Trotz verringerter Auslastung - Bundesliga-Klubs bleiben auf ihren Tickets sitzen
Zur neuen Bundesliga-Saison dürfen die Vereine wieder Publikum in ihren Stadien empfangen. Doch bei vielen Klubs zieren sich die Fans. Auch Union Berlin ist betroffen. Pressesprecher Christian Arbeit hat eine Erklärung dafür. Von Shea Westhoff
Zwei kleine Meldungen waren es nur, die in dieser Woche in Umlauf gebracht wurden. Und doch haben sie das Potenzial, einiges über die aktuelle Situation im Profifußball zu erzählen:
Der 1. FC Union Berlin, hieß es am Donnerstag, hat seinen Ticket-Verkauf für den Bundesliga-Start gegen Bayer Leverkusen am Donnerstag für alle Mitglieder geöffnet. Am Freitag legte der Verein nach: Ab 12 Uhr könnten die Eintrittskarten für den Saisonauftakt online erworben werden - jeder mit Interesse dürfe zugreifen.
Man könnte auch sagen: Der Klub aus Köpenick wird seine Tickets nicht los.
Mehrere Bundesliga-Vereine betroffen
Genau wie Hertha BSC hatte der Verein von der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport noch eine Ausnahmegenehmigung erhalten, die Arena trotz gegenwärtig sprunghaft ansteigender Corona-Inzidenzen mit 50 Prozent zu füllen, also mit 11.006 Zuschauern.
Und selbst das galt als wenig. Vor der Pandemie waren die Eintrittskarten zu Union-Heimspielen stets lange im Voraus vergriffen gewesen, das Stadion war immer ausverkauft. Und gerade jetzt, wo so viele Menschen hierzulande "Normalität" fordern, lassen sich bescheidene 11.006 Karten nicht verkaufen. Wegen Corona-Verunsicherung? Oder gar Fußball-Verdruss?
Offenbar stehen außer Union auch andere Vereine vor der Herausforderung, die Fans nach einer Spielzeit vor überwiegend leeren Rängen zur neuen Saison wieder für den Fußball zu begeistern. Borussia Dortmund vermeldete am Freitag etwa, dass die Tickets fürs Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt in den freien Vorverkauf gingen [bvb.de] - weil sich selbst unter den mehr als 150.000 BVB-Mitgliedern offensichtlich nicht genug Abnehmer finden ließen.
Das Erlebnis Fußball verändert sich gerade
Auch beim als Klassiker geltenden Eröffnungsspiel am Freitagabend zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München blieben - Stand Freitagnachmittag - noch Karten übrig.
Zumindest für seinen Verein glaubt Union-Pressesprecher Christian Arbeit das neue Phänomen erklären zu können. "Das Erlebnis Union ist nicht nur, hierher zu kommen als Einzelperson und ein Fußballspiel zu gucken", sagte er auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. "Das Erlebnis ist, mit seinen Leuten zusammen, mit den Menschen, mit denen man dieses Erlebnis teilt, zusammenstehen zu können." Und das sei schwierig in diesen Zeiten, in denen die Pandemie schärfere Regelungen wie personalisierte Tickets, einzuhaltende Abstände und Maskenpflicht erfordert.
Sind die politischen Vorgaben zu kurzfristig?
Der stockende Kartenverkauf dürfte außerdem zu begründen sein mit den teils unterschiedlichen Corona-Maßnahmen der einzelnen Bundesländer, die auch auf die ansässigen Fußballvereine abstrahlen - und potenzielle Kartenabnehmer verunsichern.
In der Stadionordnung des Dortmunder Signal-Iduna-Parks ist etwa zu lesen, dass die 3G-Regel verfolgt werde und somit sowohl Genesene und Geimpfte als auch Getestete Stadionzutritt erhielten. Allerdings heißt es dort auch, dass der der Einlass "aufgrund landesrechtlicher Vorgaben" gegebenenfalls überwiegend nur immunisierten Personen gestattet werde. Beim Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt ist genau das nun der Fall, bedeutet: ein Negativtest alleine reicht nicht mehr.
Über die Situation an Unions Alter Försterei sagt Christian Arbeit: "Wir hatten drei Testspiele in diesem Stadion, in jedem Testspiel galten unterschiedliche Regelungen – die Leute verlieren so ein bisschen den Überblick: Was ist eigentlich diesmal dran? Was muss ich diesmal machen, um dabei sein zu können?" Man müsse sich auf komplizierte Umstände einstellen.
Gewöhnen die Fans sich ans Fernsehen?
Fußball ist zwar populär wie nie, aber auch quer durch die Medien omnipräsent, sodass man sich die Unannehmlichkeiten einer weiten Anreise ersparen kann. Corona dürfte die Entwicklung verschärft haben, dass Fußball weitgehend als TV-Erlebnis wahrgenommen wird.
In mehreren Beiträgen in sozialen Medien ist außerdem abzulesen, dass die Fans sehr genau die jüngsten Entwicklungen im Fußballgeschäft beobachten: Nach einer Saison ohne Stadionbesucher schwillt den Elite-Clubs weiterhin das Portemonnaie. Die Frage stellt sich: Wofür braucht es noch die Unterstützung von den Rängen, wenn die Kraftverhältnisse im Fußball betoniert zu sein scheinen?
Bei der Pressekonferenz am Donnerstag zeigte sich Christian Arbeit zuversichtlich, dass beim Kartenverkauf letztlich alles wie gewohnt laufe: spätestens am Freitag seien die verfügbaren Karten ausverkauft. Bisher hat der Verein dies indes nicht bestätigt.
Sendung: inforadio, 18.08.21, 15.15 Uhr