Interview | Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic - "Ich kann die Stadt wieder richtig einatmen"

Mi 11.08.21 | 10:21 Uhr
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Fredi Bobic (imago images/Engler)
Bild: imago images/Engler

Der Start in die neue Fußballsaison wird für Hertha BSC kein einfacher sein, glaubt der neue Geschäftsführer Fredi Bobic. Besonders wichtig sei allerdings erst einmal, dass die Blau-Weißen die Stadt wieder von sich überzeugen können - etwa durch Demut.

rbb: Fredi Bobic, was war das Erste, das sie getan haben nach ihrer Rückkehr zu Hertha BSC?

Fredi Bobic: Ich bin erstmal durch die Räume hier gegangen und habe allen "hallo" gesagt. Das Schöne war, dass ich auch viele altbekannte Gesichter gesehen habe.

Kurz nach Ihrer Ankunft sagten Sie, angesprochen auf Ihre Ziele in Berlin, "lasst uns erstmal die Stadt zurückgewinnen". Wie wollen Sie das umsetzen?

Das geht eigentlich nur über Ergebnisse. Aber auch über die Art und Weise, wie wir arbeiten wollen, wie wir uns darstellen wollen. Vielleicht sollten wir ein bisschen demütiger sein als in den ein, zwei Jahren, in denen wir vielleicht etwas zu laut waren. Das Gefühl hatte ich von außen. Aber natürlich auch auf dem Platz, für was die Mannschaft steht. Dass sie bedingungslos Mentalität zeigt und fightet, dass sie ehrlichen Fußball spielt. Ich glaube, dass das in der Stadt sehr gut ankommen würde, dass das auch bei unseren Fans sehr gut ankommen würde. Es ist ein langer Weg dahin. Es ist aber möglich.

Kämpfen sie gegen die Formulierung "Big City Club" an?

Ich nehme es nicht in den Mund. Eigentlich interessiert mich dieser komische Claim gar nicht, der uns irgendwo nahegelegt worden ist. Das ist ein sehr schöner Klub, Hertha BSC, und aus dem Klub wollen wir versuchen in den nächsten Jahren etwas Schönes zu machen. Vor allem wollen wir erfolgreich Fußball spielen und eine gute Haltung auch in vielen anderen Themen haben. Das andere lassen wir erstmal weg. Es hat noch nie etwas gebracht, laut rauszuschreien, man macht jetzt etwas ganz, ganz, ganz Besonderes. Wir müssen erstmal die Basics richtig machen. Wenn wir die Basics richtig machen, dann können wir irgendwann mit der Hacke spielen.

Ist Kevin-Prince Boateng ein Baustein, um Identität zu schaffen?

Absolut. Und er lebt das auch mit jedem Atemzug. Das merkt man einfach, wenn man ihn jeden Tag miterleben darf, ob das auf dem Trainingsplatz, in der Kabine oder auf dem Spielfeld ist. Er ist ein Typ, der so positiv vorangeht, der so gereift ist und der diese Stadt und Hertha liebt und das genauso auch ausstrahlt. Nach innen und außen. Wir alle sind sehr, sehr glücklich, dass er bei uns ist.

Was erwarten Sie sich von den ersten Monaten bis Weihnachten?

Das ist eine lange Zeit. Bis Weihnachten ist ja gefühlt ewig, das ist ja eine ganze Halbserie, die man dann gespielt hat. Also erstmal geht es um das erste Drittel. Wir haben jetzt den Pokal geschafft, was wichtig ist. Wir haben dann eine kurze Bundesliga-Startphase bis zur Länderspielpause.

Bis Ende Oktober, wo dann auch die zweite Runde des DFB-Pokals ist und einige Bundesliga-Spiele gespielt sind, will man natürlich gut reinkommen. Das beginnt schon beim ersten Spiel in Köln. Wir haben ein sehr schweres Auftaktprogramm, die Bayern sind auch sehr schnell einer unserer Gegner. Also wir wollen schon so reinkommen, dass wir erstmal eher nach oben schauen können, in die obere Tabellenhälfte als runter. Aber ganz ehrlich: Die anderen 17 Klubs haben dieses Ziel auch.

Ihre Familie lebte auch während Ihrer anderen Stationen in Berlin. Sind jetzt alle happy, dass es wieder einen Haushalt gibt?

Das hat überhaupt keine Rolle gespielt beim Wechsel des Vereins. Das ist ein herrlicher Nebeneffekt, dann wirklich auch mal nach Hause zu kommen und nicht nur ein, zwei Tage im Monat mal in Berlin zu sein bei der Familie. Oder besser: bei meiner Frau. Die in den letzten Jahren oft auch länger bei mir in Frankfurt war.

Meine Töchter sind ja schon erwachsen und unterwegs in der Welt, so dass sie gar nicht bei uns leben. Für uns ist das eine Normalität gewesen, dass wir ständig am Reisen waren. Das ist jetzt natürlich etwas Schönes. Ich freue mich total wieder hier zu sein. Ich kann die Stadt wieder richtig einatmen und meine alten Bekanntschaften treffen, wenn ich die Zeit habe dafür.

Sie müssen es wissen: Welche Stadt ist schöner, Stuttgart oder Berlin?

Ich habe mir die Wahlheimat Berlin nicht umsonst ausgesucht. Ich bin zwar in Stuttgart geboren und ich habe auch nichts gegen die Stuttgarter. Meine Eltern leben noch dort, meine Schwester und viele, viele Freunde von mir. Auch das ist ein Gefühl von Heimat. Was jetzt wirklich schöner ist? Mir gefällt die Metropole, mir gefallen die Kieze in Berlin persönlich viel, viel besser. Das hat aber nichts negativ behaftet mit Stuttgart zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview ist eine leicht gekürzte und redigierte Fassung eines Gesprächs für rbb 88,8. Das Interview führte Tim Koschwitz.

Sendung: rbb 88.8, 11.08.2021, 10 Uhr

14 Kommentare

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  1. 14.

    Wahrscheinlich haben Sie meinen Kommentar nicht verstanden, somit reagieren reflexartig auf Signalwörter und schon beginnt der Steichelfluss.
    Ich will nur aufzeichnen, was man sich ins Nest geholt hat, und dass das nicht der Heiland ist, für den man ihn hält und wie er von der Hertha kolpotiert wird. Ich erinnere da an den gealterten Weltmeister, der sich auf den Titel im finanzierten Krankenstand sonnte
    Ich gönne dem Prinzen den Verein, der ihm sein Alterruhestand finanziert. Ob er aber wirklich zu einer Hilfe im wiederholten Abstiegskampf ist, wird sich noch zeigen.

  2. 13.

    Da stimme ich Dir vollkommen zu. Ich denke auch, dass Boateng nicht auf dem Platz sondern eher in der Kabine glänzen wird. Was ja bei Khedira auch so. Zuerst dachte ich auch, was will Hertha mit dem? Und dann kam heraus, wie sehr er die jungen Spieler motiviert hat und Hertha letztendlich nicht abgestiegen ist.

  3. 12.

    Herr Bobic macht weiterhin, wie schon in Frankfurt einen äußerst seriösen und aufgeräumten Eindruck.
    Auf Träumereien und Spekulationen lässt er sich von Beginn an nicht ein, gefällt mir !!!
    Zu unseren Boateng-Kritikern:
    Was ist fatal daran wenn Einer brennt, heiß auf's kicken ist; auch wenn es oftmals unbeherrscht scheint?
    Das ist mir lieber als wenn Einer über den Platz stolpert, keine Lauf- und Kampfleistung bringt und nur darauf bedacht ist das die Frisur sitzt und das Trikot sauber bleibt.

  4. 11.

    Du musst aber auch mal die Entwicklung von Boateng betrachten. Was er jetzt ist zählt. Der Bad Boy ist so etwas von vergangen…. Die menschliche Entwicklung ist enorm. Und genau deswegen ist er gut für die Mannschaft. Da fußballerische ist da Nebensache. Hertha braucht jetzt Spieler, die auch mal Klartext reden und Führung übernehmen wollen. Hertha ist auf einem guten Weg und mit Bobic ist ein Profi am Werk. Preetz war der falsche Typus. Nicht jeder ehemalige Fußballer kann managen.

  5. 10.

    Bobic for president :)
    Nein gefällt mir, hoffe dass es endlich ein bisschen Zug in die herthaner Mannschaft bringt und die Offensive explodiert !

  6. 8.

    Gähn… Deine Platte hat einen Sprung. Sprich doch mit Boateng persönlich, wenn du ein Problem mit ihm hast..

  7. 7.

    Sie wollen ja den richtigen Namen von Boateng nicht schreiben. Vielleicht schaffen Sie es aber orthographisch korrekt. Wenn schon, sollte man vom Prinzen schreiben. Eigentlich mochte ich ihn auch nie. Durch Sie ist er mir aber sympathischer geworden. Was hat Hertha Ihnen eigentlich getan? Verschmähte Liebe?

  8. 6.

    Endlich mal ne realistische Einschätzung vor Saisonbeginn, kein rumgetröte wie in den letzten Jahren wo man permanent als bettvorleger am Ende gelandet ist. Vielleicht ändert sich die hertha ja doch noch...

  9. 5.

    So, wie wir den Prinz kennen, wird er wohl nicht nur die Berliner Luft einatmen, sondern gelbe, rot/gelbe und rote Karten einatmen. Seine bisherige Bilanz: gelbe Karten: 114, gelb/rote- : 6 und rote Karten: 6, zeigen seine Einmaligkeit. Soviel Karten hat noch kein anderer Spieler gesammelt. Nun, beim DFB Pokal bekam er seine Erste. Was aber sagt das über seinen Charakter aus? Übermotiviert? Unbeherrscht? Gefährlich? Ballade kann da mehr erzählen.
    Aber warten wir das Spiel der Abstiegsaspiranten der letzten Saison ab.

  10. 4.

    Auch ich hab für diese Saison irgendwie ein gutes Gefühl .

  11. 3.

    Herr Bobic setzt auf die Basics, ohne die nichts geht. Und er steht für überschaubare, realistische Zielsetzungen. Seine Aussagen sind frei von Pathos, was ich sehr begrüße. Ob seine Konzepte aufgehen, entscheidet sich wie immer auf dem Platz. Die bereits eifrig geposteten Vorabschmähungen der ewigen Nörgler sind kontraproduktiv und völlig ungerechtfertigt.

  12. 1.

    Fredi Bobic wird der Hertha richtig gut tun.

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