Teamcheck | Hertha BSC - Endlich in Ruhe arbeiten

Di 10.08.21 | 06:10 Uhr | Von Dennis Wiese
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Hertha-Trainer Pal Dardai (Quelle: imago images/Matthias Koch)
Bild: imago images/Matthias Koch

Kaum war Pal Dardai mal anderthalb Jahre nicht Trainer von Hertha BSC, rutschte der Klub in Planlosigkeit und Abstiegskampf. Nach seiner Rückkehr hat er Hertha wieder einmal gerettet - und will nun in Ruhe etwas aufbauen. Von Dennis Wiese

So lief die vergangene Saison

Nach dem vorletzten Spieltag konnte Hertha-Trainer Pal Dardai genüsslich und sichtlich erleichtert seine Zigarren paffen. Der Verein hatte Dardai ein kleines Köfferchen feiner Cohibas geschenkt - weil der Ungar mit Hertha den Klassenerhalt geschafft hatte.

Das war in der turbulenten Saison 2020/21 keine Selbstverständlichkeit. Hertha war mit Bruno Labbadia auf der Trainerbank ins Rennen gegangen. Seine Aufgabe: eine falsch zusammengestellte, junge, internationale Truppe zu einer Mannschaft machen. Labbadia scheiterte daran. Weil Neuzugänge wie Lucas Tousart und Deyovaisio Zeefuik, neu in Deutschland, neu in der Bundesliga, ganz einfach Zeit brauchten, um anzukommen. Weil hoch veranlagte Angreifer wie Matheus Cunha und Dodi Lukebakio nicht viel mit taktischen Vorgaben anfangen wollten. Und weil Hertha-Urgesteine wie Niklas Stark, Vladimir Darida oder Peter Pekarik nicht in die Anführer-Rollen schlüpfen konnten.

Hertha schied schon in der ersten Runde des DFB-Pokals in Braunschweig aus, verlor vier der ersten fünf Ligaspiele. Von Beginn an ging es gegen den Abstieg und gegen die Verunsicherung in der Mannschaft. Nach 18 Spielen musste Labbadia gehen. Auch die Ära von Michael Preetz endete - nach fast zwölf Jahren als Manager und 25 Jahren bei Hertha BSC.

Pal Dardai, schon von 2015 bis 2019 Herthas Trainer, kehrte zurück und stabilisierte die Mannschaft im Abstiegskampf. In der Schlussphase blieben die Berliner acht Spiele nacheinander ungeschlagen, was Hertha den vorzeitigen Klassenerhalt und Pal Dardai ein Köfferchen schöner Zigarren bescherte.

Wer kommt, wer geht

Der bislang spektakulärste Neuzugang ist der Manager: Fredi Bobic, der Eintracht Frankfurt in den vergangenen Jahren vom Beinahe-Absteiger zum DFB-Pokalsieger und Europapokalhalbfinalisten machte. Seine Transfers brachten Frankfurt neben sportlichem Höhenflug auch viel Geld in die Kasse: Allein die Verkäufe von Luka Jovic und Sebastian Haller bescherten den Hessen rund 100 Millionen Euro.

Erfolg, Geld, Weitblick – all das sind Dinge, die Hertha sich nun auch von Fredi Bobic und seinem großen Team aus Scouts, Analysten und engen Vertrauten erhofft. Sie sollen Hertha eine Strategie, eine Philosophie verpassen.

Ein strategisch wertvoller Transfer könnte der von Kevin-Prince Boateng sein. Ein einstiger Bad Boy aus dem Berliner Wedding, in Herthas Jugend groß geworden und dann ausgezogen in die weite Fußball-Welt: Tottenham Hotspur, AC Mailand, FC Barcelona. Der Prince hat für die ganz Großen gespielt. Nun, mit 34, wolle er seiner Heimat etwas zurückgeben, so Boateng. Als Typ, als gereifter Weltenbummler, der für Berlin und zugleich für das Internationale steht. Das ist ausgezeichnet fürs lange graue Image des Vereins.

"Das Gesamtpaket stimmt einfach", so Manager Fredi Bobic über den ablösefreien Boateng, mit dem er für Frankfurt gemeinsam den DFB-Pokal gewann. Welchen Wert der Mittelfeldspieler sportlich hat, muss sich zeigen. Trainer Dardai weiß, was Boateng am Ball kann, aber auch, wie es um seine Fitness bestellt ist: "Kevins größter Gegner ist sein Körper."

Für Tore soll Stevan Jovetic sorgen. Wieder ein Mann mit Erfahrung und spannender Historie. Der 31-Jährige traf schon für Manchester City und Inter Mailand. Nun wechselte der Montenegriner ablösefrei von der AS Monaco nach Berlin. Kaum bei Hertha angekommen, erzielte er zwei Tore im Testspiel gegen Liverpool.

Mit Suat Serdar hat Hertha sportlich eine echte Verstärkung an Land gezogen. Der zentrale Mittelfeldmann kam für acht Millionen Euro von Absteiger Schalke 04. Übersicht, Drang nach vorne, fußballerische Klasse - der 24-Jährige, der vier Mal für die deutsche Nationalmannschaft auflief, wird Hertha besser machen.

"Dynamik, Vielseitigkeit, Zug zum Tor und Mentalität" erhofft sich Hertha-Manager Bobic vom vierten Neuzugang Marco Richter. Der 23-jährige Außenbahnspieler kommt für rund sieben Millionen Euro vom FC Augsburg. Im Gegenzug wechselt Herthas Eigengewächs Arne Maier, zunächst auf Leihbasis, zum Ligakonkurrenten nach Augsburg.

Zuvor hatten die Blau-Weißen schon neun Spieler abgegeben: Sami Khedira, Weltmeister von 2014, hat seine Karriere beendet. Die Leihverträge von Matteo Guendouzi und Nemanja Radonjic liefen aus. Zur Kategorie: Erwartbare Abgänge gehört der Wechsel von Mathew Leckie (in die australische Heimat) sowie die Leihen von Nachwuchsstürmer Jessic Ngankam (zu Bundesliga-Aufsteiger Greuther Fürth) und Eduard Löwen (zu Bundesliga-Aufsteiger VfL Bochum). Innenverteidiger Omar Alderete zieht es zunächst auf Leihbasis zum FC Valencia.

Durchaus überraschend kamen die Wechsel von Luca Netz und Jhon Cordoba. Der 18-jährige Netz galt als größtes Hertha-Talent der vergangenen Jahre, er geht für vier Millionen Euro Ablöse zu Liga-Konkurrent Mönchengladbach. Der bullige Stürmer Cordoba wechselt für beachtliche 20 Millionen Euro nach Krasnodar in die russische Liga.

Hertha BSC Trainer Pal Dardai (Bild: rbb/ Dirk H. Walsdorff)
Hertha-Trainer Pal Dardai pafft eine Zigarre.Bild: rbb/ Dirk H. Walsdorff

Der Trainer

Es kann nur einen geben: Pal Dardai. 2019 musste der heute 45-Jährige als Trainer der Hertha-Profis gehen, nach knapp viereinhalb Jahren. Hertha spielte unter Dardai immer solide, qualifizierte sich 2016 für das internationale Geschäft. Aber vor dem millionenschweren Einstieg von Investor Lars Windhorst war der Geldbeutel klein, große sportliche Sprünge waren nicht möglich.

Der Geschäftsführung wurde der Dardai-Fußball zu bieder. Der frühere Hertha-Profi und Nachwuchstrainer Ante Covic sollte der alten Dame neuen Offensivfußball beibringen. Wenige Monate später steckte Hertha im Abstiegskampf. Covic war gescheitert, mit der Verpflichtung von Jürgen Klinsmann sollte es noch ein paar Nummern spektakulärer werden in Berlin. Doch auch der frühere Weltmeister blieb nicht lange. Erst verpulverte er unzählige Millionen Euro, dann schmiss er via Facebook hin. Alexander Nouri und Bruno Labbadia sollten als Trainer drei und vier innerhalb einer Saison den so entstandenen Scherbenhaufen zusammenkehren - vergeblich. Hertha erlebte nach Dardais Abgang höchst stürmische Zeiten. Erst seine Rückkehr im Januar 2021 brachte wieder Ruhe rein. Ein Grund, warum der neue starke Mann Fredi Bobic seinen ehemaligen Hertha-Mitspieler Pal Dardai auch weiterhin als Trainer sehen will.

Zwölf Wochen nach den Klassenerhalts-Zigarren geht es für Dardai wieder los: "Ich habe ein sehr gutes Gefühl, große Vorfreude. Alles ist in der Vorbereitung so gut gelaufen wie noch nie. Das fühlt sich fast schon komisch an."

Bisher hat Dardai Hertha BSC vier Mal durch die Vorbereitung und dann in die neue Saison geführt. Immer gewann seine Mannschaft das erste Spiel im DFB-Pokal und dann auch das darauffolgende erste Liga-Spiel. Zumindest das DFB-Pokalspiel (1:0 in Meppen) haben Hertha und Dardai auch im fünften Jahr schon einmal gewonnen.

Erwartungen an die Saison

Große Kampfansagen an die Konkurrenz wird es keine geben. Pal Dardai und Fredi Bobic stehen für Bodenhaftung und realistische Ziele.

Für Hertha geht es darum, einzelne Spieler weiterzuentwickeln, eine Mannschaft zu formen. Diese Arbeit hat schon mit Pal Dardais Amtsantritt Ende Januar begonnen: "Die letzte Saison war wie eine Vorbereitung. Am Anfang hatten wir nullkommanull Teamgeist. Da hat man Bauchschmerzen gehabt, in die Kabine reinzugehen. Dann haben wir am Ende acht Spiele nicht verloren. Wir haben den Klassenerhalt gefeiert. Das war sehr gut. Auch jetzt im Sommer hat die Mannschaft sehr gut mitgezogen."

Seit Jahren versucht Hertha, offensiver, ansehnlicher zu spielen. Für die kommende Saison steht das wieder ganz oben auf der To-Do-Liste. Die Spielweise soll mutiger werden. Den Gegner früher unter Druck setzen, ihn stressen und zu Fehlern zwingen - das sind die Erwartungen. Wenn alles gut geht, pafft Dardai am Saisonende wieder genüsslich seine Zigarren.

Sendung: rbb24, 13.08.2021, 16 Uhr

Beitrag von Dennis Wiese

16 Kommentare

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  1. 16.

    Man müsste Sie vielleicht einmal nötigen auf alle nach Ihrer Meinung sicher eintretenden Voraussagen Geld zu setzen. Was dann wohl von ihren Behauptungen übrig bliebe? Es ist immer wohlfeil einfach mal für lau auf dicke Hose zu machen, solange die selbstsicher vorgetragenen Aussagen keine Konsequenzen haben, auch wenn sie sich als falsch erweisen sollten.

  2. 15.

    " M&M " und was hat Hertha an Titeln gewonnen in den letzten 70 Jahre ? Wenn man natürlich keine Ansprüche stellt, kann man weiter vor sich hin dümpeln. FIN !

  3. 14.

    Ich sag Ihnen gerne, wie es die letzten 30 Jahre bei Hertha BSC war und wie der Stand heute ist:

    In den letzten 30 Jahren war alles dabei: 1. Liga, UEFA-Cup, Europa-League, Champions League und leider auch mal die 2. Liga.

    Stand heute: 0 Spiele, 0 Punkte... also noch gar nichts passiert (;

    Darauf hätten Sie auch kommen können (;

  4. 13.

    "M&M" man muss kein " Experte " sein, um voraussagen zu können, wo Hertha am Ende der Saison stehen wird. Analysieren Sie die letzten ca.30 Jahren von Hertha und verfolgen Sie die heutige Situation ,dann kommen Sie zu dem Ergebnis. Lars Windhorst, hätte das Geld lieber karitative Zwecke spenden sollen, dort wäre das viele Geld sinnvoller angelegt.

  5. 12.

    Ich bin gespannt, wie die Hertha in die Saison einsteigt. Gleich das erste Spiel ist schon eine interessante Begegnung und nicht ganz unwichtig, da danach erstmal zwei schwere Partien anstehen.

    @ M&M: Probieren Sie es doch mal hiermit: https://www.youtube.com/watch?v=PXlwxiLdja8 ;-)

  6. 11.

    Interessant, wie einige "Experten" hier jetzt schon wissen wie die Saison laufen wird, obwohl noch nicht ein einziges Spiel in der Liga gespielt wurde und der Transfermarkt noch bis zum 31.08.21 geöffnet ist.
    Haben die werten "Experten" auch schon die richtigen Lottozahlen bis Mitte/Ende Mai 2022 parat??? Dann lassen Sie mich diese bitte wissen!

  7. 10.

    Interessant, wie einige "Experten" hier jetzt schon wissen wie die Saison laufen wird, obwohl noch nicht ein einziges Spiel in der Liga gespielt wurde und der Transfermarkt noch bis zum 31.08.21 geöffnet ist.
    Haben die werten "Experten" auch schon die richtigen Lottozahlen bis Mitte/Ende Mai 2022 parat??? Dann lassen Sie mich diese bitte wissen!

  8. 8.

    Was soll die Verbitterung? Ist das eine enttäuschte Hertha-Liebe oder nur Störfeuer aus dem anderen Lager? Wie schon andere schrieben: Lassen wir die Akteure doch erst einmal zeigen, was Sie in dieser Saison zu bieten haben. Ich erwarte nicht viel, aber natürlich eine Steigerung gegenüber der Vorsaison.

  9. 7.

    Hertha ist auf einem sehr guten Weg. Dardai und Bobic ziehen an einem Strang und können miteinander.

  10. 6.

    Soll Ihre penetrant falsche Schreibweise bzgl des Namens von Kevin-Prince Boateng lustig sein. Ist das Überheblichkeit? Oder darf man Ihnen gar einen rassistischen Hintergrund vorwerfen.

  11. 5.

    Jetzt mal im Ernst - ich mache mir Sorgen um den Zustand der Hertha. Dardai ist für die kommenden Aufgaben, eine situative Fehlbesetzung. Auf kurz oder lang wird sich das wieder einmal zeigen. Preetz hatte das damals irgendwann auch erkannt, bis er selber ein Klotz am Bein wurde. Aus Dankbarkeit konnte man wohl nicht anders als Dardai behalten. Das ist natürlich alles etwas kompliziert! Hat das eigentlich schon jemand mitbekommen - Lars Windhorst ist, vorerst, um satte 375M. ärmer geworden! Nur so, falls sich bei dem einen oder anderen inzwischen Gedächtnislücken aufgetan haben sollten. Wir müssen, das entsprechend mal richtig einordnen. Ja Ja, die Hertha-Brille, immer diese Blau Weiße Hertha-Brille, die macht einen gelegentlich etwas blind. Bobic hingegen hat den kompletten Durchblick? JESSIC + LUCA + RICHTER, alles super Dealst? Wirklich? Und der nächste Coup bahnt sich auch schon an, Cunha für n‘ Appel und n‘ Ei bald weg? Wehe dem - Herr Bobic!

  12. 4.

    " Endlich in Ruhe arbeiten " Was hat Hertha in all den Jahren vorher gemacht ? Wie sagte schon ein Freund von mir :
    "..Hertha ist eine " tote Mannschaft "
    Hertha, wird auch dieses Mal wieder gegen den Abstieg kämpfen, weil einfach keine Spieler vorhanden sind, die "Biss" haben. Warum holt man alte Spieler, die keiner mehr haben möchten, weil sie die Leistungen für Hochleistungssport nicht mehr erbringen können ? Weil sie preisgünstig sind ?

    Hertha hat jetzt viel Geld bekommen, sehr viel Geld. Leider werden wieder die gleichen Fehler gemacht, wie seit ca. 30 Jahren zuvor. Traurig !

  13. 3.

    Warum jetzt schon ??? so negativ?
    Einfach mal abwarten, schauen wo die Entwicklung hingeht.
    Wenn es dann nicht läuft darf man gerne negativ sein ;-)

  14. 2.

    Das könnte gut gelingen wenn er die entsprechende Rückendeckung, Zeit und Ruhe bekommt; unter Preetz zeigte sich das eine egomanische Führung genau das Gegenteil bewirken kann.
    Mit Friedrich und Bobic sollte nun auch im Background die nötige Professionalität Einzug erhalten haben.
    Auf dem Platz mit Boateng, er muss sich beweisen das er real der verlängerte Arm von Pal sein kann und zudem Lautsprecher und Leader.
    HaHoHe

  15. 1.

    Der " einstiger Bad Boy" Prinz? Nach 36min die erste Gelbe Karte?
    Wenn das so weitergeht, wird die Hertha wenigstens im Ranking Gelb/Roter Karten einen der vorderen Plätze einnehmen.
    Vielleicht war das der Plan der Hertha-Oberen, einen alternden abgewrackten Spieler zu verpflichten, wenigstens in dieser Tabelle zu den Ersten zu gehören, denn in der Bundesliga geht es nicht über den 13. Platz hinaus. Aber daran haben sich die Herthaner ja gewöhnt.

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