Teamcheck | 1. FC Union Berlin - Der Klassenerhalt bleibt das Hauptziel

Der 1. FC Union will sich in der Bundesliga etablieren. Deshalb nahm der Verein im Sommer Rekordsummen in die Hand. Trotz der gelungenen Qualifikation zum Europapokal bleibt der Klassenerhalt die Priorität der Köpenicker. Von Till Opperman
So lief die vergangene Saison:
Die Saison 2020/21 war die beste in der Vereinsgeschichte des 1. FC Union. Mit dem Einzug in die neu geschaffene UEFA Conference League übertrafen die Köpenicker selbst die kühnsten Träume. Und das obwohl sie ihren Saisonstart verpatzten. Nach einer 1:3-Heimniederlage am ersten Spieltag gegen Augsburg schienen sich die Befürchtungen zu bewahrheiten, dass Union im zweiten Bundesligajahr Schwierigkeiten haben würde, die Klasse zu halten.
Doch die Unioner ließen sich nicht beirren und setzten sich rasch im oberen Tabellendrittel fest. Insbesondere zuhause in der Alten Försterei war die Mannschaft kaum zu bezwingen. Nach der Auftaktniederlage gegen Augsburg verlor Union kein weiteres Heimspiel. Der krönende Abschluss war das 2:1 am letzten Spieltag, als Max Kruse die Eisernen mit seinem Tor in der Nachspielzeit in den Europapokal schoss.
Wer kommt, wer geht:
Union Berlin will sich in der Bundesliga etablieren und geht dafür finanzielle Risiken ein. Gleich zwei Mal überbot der Verein in dieser Sommerpause den eigenen Ablösesummenrekord. Generell hatte Manager Oliver Ruhnert viel zu tun. Zwölf Abgängen stehen zwölf externe Neuzugänge gegenüber. Nachdem Torwart Loris Karius nach seiner Leihe nach Liverpool zurückkehrte, soll nun der Däne Frederik Rönnow mit Stammkeeper Andreas Luthe konkurrieren. Mit Nico Schlotterbeck, der nach Ablauf seiner Leihe nach Freiburg zurückkehrte und Christopher Lenz, der ablösefrei zu Eintracht Frankfurt wechselte, musste Union zudem zwei Stammspieler in der Defensive ersetzen.
Weil Linksverteidiger Lenz schon im März bekanntgab, seinen auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern, konnten die Berliner frühzeitig reagieren. Für 3,5 Millionen Euro wurde der 22-jährige Tymoteusz Puchacz von Lech Poznań verpflichtet - die erste Rekordsumme des Sommers. Schlotterbecks Nachfolger als Linksfuß in der Innenverteidigung wird der Niederländer Rick van Drongelen, den Ruhnert für 500.000 Euro vom HSV loseiste. Weitere Neuzugänge in der Abwehr sind U-21 Europameister Paul Jaeckel von der SpVgg Fürth und der international erfahrene Timo Baumgartl von der PSV Eindhoven.
Auch in der Mittelfeldzentrale setzte Union auf Erfahrung und verpflichtete mit den jeweils ablösefreien Rani Khedira und Levin Öztunali zwei Spieler, die bereits weit über 100 Bundesligaspiele absolvierten. Im Gegenzug verließ Routinier Christian Gentner die Wuhlheider und wechselte zum FC Luzern in die Schweiz.
Auf den Flügelpositionen und im offensiven Mittelfeld begrüßt Union ebenfalls mehrere ablösefreie Neuzugänge. Neben Genki Haraguchi von Hannover 96 und Andreas Voglsammer vom Ligakonkurrenten Arminia Bielefeld schließt sich der Pole Pawel Wszolek den Köpenickern an. Die größte Baustelle in der Sommerpause war der Sturm. Weil mit Petar Musa, Joel Pohjanpalo und Taiwo Awoniyi gleich drei Leihen ausliefen, herrschte Handlungsbedarf. Nachdem mit Kevin Behrens aus Sandhausen ein weiterer ablösefreier Zweitligaspieler die erste Not linderte, präsentierten die Unioner einen alten Bekannten: Taiwo Awoniyi wurde für 6,5 Millionen Euro fest verpflichtet und löste Puchacz als Rekordtransfer ab.
Nachdem lange gemutmaßt wurde, ob die Stammspieler Marvin Friedrich und Robert Andrich den Verein verlassen, sieht es derzeit so aus, als würden sie den Berlinern erhalten bleiben.
Der Trainer
Urs Fischer ist mit der Kaderplanung seines Kollegen Ruhnert zufrieden: "Oli hat das einmal mehr sehr gut hinbekommen." Der Erfolgstrainer geht mittlerweile in seine vierte Saison. Weil ihm gleich im ersten Jahr der Aufstieg, dann der Klassenerhalt und im dritten Jahr der Einzug in den Europapokal gelang, empfahl er sich für andere Aufgaben.
Doch nicht mal ein Angebot des Schweizer Verbands konnte Fischer überzeugen. Es sei "absolut kein Thema" für ihn, die Nationalmannschaft seines Heimatlandes zu übernehmen, sagte der leidenschaftliche Angler dem Kicker. Ein Wechsel kommt für den 55-Jährigen nicht in Frage. Zumal ihm die reibungslose Vorbereitung Mut macht: Union gewann vier von fünf Testspielen - zuletzt drehten die Eisernen einen Rückstand gegen Athletic Bilbao. Fischer freut das: "Ich sehe, dass die Mannschaft in der Spur ist."
Erwartungen an die Saison:
Mit Fischers Erwartungen an die Saison können sich wohl die meisten Fans des Vereins anfreunden: "Klassenerhalt, im Pokal so weit wie möglich zu kommen und in der Conference League das Play-off zu überstehen, um sich für die Gruppenphase zu qualifizieren." Der breite Kader mit derzeit noch 34 Spielern könnte diese dreifache Belastung durchaus stemmen. Zumal kurz vor Saisonstart mit Max Kruse, Sheraldo Becker und Cedric Teuchert mehrere Offensivspieler das Training aufnahmen, die wegen Einsätzen bei Olympia beziehungsweise dem Concacaf Gold Cup weite Teile der Vorbereitung verpassten.
Trotz der Verlockungen des Europapokals habe "die Meisterschaft" Priorität, so Fischer. Erstmals seit dem Aufstieg sind die Unioner keiner der meistgenannten Abstiegskandidaten. Das sei aber noch lange kein Grund zur Entspannung, mahnt Fischer, denn: "Die Aufsteiger Fürth und Bochum können so überraschen, wie wir es im ersten Jahr getan haben." Seit seinem Amtsantritt fuhr der Schweizer gut mit seiner besonnenen Art. Solange er die Köpenicker trainiert, scheint ein Abstieg schwer vorstellbar.
Sendung: rbb UM6, 12.08.2021, 18 Uhr