, viele Freunde von mir. Auch das ist ein Gefühl von Heimat. Was jetzt wirklich schöner ist? Mir gefällt die Metropole, mir gefallen die Kieze in Berlin persönlich viel, viel besser. Das hat aber nichts negativ behaftet mit Stuttgart zu tun.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview ist eine leicht gekürzte und redigierte Fassung eines Gesprächs für rbb 88,8. Das Interview führte Tim Koschwitz.
Sendung: rbb 88.8, 11.08.2021, 10 Uhr