Power-Ranking Hertha BSC - Das sind die Gewinner und Verlierer des Saisonstarts
Nicht wenige prognostizierten der Hertha vor der Saison einen Höhenflug. Es folgte die Bruchlandung. Die Länderspielpause gibt Zeit zum Luftholen - und zur Analyse: Wer sind die Verlierer der bisherigen Hertha-Saison? Und gibt es Gewinner?
Die Vorbereitung auf die neue Saison in der Fußball-Bundesliga absolvierte die Mannschaft von Trainer Pal Dardai ungeschlagen. Mit Fredi Bobic kam ein neuer Geschäftsführer zu Hertha, der zuvor Eintracht Frankfurt nach Europa und zur neuen Blüte geführt hatte. Mit Kevin-Prince Boateng lotste Bobic eine der schillerndsten Figuren des europäischen Fußballs in dessen Heimatstadt Berlin. Spätestens nach dem 1:0-Arbeitssieg in der ersten Pokalrunde beim SV Meppen schien die "Alte Dame" auf dem besten Weg, zumindest eine solide Saison absolvieren zu können.
Der Saisonstart mit null Punkten und 2:10 Toren aus drei Spielen bestätigte diese Hoffnungen jedoch nicht. Statt Aufbruch- herrscht Katerstimmung rund um das Olympiagelände. Doch welche Protagonisten hat es dabei mit nach unten gezogen und wer macht Hoffnung auf Besserung?
Gewinner: Jurgen Ekkelenkamp und Myziane Maolida
Gerade einmal 15 Ligaspiele hat Jurgen Ekkelenkamp in der vergangenen Saison für Ajax Amsterdam absolviert, nur drei davon über 90 Minuten. Bei Myziane Maolida waren es 19 Spiele, auch, weil der trickreiche Franzose mit Verletzungen zu tun hatte. Dass die beiden Junioren-Nationalspieler über Potential verfügen, steht außer Frage. Ebenso wie die Tatsache, dass sich nach den Verkäufen von Matheus Cunha, Jhon Cordoba und Dodi Lukebakio recht gute Aussichten auf Spielzeiten ergeben dürften. Zudem können sie ihre Aufgabe unbelastet von den Erfahrungen der ersten drei Spieltage angehen, an denen sie noch nicht Teil der Mannschaft waren.
Und das in einer der Top-Ligen Europas und bei einem Verein, dessen Ziele ungeachtet des verunglückten Saisonstarts ambitioniert sind.
Verlierer: Die Außendarstellung
"Lasst uns erstmal die Stadt zurückgewinnen", sagte Herthas neuer Geschäftsführer Fredi Bobic bei seinem Amtsantritt. Im Gespräch mit dem rbb legte er wenig später nach und formulierte: "Vielleicht sollten wir ein bisschen demütiger sein als in den ein, zwei Jahren, in denen wir vielleicht etwas zu laut waren." Kaum gesagt musste er mit ansehen, wie die Social-Media-Abteilung der Hertha am letzten Tag des Transferfensters und nach dem Transfer von Myziane Maolida anhand einer Grafik verkündete, nunmehr 22 Prozent der geplanten Aktivitäten vollzogen zu haben.
Hoffnung machte sich breit unter den Hertha-Anhängern, ein Kracher-Transfer schien nur noch Formsache. Dass die fehlenden 78 Prozent durch die Abgänge von Javairo Dilrosun und Daishawn Redan erreicht wurden, wirkte dann entsprechend peinlich.
Gewinner: Ishak Belfodil
Die Bundesliga-Bilanz des 29-jährigen Algeriers Ishak Belfodil in den vergangenen zwei Spielzeiten? 19 Einsätze, kein Tor. Dabei hat der 17-fache Nationalspieler keinesfalls umgesattelt, auf der Visitenkarte Belfodils steht noch immer Mittelstürmer geschrieben. Doch nach einer famosen Saison 2018/19 (21 Scorer-Punkte in 28 Spielen) erlitt der 1,92 Meter Stoßstürmer einen Kreuzbandriss und geriet anschließend in eine Formkrise.
Angesichts der dünnen Personaldecke im Sturmzentrum der Hertha hat Belfodil nun dennoch beste Chancen auf Einsatzzeiten. Beim Gastspiel in München durfte er so bereits über eine halbe Stunde ran - und erzielte prompt einen Treffer. Für den leider galt, was Belfodil aus seiner Schlussphase in Hoffenheim bestens kennen sollte: Abseits.
Verlierer: Lars Windhorst
374 Millionen Euro hat Lars Windhorst über seine Firma in den Verein gepumpt. Und dabei immer wieder betont, sein Engagement sei auf langfristigen Ertrag angelegt. Die Momentaufnahme jedoch sollte auch bei mit Kursschwankungen vertrauten Investoren Bauchschmerzen aufkommen lassen. Schaut man auf die Marktwerte des Portals "transfermarkt.de", hat sich der Gesamtmarktwert des Hertha-Kaders allein vom Februar 2021 zum September 2021 drastisch reduziert: von 252 auf 137 Millionen Euro.
Nun zählten im Februar auch Leihspieler wie Matteo Guendouzi zum Kaderwert, also Spieler, an denen Hertha gar keine Transferrechte besaß. Zudem stimmen sportlicher Wert und Marktwert von älteren Spielern wie Kevin-Prince Boateng (34 Jahre, zwei Millionen Euro Marktwert) selten überein. Dennoch sind die 32 Prozent Marktwertverlust eine Ansage. Aber womöglich muss sich einfach nur die Social-Media-Abteilung der Hertha der Sache annehmen.
Verlierer: Pal Dardai
Noch im Mai war er der Retter, mit Nicht-Abstiegs-Zigarren und breitem Grinsen. Und auch vor der Saison wirkte Dardai zufrieden mit dem Kader und der Entwicklung des Klubs. Auch wenn ihn ein "komisches Gefühl" beschlich, weil "alles so gut gelaufen ist". Doch statt der erhofften Konsolidierung setzte es nun den Null-Punkte-Fehlstart. Und Dardai stellte sein Licht unter den Scheffel: "Hertha BSC sucht bestimmt schon lange einen großen Trainer. Pal ist ein kleiner, netter Trainer. Wenn ein großer Trainer hier ist, gehe ich sofort und trainiere die U16 wie früher", sagte der Ungar nach dem 0:5 bei den Bayern. Und sorgte damit für Unmut bei Boss Bobic.
"Sein emotionaler Ausbruch war unnötig. Der war nicht gut", befand Bobic, der immerhin hinzufügte, der Trainer würde seine "kurze Schwächephase" mittlerweile bedauern.
Verlierer: Herthas Eigengewächse
Ein erklärtes Ziel der Hertha: Talente aus der Akademie ins Bundesligateam integrieren. Die jüngste Vergangenheit jedoch sah anders aus. Mit Lazar Samardzic, Arne Maier und Luca Netz verließen drei hoch gehandelte Eigengewächse den Verein, ohne jemals nachhaltig Teil der Profi-Mannschaft gewesen zu sein. Maximilian Mittelstädt und Jordan Torunarigha stagnieren sowohl in der Entwicklung als auch bei den Einsatzzeiten. Als Lichtblick darf Marton Dardai gelten, der sich in der Verteidigung festgespielt hatte, ehe ihn nun eine Sprunggelenksverletzung außer Gefecht setzte.
Sendung: inforadio, 09.09.2021, 10.15 Uhr